Die plötzliche Krise

Nein, keine Sorge, es geht nicht ums neuartige Corona-Virus (bzw. Covid-19, wie die Krankheit offiziell heißt). Eher um so etwas Unwichtiges wie... LTBs. Und deren Krise. Aber wenn wir alle zuhause bleiben müssen, ist es umso bedauerlicher, wenn die aktuelle Disney-Lektüre nicht das hält, was sie verspricht.

Erstaunlicherweise betrifft diese plötzliche Krise weniger die Heftformate (Donald Duck Sonderheft, Micky Maus Comics, Micky Maus Magazin, Micky Maus Taschenbuch), deren Qualität mir momentan deutlich mehr zusagt als noch letztes Jahr - beim DDSH hatte ich ja schon das Ende kommen sehen, aber nun ist wieder eine deutliche Steigerung spürbar. Auch wenn es sicher schwierig sein wird, die Lücke zu füllen, die Redakteur und Comicexperte Wolfgang J. Fuchs (R.I.P.) hinterlassen hat.

Aber der Taschenbuchbereich scheint irgendwie eingebrochen zu sein. Über das LTB Ultimate Phantomias 31 habe ich mich ja schon in einem eigenen Blogeintrag ausgelassen. Band 32 (leider mit einer sehr schlechten Erstveröffentlichung) macht das zumindest teilweise wieder gut, indem einige recht interessante italienische Geschichten nachgedruckt werden: „Das verlorene Amulett" ist die erste Geschichte, in der Marco Gervasio den ersten Phantomias sowie seine Gefährtin Detta von Duz in Szene gesetzt hat, was einerseits einen Vorläufer der Reihe „Die Legende des 1. Phantomias" darstellt (auch wenn der Hauptteil der Geschichte in der Gegenwart spielt), andererseits eine echte Wohltat nach der entgleisten Darstellung derselben Figur durch Andreas Pihl im vorigen Band ist. Ein anderer Vorläufer der Reihe jedoch, und zugleich die erste von Gervasio geschriebene Phantomiasgeschichte, „Der einzig wahre Phantomias", fehlt im Ultimate noch, ohne dass es dafür irgendeinen erkennbaren Grund gäbe. Eigentlich hätte der Comic schon in Band 28 oder 29 sein müssen.

Mein Lieblingsschurke (und Vorlage für meinen Nickname) Spectaculus feierte zu dieser Zeit ein Comeback - zwei Jahre nach der hier enthaltenen Geschichte durfte er auch in „Ultrahelden" noch mal glänzen, hat sich aber seitdem rar gemacht. Gegen ihn kämpft hier nicht nur Phantomias, sondern auch sein neuer Verbündeter Megamago, bürgerlich als TV-Zauberer Magowitz bekannt (und eine Parodie des italienischen Illusionisten Antonio Papernova). Aber da gehen schon die Seltsamkeiten los: Magowitz' zweite Geschichte „Magie und Moral" fehlt hier, da sie erst vor Kurzem in LTB Spezial 78 (mit verschlechterter Übersetzung!) nachgedruckt wurde. Enthalten ist jedoch sein dritter Auftritt, „Mächtig viel Zauber". Soviel zur Chronologie. Es stellt sich schon die Frage, wieso man in dem Spezial nicht die ganzen dänischen Geschichten nachdrucken konnte; qualitativ sind sie auf einem ähnlichen Niveau wie die Kaschperlmicky-Comics, die dort leider auch immer wieder zu finden sind. Dadurch wären sie fürs Ultimate geblockt worden, während die Chronologie des Ultimate nicht so sehr beschädigt werden würde. Die Antwort ist wohl, dass das Spezial auch in anderen Ländern erscheint - und die würden in einem Superhelden-Spezial natürlich auch lieber die besseren italienischen Phantomias-Comics lesen als dänische...

Auch interessant: Mit „Superheld auf See" gibt es einen Nachdruck, der bei uns erst vor vier Jahren erschienen ist. Gut für die Chronologie, aber da gab es schon andere Fälle von Comics, die vor nicht allzu langer Zeit in einer anderen Reihe gedruckt wurden und deswegen jetzt im Ultimate fehlen.

Besonders wird das Ultimate 32 aber durch die dänisch-italienische, von Peter Höpfner initiierte und mit ausgetüftelte Serie „Monat der Superschurken", die damals trotz LTB-Format im Micky-Maus-Magazin erschienen ist. Aber da gehen die Seltsamkeiten weiter: Im MM-M und Topolino erschienen damals fünf Comics. Der fünfte (Gewinner der Abstimmung, welcher der Superschurken einen weiteren Auftritt haben durfte), „Zähmen durch lähmen", fehlt in diesem Band aber. Zugleich handelt es sich dabei um den zweiten Auftritt von Graf Durchblick, dessen dritter stattfindet in? Genau, „Mächtig viel Zauber". Also haben wir hier die erste und dritte Magowitz-Geschichte sowie die erste und dritte Graf-Durchblick-Geschichte. (Hoffentlich kommen alle vier Fortsetzungen der Serie bald noch ähnlich gebündelt im Ultimate.)

