Quelle: Indymedia
Eigentlich ist es ja müßig, darüber zu schreiben, da es ohnehin schon alle wissen. Ja, unsere Polizei benimmt sich immer häufiger daneben, was prinzipiell immer folgenlos für die Beamten bleibt, da sie zu hundert Prozent von der Staatsanwaltschaft unterstützt werden, die zudem weisungsgebunden handelt und auf Befehl von oben praktiziert, was nicht nur für juristische Laien geradezu wie Strafvereitelung im Amt anmutet.
Auf der Suche nach Beispielen wird man regelrecht erschlagen von der Fülle der Vorkommnisse. Da werden einem in Handschellen gefesselten Teenager von einem Beamten die Zähne ausgeschlagen,als dieser ihn vor den Augen seiner Mutter an den Haaren packt und mit dem Kopf mindestens fünfmal gegen die Wand schlägt. Eine Frau wird nachts bei Gewitter im Wald ausgesetzt. Ein anderer Fall, der durch die Medien geisterte: Ein volltrunkener Jugendlicher wird nachts auf der Landstraße ausgesetzt und von einem anderen Auto überfahren. Ein andermal wird ein Polizist dabei erwischt, wie er bei einer Hausdurchsuchung Bargeld mitgehen lässt und ein weiterer Kollege dabei, wie er einer Sechzehnjährigen seine Kamera unter den Rock hält.
Kommen wir langsam zu den relevanteren Fällen behördlicher Charmeoffensiven. Beispielsweise in München, wo ein polizeiliches Überfallkommando einen Behinderten und dessen blinden Vater verprügelt, obwohl die Mutter die Beamten darauf hingewiesen hatte. Oder der jugendliche Autodieb, der dicht wie eine Natter im gestohlenen Jaguar saß. Da er nicht aussteigen wollte, erschoss die Polizei ihn einfach durch das geschlossene Wagenfenster hindurch. Mareame Ndeye Sarr wurde in der Wohnung ihres Mannes von der Polizei erschossen, da sie ungehalten über die Entziehung ihres Kindes war. Ihr Mann beging daraufhin Selbstmord, der Verbleib des elternlosen Kindes ist unbekannt. Ebenfalls von Beamten erschossen wurde erst unlängst Christy Schwundek, als Polizeibeamte in einer ARGE sich außerstande sahen, ihr trotz Nahkampfausbildung ein kleines Küchenmesser abzunehmen. Der Schuss verletzte Bauchorgane, offenbar wussten die Beamten nicht, dass man den Lauf der Waffe prinzipiell immer nach unter richtet, solange keine akute Gefährdung besteht.
Erstmals bundesweit auf Polizeigewalt aufmerksam geworden war die deutsche Öffentlichkeit im Falle des erschossenen Wolfgang Grams in Bad Kleinen. Während die Polizei offiziell von einem Selbstmord ausging, berichtete eine Kioskbesitzerin, die das Geschehen verfolgt hatte, das Grams mit einem aufgesetzten Schläfenschuss hingerichtet worden war. Anschließend wurden sämtliche Spuren zum Tathergang von den Beamten beseitigt. Zu einem Prozess kam es nie, womit wir beim eigentlichen Thema sind.
Dass es in einem solch großen Organ wie der Polizeibehörde immer wieder zu Fehltritten kommen kann, leuchtet ein und wäre auch nicht weiter tragisch, wenn, ja wenn da nicht die Staatsanwaltschaft wäre, die sich stets durch konsequentes Nichtstun hervortut, sobald es um ihre uniformierten Vollstrecker geht. Dies bestätigt auch Katharina Spieß von Amnesty International in einem Interview mit der taz und an anderer Stelle. Ihre Kernaussage: „Solange die Polizei gegen sich selbst ermittelt, gibt es keine unabhängigen Verfahren.“ Auch der Feldbefreier Jörg Bergstedt kann auf zahlreiche Kungeleien bei den Behörden zurückblicken. Er zeichnet genau nach, wie die Strafanzeigen gegen Staatsbedienstete systematisch unter den Tisch fallen gelassen werden. Seine Projektwerkstatt hat sich des Themas Polizeistraftaten angenommen. Hier ein kleiner Textauszug:
„Über 20 Fälle von Erfindungen irgendwelcher Straftaten, viele Erfindungen von Tatbeteiligungen, etliche rechtswidrige Angriffe auf Demonstrationen, ebenso illegale Platzverweise, Hausverbote, Festnahmen, DNA-Tests und Hausdurchsuchungen, Einschüchterung und Gewalt, Hetze und Schüren sozialrassistischer Gewalt sind in einer 50-seitigen „Dokumentation von Fälschungen, Erfindungen und Hetze durch Presse, Politik, Polizei und Justiz in und um Gießen“ zusammengetragen und nun veröffentlicht worden.
