Stefan Pietsch argumentiert in seinem jüngsten Beitrag "Warum Deutschland kein Einwanderungsgesetz braucht" unter anderem, dass eine große Illusion die deutsche Politik und, natürlich, seinen liebsten verbalen Boxsack, die Linken, im Griff hält. Wie so oft in der aktuellen Debatte wirft Stefan in seinem Beitrag munter Einwanderung, Flucht und Asyl durcheinander, denn tatsächlich dürfte es unbestreitbar sein, dass bei den letzteren beiden eine Unterscheidung nach Talent oder Nützlichkeit sich selbst verbietet. Andernfalls wäre jede Unterscheidung überflüssig. Bei der klassischen Einwanderung ist dies anders, aber hier arbeiten wir immer noch den Problemberg ab, der zwischen 1960 und 2000 geschaffen worden ist, nämlich die massenhafte Einwanderung niedrig qualifizierter, kulturell fremder Menschen und die gleichzeitige Leugnung dieses Vorgangs. Seither hat es effektiv keine großen Einwanderungswellen aus Südeuropa oder dem Mittleren Osten mehr gegeben, denn die großen Fluchtbewegungen der 1990er Jahre im Zuge der Balkankriege blieben eine vergleichsweise beschränkte Angelegenheit, und viele der damals nach Deutschland geflohenen sind mittlerweile wieder zurückgekehrt.
Das Hauptaugenmerk liegt daher auf der Bewältigung der aktuellen Krise und den Zukunftsaussichten für die vielen Menschen, die zwar wahrscheinlich zu einem Teil auch wieder in ihre Heimat zurückkehren werden, von denen aber schon alleine wegen ihrer ungeheuren Zahl mit einem guten Teil von Bleibewilligen zu rechnen ist. Diese Debatte konzentriert sich hauptsächlich auf die Frage, wie gut die Perspektive ist die diese Menschen in Deutschland haben und welchen Kosten und Nutzen sie der Gesellschaft als Ganzes bringen.
Wohlgemerkt, das war unter einer SPD-Regierung. Zu großen Maßnahmen kam es nicht mehr - was folgte waren Kohl, die große Ausländerlebenslüge der Konservativen und 16 verlorene Jahre auf diesem Gebiet. Die CDU unterstützte Bürgerinitiativen wie "Bürgerinitiative Ausländerstopp" ("Damit wir in diesem Land eine Zukunft haben"), investierte Millionen in Anreize für die Gastarbeiter, wieder in die Türkei zurückzugehen (ohne greifbare Ergebnisse) und hielt eisern daran fest, dass die deutsche Staatsbürgerschaft an deutsches Blut gebunden war. Dieses ius sanguinis führte zu Beginn der 1990er Jahre dann zu der absurden Situation, dass die Kohl-Regierung hunderttausende so genannter "Aussiedler" oder "Russlanddeutscher" ins Land ließ, ohne irgendwelche Schritte zur Integration zu unternehmen - wozu auch, es handelte sich für die Konservativen ja technisch gesehen auch nicht um Zuwanderung, sondern um eine Rückführung. Gleichzeitig glaubte man auch, die Flüchtlinge vom Balkan mit einer Verschärfung des Asylrechts hinreichend bedacht zu haben.
Erst Rot-Grün unter Schröder - und hier vor allem die Grünen - hoben das Thema wieder auf die Agenda und versuchten, mit dem viel geschmähten Multi-Kulti eine erste Antwort auf diese drängenden Fragen zu geben. Das Zuwanderungsgesetz, das 2005 in Kraft trat, blieb dabei weit hinter den Anforderungen zurück, und das Thema verschwand später im Skandalsumpf der Visa-Affäre, als das von Joschka Fischer geführte Außenministerium deutlich zu laxe Visa-Neuregelungen erließ, die zum Missbrauch geradezu einluden. Trotzdem ist es das Verdienst von Rot-Grün, das Thema "Integration" überhaupt dauerhaft auf dem politischen Tablett verankert und auch die CDU/CSU wenigstens zu Lippenbekentnissen hierzu gezwungen zu haben.
