Die Muse und der Musiker des Jahrhunderts

Von Eulengezwitscher @Edda_Eule

Alma und Gustav Mahler führten eine der ersten modernen Künstlerehen - zu ihrem 50. Todestag stellt das Eulengezwitscher zwei biografische Bücher vor

Sie waren Star und Sternchen in den Wiener Salons der Jahrhundertwende: Gustav und Alma Mahler. Er führt mit dem Taktstock die Geschicke das berühmteste Opernhaus der damaligen Welt und sie ist eine bezaubernde, gebildete, sehr junge Frau. Er ein chronischer Einzelgänger, zerstreut, genial, künstlerisch kompromisslos. Sie eine gesellige Muse mit eigenen Ambitionen, bald fröhlich, bald verführerisch - und immer darauf bedacht, aus ihrer Geschichte Geschichte zu machen. Mit Erfolg: Vor fünfzig Jahren ist Alma gestorben, ihre Faszination lebt bis heute. Ganz anders ist es vielen weiteren Zeitgenossen des großen Komponisten ergangen - das Eulengezwitscher erinnert an Alma Mahler und an Mahlers Menschen in einer biografischen Doppelbesprechung: 

Alma Mahler-Werfel

Mein Leben

Biographie

Erschienen bei Fischer-Taschenbuch. 376 Seiten kosten in der Taschenbuchausgabe 9.95 € und als eBook 9.49 €.


Helmut Brenner und Reinhold Kubik 

Mahlers Menschen

Freunde und Weggefährten

Erschienen im Residenz-Verlag im September 2014. 304 Seiten kosten in der gebundenen Ausgabe 29.90 €.


Gustav Mahler hat klare Vorstellungen von der Ehe mit der ihrerseits musisch begabten Alma gehabt: "Die Rolle des Komponisten fällt mir zu, Deine ist die der liebenden Gefährtin…!” Aber als Mahler 1911 stirbt, ist die liebende Gefährtin nicht einmal 35 Jahre alt - zu jung, um "Witwe im Wahn" (Oliver Hilmes) zu sein. Tatsächlich führt Almas Lebensweg quer durch die Kunst- und Kulturgeschichte des 20. Jahrhunderts. Der Schriftsteller Franz Werfel, der Architekt Walter Gropius und der Maler Oskar Kokoschka sind nur drei der berühmten Herren, die mit Alma das Bett geteilt haben. Alle hat sie inspriert. Viel ist geschrieben worden über die männermordende Alma, die ihren ersten Gatten Gustav um ein gutes halbes Jahrhundert überlebt hat. Keine biografische Darstellung mit wissenschaftlichem Deutungsanspruch ist jedoch so fessend wie Almas eigene Memoiren. Ihr lebendiger Tagebuchstil reißt den Leser in die Untiefen eines Lebens als selbstbewusster Muse mit eigener schöpferischer Kraft. Freilich: Wer Almas Leben studieren will, dem ist mit dem seit Jahrzehnten immer wieder neu aufgelegten Erinnerungsbuch wenig geholfen: Hier wird im großen Stil verklärt und geschönt und schamlos verdreht und  zugespitzt, dass es eine wahre Pracht ist. Aber als pathetisches, authentisches Kunstwerk über ein Leben, das seinerseits nichts weniger als Kunst war, ist Almas autobiografischer Klassiker "Mein Leben" atemberaubende Lektüre.

"Mahlers Menschen" ist in vielem das Gegenteil: Neu erschienen, wissenschaftlich fundiert und sicher keine leichte Lektüre. Dieses hochwertig aufgemachte biografische Nachschlagewerk ist dennoch eine beinahe unverzichtbare Erweiterung der umfangreichen Mahler-Literatur. Die Autoren Helmut Brenner und Reinhold Kubik haben sich  in bewundernswerter Kleinarbeit derjenigen Freunde und Weggefährten Gustav Mahlers angenommen, über die die Geschichte mittlerweile hinwegegangen ist. Dieses Konzept erfordert Mut: Denn wer hier Kurzporträts von Alma, von befreundeten Dirigenten wie Bruno Walter oder Otto Klemperer oder von konkurrierenden Komponisten wie Richard Strauss erwartet, wird enttäuscht werden. Im Mittelpunkt des Buches stehen Menschen, die selbst manchem Mahler-Kenner nur beiläufig bekannt sein dürften (z. B. aus Briefen oder aus der Monumentalbiografie von Jens Malte Fischer). Nein, dieses Buch entspricht nicht den Erwartungen an ein Buch über das Umfeld des Komponisten - aber das ist nach anfänglichem Wundern auch gut so. Der Leser lernt nicht nur Mahlers Menschen kennen, sondern in ihren Lebensgeschichten auch den Menschen Mahler außerhalb der großen Opernhäuser und der kleinen Komponierhäuschen. Dass dieses Buch durch die Strukltur voneinander unabhängiger Kurzbiografien nicht "durchgelesen" werden muss, sondern hin und wieder einen kurzen Blick hinein erlaubt, tut sein übriges dazu, dass der stolze Preis (knapp 30 Euro) gerechtfertigt ist.

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