Das Hauptproblem sind dabei nicht die ausführenden Beamten, sondern die ermittelnde Staatsanwaltschaft, die in der Regel mit einer Gegenanzeige gegen die betroffenen Bürger reagiert. Der Vorwurf ist stets derselbe: Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte. Beispielsweise, weil der Arm des Opfers sich weigerte, auf Wunsch hin zu brechen. Dass Staatsanwälte ihre Vollstrecker lieb haben, mag ja einleuchten, aber das Ausmaß der amtlich verursachten Strafvereitelung hat inzwischen kritisches Niveau erreicht. Und es lässt eines deutlich zutage treten. Wir haben es hier mit einem Staat im Staat zu tun, der sich jeglicher rechtlichen Kontrolle entzieht. Gibt man auf Google den Begriff Polizei ein, gemeinsam mit dem Zusatz: „Lizenz zum Töten,“ so erhält man mehr als eine halbe Million Treffer. Jede Form von Macht birgt in sich den Keim des Missbrauchs, der im Falle von Polizei- und Justizskandalen immer absonderlichere Blüten austreibt. Mitunter hat es direkt etwas Komisches, wenn die Berliner Polizei sich gegen die Kennzeichnungspflicht zur Wehr zu setzen versucht, indem sie mit der Kennzeichnungsplakette ein Eisbein zersäbelt. Es ist nicht länger zu übersehen. Die Polizei begeht immer gehäufter Straftaten, ist sich dessen ebenso bewusst, wie die Staatsanwaltschaft als deren vorgesetzte Behörde und ebenso wie diese dazu bereit, alles zu tun, um diesen Umstand zu vertuschen. Ein weiterer Suchtagg: „staatsanwaltschaft betreibt strafvereitelung-im-amt“ bringt mehr als 100 000 Suchergebnisse. Es sind einfach zu viele Fälle, um sie vollständig aufzuzählen, nicht zuletzt, da die Dunkelziffer erheblich höher liegen dürfte. Ein Rechtsstaat sieht anders aus.
Strafvereitelung im Amt wird übrigens genauso wie Rechtsbeugung mit Freiheitsstrafen bis zu fünf Jahren bedacht. Zumindest auf dem Papier – und das ist geduldig. Geduldiger als all die zehntausende Castorgegner, die sich bereits jetzt schon psychisch auf die Polizeistraftaten einstimmen, die sie gegen Ende des nächsten Monats zu erwarten haben. Es ist bedauerlich, aber die Zeiten, in denen man der Polizei vertrauen konnte, sind offenbar vorrüber.
In diesem Zusammenhang sei zudem noch einmal auf das wirkliche spannende Interview „Feindbild Bürger“ mit Thomas Wüppesahl, dem Bundessprecher der Bundesarbeitsgemeinschaft Kritischer Polizistinnen und Polizisten verwiesen, der die Entwicklung in den eigenen Reihen mit steigender Besorgnis registriert. Hier der Stream- Link zum Interview, zur Auflockerung von einigen Musiktiteln unterbrochen.
„Die Kunst des Regierens besteht darin, sich von den Reichen bezahlen und von den Armen wählen zu lassen, indem man beiden Seiten vorgibt, sie vor der jeweils anderen Seite zu beschützen.“ Gefunden bei Infokrieger