Sieht man sich diese lange Geschichte der Verdrängung des Integrationsthemas an, so überrascht es, dass immer noch nicht auch nur ansatzweise eine allgemein anerkannte Definition dessen vorliegt, was eigentlich "Integration" eigentlich bedeutet. Die CDU hat eine Weile lang den Begriff der "deutschen Leitkultur" als politischen Kampfbegriff genutzt, ohne ihn verbindlich mit Inhalt zu füllen. Das greifbarste Leitkultur-Ergebnis dürfte der Einwanderertest sein, der eher an eine Trivial-Pursuit-Variante erinnert als an Integrationspolitik. Auf der anderen Seite müssen sich die Grünen den Vorwurf gefallen lassen, tatsächlich zu optimistisch und naiv an die Sache herangegangen zu sein, während die SPD gefühlt seit Heinz Kühn das Thema schlicht ignoriert. So entsteht die absurde Situation, dass zwar alle lautstark Integration einfordern, aber niemand wirklich zu sagen vermag, was Integration nun eigentlich ist. Welches Sprachniveau braucht es? Welche kulturelle Assimilation? Reicht das Einhalten der Gesetze? Etc.
Das frustrierende an den ständigen Integrationsforderungen ist diese Unklarheit, denn sie entschuldigt auch das große Nichtstun. Man kann dies wunderbar an Pietschs Beiträgen der vergangenen Tage untersuchen. Die Integration der Türken ist "weitgehend gescheitert", die Leute vom Balkan schuhplatteln auch noch nicht und die Syrer entstammen ohnehin einer völlig anderen Kultur, so dass eine Integration ohnehin nicht möglich ist. Warum also überhaupt versuchen? Es ist nur die neueste Auflage von "Deutschland ist kein Einwanderungsland", dem letzten Mantra, mit dem Konservative ihre eigene Untätigkeit zum Prinzip erhoben. Natürlich ist grenzenloser Optimismus genausowenig hilfreich. Pietsch, Lübberding und viele andere Kritiker haben natürlich schon Recht, wenn sie feststellen, dass in den aktuellen Plänen zwischen der Reise von Punkt X (Flüchtlinge kommen nach Deutschland) zu Punkt Z (Flüchtlinge sind toll integriert und leisten ihren Beitrag zum Wirtschafts- und Gesellschaftsleben) eine Lücke Y klafft, die aktuell durch göttliche Intervention ausgefüllt scheint.
Das kann aber kein Grund sein, die Arme in die Luft zu werfen, mehr Härte durch die Exekutivorgane zu fordern und zu hoffen, dass sich damit alles erledigen möge. Wir brauchen eine konstruktive Debatte für einen ersten, umspannenden Integrationskonsens. Nur dann wissen Migranten, was von ihnen verlangt wird, und nur dann kann es einen Punkt geben, an dem wir Erfolg und Misserfolg klar konstatieren können. Vorher ist alles nur Gerede.
Das Hauptaugenmerk liegt daher auf der Bewältigung der aktuellen Krise und den Zukunftsaussichten für die vielen Menschen, die zwar wahrscheinlich zu einem Teil auch wieder in ihre Heimat zurückkehren werden, von denen aber schon alleine wegen ihrer ungeheuren Zahl mit einem guten Teil von Bleibewilligen zu rechnen ist. Diese Debatte konzentriert sich hauptsächlich auf die Frage, wie gut die Perspektive ist die diese Menschen in Deutschland haben und welchen Kosten und Nutzen sie der Gesellschaft als Ganzes bringen.
Plakat 1979
Wenn Stefan Pietsch hier triumphierend Meinhard Miegel zitiert, so kann man ebenfalls Heinz Kühn zitieren, den ersten Ausländerbeauftragten der BRD. Er legte 1979 ein Memorandum vor, in der er darauf hinwies, dass Deutschland de facto ein Einwanderungsland war und dass es dringend notwendig war, Maßnahmen zur Integration der hier lebenden Ausländer zu ergreifen und sich nicht der Illusion hinzugeben, dass diese irgendwann wieder gehen würden. Er forderte unter anderem, "Bildung, Arbeitsleben, Kultur und Bürgerrechte" miteinzubeziehen. Die frühen 1980er Jahre sahen auch eine Initiative, den in Deutschland lebenden Ausländern das kommunale Wahlrecht zuzugestehen.Wohlgemerkt, das war unter einer SPD-Regierung. Zu großen Maßnahmen kam es nicht mehr - was folgte waren Kohl, die große Ausländerlebenslüge der Konservativen und 16 verlorene Jahre auf diesem Gebiet. Die CDU unterstützte Bürgerinitiativen wie "Bürgerinitiative Ausländerstopp" ("Damit wir in diesem Land eine Zukunft haben"), investierte Millionen in Anreize für die Gastarbeiter, wieder in die Türkei zurückzugehen (ohne greifbare Ergebnisse) und hielt eisern daran fest, dass die deutsche Staatsbürgerschaft an deutsches Blut gebunden war. Dieses ius sanguinis führte zu Beginn der 1990er Jahre dann zu der absurden Situation, dass die Kohl-Regierung hunderttausende so genannter "Aussiedler" oder "Russlanddeutscher" ins Land ließ, ohne irgendwelche Schritte zur Integration zu unternehmen - wozu auch, es handelte sich für die Konservativen ja technisch gesehen auch nicht um Zuwanderung, sondern um eine Rückführung. Gleichzeitig glaubte man auch, die Flüchtlinge vom Balkan mit einer Verschärfung des Asylrechts hinreichend bedacht zu haben.
