liebes lesterschwein,
nach zwei monaten funkstille sehen wir nun also den tatsachen ins auge. bloggen ist eine super sache, aber bloggen über dinge die schon urlange her sind unsere sache nicht. (ewig her. eeeewig. fast ein halbes jahr schon.)
und du hast mir geschrieben „ich möchte es nicht als halb-lebendigen content-zombie dahinvegetieren lassen…“
damit hast du völlig recht und ich hab wieder was gelernt. es gibt für alles den richtigen zeitpunkt und wenn der vorbei ist, ist er eben vorbei.
die gute nachricht ist: wir sind viel buddistischer als ich dachte. ganz im hier und jetzt, wer hätte das gedacht. total zen ey.
also: sollten wir jemals einen reiseblog machen, dann eben wenn wir auf reisen sind.
nichtsdestotrotz werde ich meine kleine geschichte hier fertigerzählen. als alter serienjunkie weiß ich schließlich, dass es nichts blöderes gibt als eine begonnene geschichte ohne ende.
wo war ich stehengeblieben? ach ja, agdz.
denn die radgeschichte beginnt ja erst hier.
agdz – zagora
in agdz haben wir auf einem superidyllischen campingplatz die nacht verbracht und eine einladung zum essen viele gute tipps von dem weitgereisten deutschen paar bekommen. ich sag nur: 40 jahre marokko. „weißt du“, hat der alte gesagt, eingehüllt in seinen wollmantel, „ich hab in frankfurt eine schöne wohnung, 180 quadratmeter. aber wenn du mich fragst wo ich mehr happy bin, hier auf meinen 4 quadratmetern oder dort, dann sag ich dir hier bin ich mehr happy.“ und die wüste, ja die wüste, die muss man einfach erlebt haben.
interessiert haben uns die beiden gefragt ob wir denn schon mal in der wüste waren. nein, waren wir nicht. nein, wir waren noch nie in marokko. nein, wir haben keine prepaid-card die hier funktioniert. nein, straßenkarten haben wir auch keine.
wir sind uns eigentlich ziemlich gut ausgerüstet vorgekommen. aber die beiden haben viel gelacht über uns und nur fassungslos den kopf geschüttelt, als sie gehört haben wo wir fahren wollen. mit dem fahrrad die wüste entlang!?! die spinnen doch.
so haben wir kurzerhand unseren routenplan umgeschmissen und beschlossen erst mal das draatal richtung zagora zu fahren. am nächsten morgen ist uns erst so langsam gedämmert worauf wir uns hier eigentlich einlassen. „hans-peter“, hab ich gesagt, „das ist alles so surreal da. was machen wir hier eigentlich?“ „geht mir genauso,“ hat er gesagt. na immerhin.
drum waren wir auch gar nicht böse, als uns wenige kilometer später el-hussain von der straße gepflückt hat. „hey, ich hab da ein projekt, kommt in meinen garten, trinken wir tee.“ na, da lassen wir uns nicht zweimal bitte. und im garten war es so schön, dass wir gleich beschlossen haben erst mal zu bleiben. außerdem hat uns el-hussain verraten, dass er als nomade in der wüste aufgewachsen ist. „kann ich euch schon zeigen. die wüste, ja die wüste, die muss man einfach erlebt haben.“
also haben wir die nächsten zwei tage einen roadtrip mit el-hussain und seinem companion rashid unternommen. mit seinem kleinen weißen renault. ja, zweirad-antrieb. in diesen zwei tagen haben wir richtig, richtig viel gelernt.
wie wissen jetzt wieviel wasser man für einen tag in der wüste braucht (5l pro kopf), wie man ein auto aus dem sand ausbuddelt wenn es stecken bleibt, wie man ein rad am auto wechselt und wie ein wagenheber funktioniert.
außerdem wissen wir jetzt ganz genau wie man jemanden beleidigt. das geht ganz einfach. man gibt jemanden ein trinkgeld. nicht, das trinkgelder nicht gern gesehen wären. aber trinkgeld pflückt man nonchalant aus der hosentasche und drück es dem gegenüber so nebenher in die hand und auf keinen fall sieht man dem andern dabei in die augen. wenn man die geldbörse zückt und dann vielleicht noch das wort „pay“ in den mund nimmt dann verteilt man als tourist besser ordentlich geld und keine trinkgelder. zum glück waren el-hussain und rashid sehr freundliche, geduldige und aufgeschlossene leute, die uns über die fettnäpfchen aufgeklärt haben in die wir so getreten sind und dem entsprechend sind wir wenige tage später um einiges schlauer mit dem radl in zagora gelandet.