Aber als ob das nicht reichen würde, heißt Graf Durchblick in „Mächtig viel Zauber" nach wie vor „Der Unsichtbare"! Das ist doch einfach nicht zu fassen. Bei Erstveröffentlichung war es schon ärgerlich, aber jetzt - in einem Band (einer Reihe, die nach wie vor für sich in Anspruch nimmt, eine Chronologie darzustellen) vereint - ist es nur noch lächerlich. Nach dem erneuten Desaster mit der Rahmengeschichte in LTB Premium 25 ist das innerhalb kürzester Zeit der zweite Fauxpas, der sich trotz damals laut geäußerter Kritik (im Dialog mit Peter Höpfner) wiederholt hat.

Comicforum: völlig unverständlich ist mir die Übersetzung von „Mächtig viel Zauber" (LTB 402): Der Unsichtbare ist Graf Durchblick, einer der Superschurken, die 2007 gegen Phantomias kämpften. Das ist optisch klar, und im Italienischen wurde auch durchgängig ein Name verwendet. Wie konnte das in der Redaktion durchgehen? pet: Da ist dem zuständigen Redakteur schlichtweg ein Fehler passiert; ist bereits darauf hingewiesen worden. Sorry und danke!

Leider sind gerade diese Namensfehler eine ewige Achillesferse von Egmont Ehapa: Gerade erschienen zwei Comics mit der Gottfredson-Figur Montmorency Rodent in Micky Maus Comics 53 sowie ein weiterer in Micky Maus Taschenbuch 19. In einer Geschichte heißt der Kerl wie im LTB üblich Mortimer, in einer weiteren Monty (sein englischer Spitzname), und schließlich noch „Ratzo"! Umso erstaunlicher, dass alle drei Comics von derselben Person (Susanne Walter) übersetzt wurden...

Gehen wir mal von Phantomias weg. In meinen Rezensionen gehe ich ja darauf ein, wie wenig ich von den LTBs 528, 529 und 530 überzeugt bin - und wenn ich so recht drüber nachdenke, war auch 527 von Casty abgesehen nicht so ganz das Gelbe vom Ei. Dass mit „Donald Quest" eine recht gewöhnungsbedürftige Serie über vier Bände verteilt wird, hat der Reihe in meinen Augen nicht gut getan.

LTB Spezial 92 „Endspiel Entenhausen" war durchaus noch recht ansprechend - allerdings gab es hier mit „Super-Simulation" schon einen ziemlich schlimmen Nachdruck. Und das setzt sich in „Unglaubliche Geschichten" fort. Ich will so furchtbare Machwerke wie „Der Mann mit den zwei Gehirnen" oder „Fluch der Steine" nicht mehrfach bei mir zuhause haben - ein Mal ist schon zu viel! 🙁

Das Ärgerlichste für mich ist aber, dass man zwischen diesen schwachen Geschichten auch Erstveröffentlichungen meiner Lieblingskünstler „versteckt". Im Ultimate 31 war es ein Comic von Francesco Artibani, im Spezial 93 ist es eine Geschichte von Carlo Chendi und Claudio Sciarrone, dazu auch noch zwei Comics mit Donni Duck, den ich persönlich immer ganz gerne lese - beide aber sehr kurz, warum man die langen Donni-Riemen nicht endlich mal veröffentlicht?

LTB Crime ging mit Band 7 in die zweite Staffel, der Inhalt war aber auch durchwachsener als bei den vorigen sechs Bänden. Und auch die eigentliche Paradereihe, das LTB Premium, ist mit dem umstrittenen 24. Band und der etwas schwächelnden letzten Ausgabe rund um PKNA nicht ganz auf dem gewohnten Niveau - zumindest das soll sich aber mit Band 26 (Mickys Abenteuer als Großstadtreporter) und 27 (die zweite Serie des neuen Phantomias, die offenbar vom Storytelling her an „Micky Mystery" erinnert) ändern.

Selbst die wahrscheinlich beste LTB-Veröffentlichung des Jahres bisher, Enten-Edition 65, hätte noch besser sein können, wenn man den „letzten Gulugulu" endlich mal mit moderner Kolorierung gedruckt hätte und die Fortsetzung zu „Wo steckt Gitta" eingebaut hätte.

Ich weiß nicht, woher dieser plötzliche Qualitätsabfall kommt, und ich hoffe, dass sich das bald wieder ändert... Für mich ist es jedenfalls ein seltsames Gefühl, LTBs (also zumindest Nebenreihen) im Geschäft liegen zu lassen. Zumindest vorläufig.

(Corona spielt aber leider doch eine Rolle - z.B. als Planet, der im LTB Premium bald ausführlich zur Sprache kommen wird... im Ernst, dass jetzt sowohl der James-Bond-Bezug als auch die Fußball-Bände nicht mehr funktionieren, tut mir schon ein wenig Leid für die Redaktion.)


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