"Islamische Zeitung" (Print und Online): http://www.islamische-zeitung.de/?id=16419
"MiGAZIN" (Online): http://www.migazin.de/2013/01/24/eine-lesung-von-necla-kelek/
"TurkishPress" (Online): http://turkishpress.de/de/news/24012013/die-necla-kelek-show-ein-streitgespraech/3329
- Die Unterdrückung der Frau in patriacharlischen Gesellschaftsstrukturen der orientalen Kultur (u.a. Phänomene wie Zwangsheirat und Ehrenmorde)
- Die Formierung von Parallelgesellschaften in Deutschland und die Integrationsunwilligkeit einer Minderheit
- Die Ziele und Forderungen des Islamismus (u.a. Die Vermischung von Staat und Religion)
Kelek beginnt damit, etwas über den Ablauf der Lesung zu sagen und stellt kurz das Buch vor, aus dem sie in Kürze vorlesen werde. Meinen Bruder und mich ansprechend sagt Kelek, dass sie sich auf eine spannende Diskussion freue, zumal ja auch Gäste aus dem “Magreb” anwesend seien. Sie lächelt uns demonstrativ an. Wir reagieren nüchtern. Es folgt eine knapp 45-minütige Lesung aus ihrem Buch. Detailversessene Beschreibungen wechseln kurzgeschlossene Thesen und undursichtige Momentaufnahmen ab. Das Fazit ihres Buchs ist, dass die Revolution der Frau in der arabischen Welt nichts gebracht habe. Sie seien weiterhin Sklavinnen des Mannes unter der Einflussausweitung der Religiösen in der Gesellschaft. Sie redet von der Revolution, von relgiöser Frömmigkeit, dem Salafismus, der freiheitsfeindlichen Gesinnung, der Demokratie, der Scharia und der Unterdrückung der Frau in patriarchalischen Systemen.
Es ist ein chaotisches Zusammenwerfen von negativ konnotierten Begriffen, aus denen ein Feindbild der bösen Muslime, des bösen Islam geformt wird. Nachdem Kelek nach Abschluss, die Diskussion frei gibt, melde ich mich und werde bald darauf mit einem überbetonten Lächeln von ihr persönlich drangenommen. Ich bedanke mich für ihre Lesung und mache deutlich, dass ich ähnlicherweise die gesellschaftlichen Missstände der “islamischen” Welt verurteile. Danach werfe ich ihr vor, dass sie die Anwesenden mit zwei Fehleinschätzung entlasse: 1. Wir sind die Guten und die dort sind die Bösen. 2. Der Islam ist das Problem. Daraufhin bitte ich Kelek eine differenzierte Antwort darauf zu geben, ob sie das wirklich so sehe. Sie denkt kurz nach und antwortet mit einem strengen Blick, dass sie den “Scharia-Islam” verurteile, aber den Islam in säkularer Form als spirituelle Kraft toleriere. Sie holt im zweiten Satz weiter aus und fordert die Muslime auf, dass sie sich von der Scharia befreien sollten und den Glauben an den Koran als von Gott offenbartes Buch ablegen sollten. Sofort hake ich ein und frage, warum sie entscheiden dürfe, was Muslime zu glauben haben und sage ihr, dass ich persönlich den Säkularismus als Teil der islamischen Lehre begreife und gleichzeitig den Koran als das von Gott offenbarte Buch betrachte. Plötzlich blickt sie panisch in die Menge und sieht, wie die harmonische Stimmung ins Wanken gerät. Nun verliert sie zum ersten Mal ihre Fassung ruft laut: “Scharia! Allahs Gesetze!”. Ich nicke. Kelek wiederholt ihre Worte und klagt Muslime an, die sich freiwillig den Gesetzen Allahs beugten. Ich ergreife wieder das Wort, indem ich betone, wie unsinnig diese Aussage sei und halte ihr vor, dass sie mit der Unwissenheit der Anwesenden spiele, indem sie Begriffe wie Scharia ausnutze, um bestimmte Klischee-Bilder in den Köpfen der Menschen freizusetzen. Hiernach erkläre ich ihr, dass es kein niedergeschriebenes Buch gebe, wo “Scharia” draufstünde. Es gebe nicht DIE Scharia, sondern von Strömung zu Strömung, von Gelehrten zu Gelehrten unterscheide sich die Interpretation der Hauptquellen (Koran, Hadith und Sunna), aus denen die Scharia dann geformt werde. Kelek verliert ihre Fassung ein zweites Mal und ruft mir zu: “Scharia! Ich meine Allahs Gesetze! Die Gesetze, die sich jeder Muslim aus den Quellen des Islams erschließen kann!” Nach kurzer Zeit meldet sich mein Bruder zu Wort, indem er erinnert: “Gerade sagten Sie selbst in Ihrem Vortrag, dass bis zu 70% der Bevölkerungen nicht lesen und schreiben könnten! Wie können Sie behaupten, dass jeder weiß, was die Scharia ist?” Kelek entgegnet: “Die Menschen wissen es!” und kommt nun auf die Frauenrechte zu sprechen, deren regelrechte Nichtexistenz sie zurecht kritisiert. Sie schaut uns dabei an und wir nicken zustimmend.
Nun werden weitere Fragen aus dem Publikum gestellt und zwei Personen sprechen ihr ausdrückliches Lob für die Autorin aus. Es folgt ein Applaus. Hinter uns höre ich einige wenige Menschen, die sich weigern zu klatschen und dabei vor sich her tuscheln: “Ne, Ne! Finde ich nicht gut!” Doch dies sind Ausnahmen. Nun möchte die Moderatorin der Diskussion, die Gerichtspräsidentin selbst ein Resümee formulieren. Sie spricht sich für die Thesen von Kelek aus und möchte nachdrücklich bemerken, dass Frauenrechte keine Rolle in der Scharia spielten. Genau dort liege auch die Differenz in der Meinung aller im Gegensatz zu unserer Meinung, bekräftigt sie mit einem Fingerzeig auf uns beide. Während ich mit dem Kopfschüttele und fassungslos nach Worten suche, ruft mein Bruder ihr zu: “Ungeheuerlich!”. Plötzlich sammeln sich alle Blicke bei ihm. Hinter mir höre ich anerkennende Stimmen ihn wiederholend: “Ungeheuerlich!”. Jetzt ist er wütend und spricht zur Gerichtspräsidentin: “Wie können Sie das behaupten, ohne meine Meinung zu Frauenrechten zu kennen? Das ist unfair!” Jetzt sind Zwischenrufe von älteren Damen zu hören: “Es reicht vollkommen!” Gestärkt durch die Zustimmung seitens der Gäste stellt Kelek fest: “Sie wollen UNS nicht verstehen! Sie hatten genug Zeit, um über Ihre Vorstellungen zu sprechen!”. Wieder ergreift die Gerichtspräsidentin das Wort, formuliert ihr Fazit um und beendet die Veranstaltung mit einen Aufruf zum Kauf des Buches neben dem Verzehr eines kleinen Snacks.
Zusatz, aufgrund vieler Nachfragen: Im Anschluss hatte ich die Möglichkeit mit einer Vielzahl von Gästen zu sprechen. Einige suchten das Gespräch, um sich schützend vor Kelek zu werfen andere wiederum um klarzustellen, dass sie ihre Thesen sehr wohl kritisch betrachteten und sich über Gegendarstellungen freuten.