Die Niedertracht der Meinungsfreiheit

Erstellt am 13. Januar 2011 von Ppq @ppqblog

Nein, es gibt keinen Zusammenhang zwischen der Meldung, dass die Zahl der Demokratien weltweit "erneut" (Die Welt) gesunken ist und der Tatsache, dass der jüngst zum "Spiegel"-Blogger aufgestiegene "Freitag"-Verleger Jakob Augstein seinen epochalen Hass-Text "Die FAZ, Sarrazin und Lügen zu Weihnachten" nach zwei Wochen strengen Schweigens unter dem Titel "Im Land der Niedertracht" neu aufgelegt hat. Diesmal ist nicht ein Teil der Deutschen besser als der andere, der es gewagt hat, trotz allegegenwärtiger Warnungen nicht nur vom Erben des "Spiegel"-Gründers ein Buch zu kaufen, das weder Kanzlerin noch Süddeutscher Zeitung, nicht dem Vorsitzenden des Zentralrats der Muslime noch dem früheren Fernsehmoderator Paolo Pinkel gefallen hat. Nein, diesmal sind es die Franzosen, die als Maßstab für gesunde Moral herhalten müssen. Denn während die Deutschen, kein bisschen klug geworden aus ihrer Geschichte, eben jenes Loblied auf Niedertracht, Hass und Neid an die Spitze der Charts kauften, wühlt nach Erkenntnissen von Augstein jun. "in Frankreich ein Buch die Nation auf", das "zum Kampf gegen Ungerechtigkeit und Menschenfeindlichkeit" aufrufe.
Hier die guten Franzosen, eben noch mit Straßenschlachten in ihren Vorstädten beschäftigt, die Bücher kaufen, die Jakob Augstein gefallen und die deshalb als Demokraten gelten dürfen. Dort aber die Deutschen, die wiedermal "ein Buch der Niedertracht zum Bestseller" (alle Zitate Augstein) machen, als hätten sie aus Hitler nichts gelernt. "Das ist beschämend", analysiert Augstein, der den französischen Bestsellerautor Stephane Hessel als "Diplomat und Dichter" vorstellt, der das KZ überlebt habe und nun zum "Kampf für eine Gesellschaft" aufrufe, "auf die wir stolz sein können".
Zu der gehört nach Ansicht des von Augstein so gelobten Autoren allerdings vor allem Meinungsfreiheit. "Auch wenn gewisse Meinungen und Ideen die Leute schockieren, wie das bei der Religion manchmal der Fall ist, sollte es dennoch normal sein, dass man seine Gedanken deutlich äußern darf", ließ der Uno-Veteran letztes Jahr erst wissen. Deshalb solle die Redefreiheit nicht einschränkt werden, "für jeden Ausdruck der freien Rede sollte es möglich sein, eine entgegengesetzte Ansicht zu äußern". Der "Dialog zwischen Meinungen, die manchmal brutal sein können," sollte dabei "aber auf gegenseitigem Respekt beruhen".
Ein Respekt für andere Ansichten, zu dem sich Jakob Augstein nicht aufraffen kann. Er erkennt im Erfolg von Sarrazins Buch das Deutlichwerden eines "tiefsitzenden Rassismus, der sich nach oben arbeitet, der durchbricht, der sich was traut". Man könne ja offenbar wieder sagen "Ich muss niemanden anerkennen, der vom Staat lebt, diesen Staat ablehnt, für die Ausbildung seiner Kinder nicht vernünftig sorgt und ständig neue kleine Kopftuchmädchen produziert", obwohl das doch eigentlich verboten sein müsse, wenn es denn endlich mal nach ihm ginge. Jakob Augstein ist empört über die "deutsche Empörung", die "etwas Böses hat". Und was ihn selbst betrifft, liegt er damit sicher nicht falsch.