Erst Rot-Grün unter Schröder - und hier vor allem die Grünen - hoben das Thema wieder auf die Agenda und versuchten, mit dem viel geschmähten Multi-Kulti eine erste Antwort auf diese drängenden Fragen zu geben. Das Zuwanderungsgesetz, das 2005 in Kraft trat, blieb dabei weit hinter den Anforderungen zurück, und das Thema verschwand später im Skandalsumpf der Visa-Affäre, als das von Joschka Fischer geführte Außenministerium deutlich zu laxe Visa-Neuregelungen erließ, die zum Missbrauch geradezu einluden. Trotzdem ist es das Verdienst von Rot-Grün, das Thema "Integration" überhaupt dauerhaft auf dem politischen Tablett verankert und auch die CDU/CSU wenigstens zu Lippenbekentnissen hierzu gezwungen zu haben.
Sieht man sich diese lange Geschichte der Verdrängung des Integrationsthemas an, so überrascht es, dass immer noch nicht auch nur ansatzweise eine allgemein anerkannte Definition dessen vorliegt, was eigentlich "Integration" eigentlich bedeutet. Die CDU hat eine Weile lang den Begriff der "deutschen Leitkultur" als politischen Kampfbegriff genutzt, ohne ihn verbindlich mit Inhalt zu füllen. Das greifbarste Leitkultur-Ergebnis dürfte der Einwanderertest sein, der eher an eine Trivial-Pursuit-Variante erinnert als an Integrationspolitik. Auf der anderen Seite müssen sich die Grünen den Vorwurf gefallen lassen, tatsächlich zu optimistisch und naiv an die Sache herangegangen zu sein, während die SPD gefühlt seit Heinz Kühn das Thema schlicht ignoriert. So entsteht die absurde Situation, dass zwar alle lautstark Integration einfordern, aber niemand wirklich zu sagen vermag, was Integration nun eigentlich ist. Welches Sprachniveau braucht es? Welche kulturelle Assimilation? Reicht das Einhalten der Gesetze? Etc.
Das frustrierende an den ständigen Integrationsforderungen ist diese Unklarheit, denn sie entschuldigt auch das große Nichtstun. Man kann dies wunderbar an Pietschs Beiträgen der vergangenen Tage untersuchen. Die Integration der Türken ist "weitgehend gescheitert", die Leute vom Balkan schuhplatteln auch noch nicht und die Syrer entstammen ohnehin einer völlig anderen Kultur, so dass eine Integration ohnehin nicht möglich ist. Warum also überhaupt versuchen? Es ist nur die neueste Auflage von "Deutschland ist kein Einwanderungsland", dem letzten Mantra, mit dem Konservative ihre eigene Untätigkeit zum Prinzip erhoben. Natürlich ist grenzenloser Optimismus genausowenig hilfreich. Pietsch, Lübberding und viele andere Kritiker haben natürlich schon Recht, wenn sie feststellen, dass in den aktuellen Plänen zwischen der Reise von Punkt X (Flüchtlinge kommen nach Deutschland) zu Punkt Z (Flüchtlinge sind toll integriert und leisten ihren Beitrag zum Wirtschafts- und Gesellschaftsleben) eine Lücke Y klafft, die aktuell durch göttliche Intervention ausgefüllt scheint.
Das kann aber kein Grund sein, die Arme in die Luft zu werfen, mehr Härte durch die Exekutivorgane zu fordern und zu hoffen, dass sich damit alles erledigen möge. Wir brauchen eine konstruktive Debatte für einen ersten, umspannenden Integrationskonsens. Nur dann wissen Migranten, was von ihnen verlangt wird, und nur dann kann es einen Punkt geben, an dem wir Erfolg und Misserfolg klar konstatieren können. Vorher ist alles nur Gerede.