Stubenhocker schauen anders aus...
Schnee. Schon wieder Schnee. Nachdem es endlich(!) eine Woche lang halbwegs warm war zeugte ein Abend davon, wie unverschämt das Wetter in Polen sein kann. Doch was nach Einbruch der Nacht noch als Niederschlag vom Himmel ging hatte nicht nur einen kühlenden, sondern auch einen reinigenden Effekt. Am kommenden Tag erstrahlte der Himmel klar wie man ihn selten sieht. Am übernächsten Tag zeigte sich die Sonne von ihrer wärmenden Seite und noch einen Tag später konnte ich unter Beweis stellen, dass auch ein Programmierer nicht unbedingt ein Stubenhocker sein muss.
Freiheit ist, wie man die Welt gestaltet
Auch jetzt – diesen Bericht schreibend im Sonnenschein der Abenddämmerung sitze und darüber sinne, ob mich der Verkehrslärm der häufig frequentierten Straße neben mir stören soll oder ob ich es nicht viel mehr genießen müsste, trotz balkon- und gartenloser Behausung im Freien zu sitzen.
Noch gut erinnere ich mich an meine Schulzeit in der HTL Villach. Es war Sommer und während außerhalb des Gebäudes gerade ein heißer Tag zuende ging saßen wir in der abgedunkelten Klasse und atmeten die eben vorhin schon verbrauchte Luft. Sonnenhungrig und mit einer Mischung aus Mitleid mit meinen Kollegen und trotzdem wissend, dass mir nicht gedankt werden würde öffnete ich die Jelausine der Klasse und erfreute mich am zusammenzucken und fluchen meiner nachtschattengewächsähnlichen Kollegen, denen das viele Licht nicht bekam. Ich für meinen Teil war glücklich.
Ein Archivfoto meiner ehemaligen Klasse. Sogar auf ihm ists finster
Hin und wieder darf man auch einmal böse sein.
Ob das eine Mizwa war weiß ich nicht. Einerseits benötigt (menschliches) Leben Sonnenlicht, andererseits mutieren manche Programmierer im Laufe ihres Lebens zu Melanzani, die bekanntlich nur in der Nacht wachsen und schwierig zuzubereiten sind.
Auch eine Mizwa: Das Mehren von Wissen: Hier: Das Auschwitz Jewish Center (Man beachte die weit geöffneten Türen! Es wird wärmer!)
Was ist eigentlich eine Mizwa?
Eine Mizwa ist ein so etwas wie eine gute Tat. Es kann allerdings auch ein religiöses Gebot sein. Im Idealfall ist es eine gute Tat, die noch dazu ein religiöses Gebot ist. So ist es z.B. eine Mizwa für einen Juden, sich koscher zu ernähren. Ob er damit jemandem außerhalb des Lebensmittelvertriebes etwas Gutes tut ist jedoch fraglich und sollte vom Rabbi des Vertrauens erörtert werden.
Ebenso ist das Geben von Almosen eine Mizwa. Jedoch sind zwei Dinge zu beachten.
- Der Spender sollte sich eigentlich beim Empfänger bedanken, da er ihm hilft, die ewige Seligkeit zu erlangen. Wohltätigkeitsvereine genießen daher im Judentum eine gewisse „Popularität“. Sollte es sich so ein Verein mit jemandem verscherzt haben, kann man sich sehr leicht rächen, indem man Gaben von ihm boykottiert. Man sollte dabei allerdings darauf achten, dass man arm genug ist, damit dem Verein eine ordentliche Mizwa durch die Lappen geht, jedoch nicht so arm, dass man aufgrund seines Dickschädels in der Zwischenzeit verhungert. Auch in diesem Szenario sollte man im Zweifelsfall den Vertrauensrabbi konsultieren.
- Mizwot (Das ist der Plural), die man gegenüber einem Menschen einhält haben fast schon den Nachteil, dass sie zurückgegeben werden können. Personen, die das nicht können müssten tot sein.
Doch hier beginnt die eigentliche Geschichte.
Ein Ausschnitt des Friedhofes
Die Stadt Oswiecim hatte bekanntlich vor dem zweiten Weltkrieg einen beträchtlichen Anteil von Juden innerhalb der Einwohner. Da auch Juden hin und wieder über den Jordan gehen benötigt man einen Friedhof.
Nachdem die Nazi-Deutschland Osteuropa gezeigt hat, dass das Volk der Dichter und Denker auch in der Lage ist kulturelles Leben auszulöschen sanken die neuen Herren so weit sogar den Friedhof zu zerstören (und gleich noch einen… korrigiere ZWEI Bunker hinzubauen).
Glücklicherweise war auch der abartigste aller bisherigen Kriege irgendwann vorbei und die oswiecimer Juden kehrten zurück. Von etwa 168 „Heimkehrern“ wissen wir heute, obwohl es nicht sicher ist, dass all diese zurückgekommen sind.
Diese waren es, die dem Gebot nachkamen, auch die Toten zu ehren (obwohl sie wahrscheinlich beileibe Besseres zu tun hatten. Nachkriegspolen war kein sicheres Pflaster für Juden. 1946 – also nach dem Krieg – gab es auch hier noch Pogrome).
Entfernung der heutigen Charge
Müll kann nicht fliegen. Meine Physikkenntnisse sollten ausreichend sein, um dies zu bestätigen. Müll kann aber geworfen werden.
Der Friedhof steht heute noch. Hin und wieder besuchen ihn sogar Verwandte, Touristen oder gewöhnliche Oswiecimer, die mit bestimmten Verstorbenen befreundet waren. Abseits dieser willkommenen Besucher gibt es auch Leute, die entweder nicht wissen, dass sich hinter dem Wall, der die letzte Ruhestätte umgibt auch eine solche befindet. Oder noch schlimmer. Sie wissen es.
Mit fast schon unheimlicher Regelmäßigkeit vermüllt die letzte verbleibende Ruhestätte der oswiecimer Juden. Mit ebenso unheimlicher Regelmäßigkeit beginnt diese Vermüllung an der innenseite der Mauern, was darauf schließen lässt, dass der Tand hineingeworfen wurde.
So sind meine Kollegin Luisa und auch meine Wenigkeit häufig bemüht, das „Haus der Ewigkeit“ wie die Übersetzung aus dem Hebräischen lauten würde sauber zu halten.
Im Winter gingen einige große Fuhren weg, heute sieht er wieder fast genauso aus wie zuvor.
Eine der bisher größten abzutransportierenen Ladungen
Zu den „Lowlights“ dieser Müllsammlungen gehören unter Anderem:
- Plasticksäcke (so viele, das glaubt man nicht)
- Leere Bierdosen (wie kommt… nein, ich will es gar nicht wissen…)
- Halbvolle Bierdosen (???)
- Wodkaflaschen (was zum..?)
- Gefüllte Müllsäcke (weniger Arbeit, aber nicht anschaulich)
- Quecksilberthermomenter (Will da jemand den Boden vergiften?)
Wer wirft so etwas weg??
So erwerben wir uns also beide die Seligkeit. Wer uns daran hindern will sollte entweder keinen Abfall auf jüdische Friedhöfe werfen oder sich die ganzen Mizwot selbst holen, indem er den reinigt.
Zu den Geboten an die sich ein Jude zu halten hat zählt beispielsweise auch, dass er sich mit den heiligen Schriften beschäftigt. Auf eine Bestimmte gehe ich das nächste Mal ein.
(Auch wenn ich darüber schon vor 11 Tagen hätte schreiben sollen!)