zagora – tata
die nächsten paar tage haben wir damit verbracht früh aufzustehen und zu schwitzen. für diese region von marokko ist april nicht die richtige reisezeit, schon gar nicht mit dem rad. die meisten radfahrerInnen sind im februar unterwegs und das aus gutem grund. wir haben das gelöst, indem wir um halb6 aufgestanden sind, geradelt sind bis 10 oder halb11, dann pause im schatten bis mindestens halb6 und dann ev. noch ein bisschen fahren. belohnt wurden wir mit einer fantastischen, spektakulären landschaft und fast leeren, aber erstaunlich gut asphaltierten straßen.
die dörfer und ortschaften, durch die wir gekommen sind, waren klein und ländlich. auffallend war, dass es in den etwas wohlhabenderen orten einen trend gibt aus den alten lehmhäusern auszuziehen und in betonhäuser umzuziehen. und in den lokalen bzw. auf der straße nach einbruch der dunkelheit sieht man praktisch keine frauen. das ist natürlich wenn man ein wenig nachdenkt nicht sehr überraschend. ich hab aber festgestellt, dass das für mich durchaus ungewohnt war immer wieder die eizige frau zu sein. ich hab aber überall tee oder etwas zu essen bekommen. nachdem das thermometer täglich deutlich über die 40 grad hinausgeklettert ist haben wir in tata beschlossen wieder einmal in den bus zu steigen und uns noch ein bisschen die atlantikküste anzusehen.
agadir-essaouira
eines der überraschendste erlebnisse hatten wir kurz nach agadir. die atlantikküste ist in dieser region sehr touristisch und die strände sind bevölkert mit deutschen und französischen rentnerInnen. darum haben wir nicht schlecht gestaunt, als wir ausgerechnet hier die erfahrung gemacht haben in einem lokal nicht bedient zu werden. vermutlich lag es am zwar sauberen, aber leicht ramponierten gewand. die freundliche wache am parkplatz hat uns dann verraten wo wir gut und günstig essen können.
die nächste woche sind wir zum großteil im hinterland herumgeradelt. das hat uns, nicht nur auf grund der hügel, ziemlich ans waldviertel erinnert. die touristInnen halten sich lustigerweise tatsächlich nur an den stränden auf. unterwegs haben wir dann hassan getroffen.
hassan kam aus taoulin und war auf der suche nach arbeit. zu hause hatte er frau und drei kinder und von beruf war er schlosser. er hat ein ganzes weilchen gedauert bis wir diese infos beisammen hatten, denn er sprach fast nicht französisch und wir gar nicht arabisch. man muss dazusagen, hassan war gleich schnell wie wir unterwegs, mit einem deutlich simpleren rad. allerdings hatte er auch leichteres gepäck. ein schlafsack, ein gebetsteppich, eine wasserflasche. das beeindruckendste war aber, dass er mit einem blütenweißen hemd unterwegs war. wie er das geschafft hat, bei dem verkehr, ist uns bis heute schleierhaft.
ungefähr auf halber strecke zwischen agadir und essaouire, in tamanar, wollten wir auf den campingplatz oder ein zimmer nehmen. gab es aber beides nicht, obwohl tamanar immerhin 10.000 einwohner und einen großen markt hat. wir sind also weitergeradelt und haben beschlossen wieder an die küste zu fahren, weil es dort eher eine unterkunft gibt. nach vielen, vielen hügeln sind wir auf einer schotterpiste gelandet. rundum landwirtschaft, eben wie im waldviertel, aber alles von hand bearbeitet. wirklich alles. kein traktor weit und breit. vor einem der kleinen steinhäuser hat uns eine frau aufgehalten, weil sie kleidung für ihren kleinen sohn gebraucht hat. hatten wir nicht, aber mit dem kilo datteln aus dem draatal konnten wir ihr echt eine freude machen. man stelle sich also unsere überraschung vor, als wir in dieser umgebung auf einmal in einer schicken absteige mit loungemusik landen, wo frauen aus der schweiz auf der terasse yoga machen und uns der kellner valentin aus wien einen spritzer anbietet. die unterkunft war so schick, das wir uns eh kein zimmer leisten konnten, aber wir haben am strand gezeltet (zumindest bis uns der sturm das zelt ruiniert hat) und die duschen mitbenutzt. auch nicht schlecht.
von dort gings nach essaouira und dann mit dem bus zurück nach marrakesch. und hastduesnichtgesehen saßen wir schon wieder im flieger nach wien.
das war sie also, die kurzfassung der marokkanischen geschichte.
baba und bis zum nächsten mal, meine liebe,
deine kati