Die Mitte ist schlecht, weil sie nicht so ist wie wir
Kritische Betrachtung der Studie "Die Mitte im Umbruch. Rechtsextreme Einstellungen in Deutschland 2012" der Friedrich-Ebert-Stiftung
von Thomas Baader
TEIL 2
2. Relativierung des Linksextremismus
An der Studie befremdet, dass sie als analytische Betrachtung des Phänomens Rechtsextremismus offenbar nicht ohne eine ideologisch motivierte Relativierung des Phänomens Linksextremismus auskommt. So heißt es auf Seite 16 wörtlich:
"Die Gleichsetzung von rechts und links ist ideologisch geleitet, analytisch irreführend und inhaltlich fragwürdig. Auf den Punkt gebracht: 'Rechtsextremismus strebt die Beseitigung der Demokratie, der Sozialismus jedoch die Abschaffung des Kapitalismus an.' Beide - und also
'links' und 'rechts' - sind deshalb nicht auf dieselbe Stufe zu stellen."
Mit einigen einfachen Taschenspielertricks schaffen die Autoren hier eine begriffliche wie inhaltliche Verwirrung:
- Eine Gleichsetzung von "linksextrem" und "rechtsextrem" findet, entgegen der Behauptung der Verfasser, in der Regel gar nicht statt. Die jetzige Bundesregierung etwa hatte ca. 24 Millionen für den Kampf gegen Rechtsextremismus bereitgestellt und ca. 5 Millionen Euro für den Kampf gegen Linksextremismus und Islamismus (zusammen, nicht jeweils!). Den zahlreichen Initiativen, die deutschlandweit gegen Rechtsextremismus existieren, steht keine entsprechende Anzahl von Initiativen gegenüber, die sich mit demokratiegefährdenden Strömungen anderer Art befassen. Linksextremismus wird also nicht über-, sondern unterschätzt.
- Die Autoren missachten in ihrer Polemik die den Begriffen "links" und "rechts" grundsätzlich innewohnende Gegensätzlichkeit, die durch den Zusatz "extremistisch" lediglich in dem Sinne ergänzt wird, als dass eine Unvereinbarkeit der jeweiligen Positionen mit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung zum Ausdruck gebracht wird. Der Erfuter Politikwissenschaftler Steffen Kailitz schreibt daher zu Recht: "Immer wieder bringen Kritiker wie Christoph Butterwegge (2002) den Einwand vor, die Extremismusforschung setze Links- und Rechtsextremismus gleich. Schon die Vorsilben "links" und "rechts" vor Extremismus zeigen jedoch die Anerkennung der entgegengesetzten ideologischen Ausrichtung der Phänomene an." (http://www.dvpw-extremismus.uni-bonn.de/dokumente/Kailitz-Perspektiven-03.html)
- In ihrer Argumentation ersetzen die Autoren den Begriff "Linksextremismus" ohne Angabe von Gründen durch den Begriff "Sozialismus". Diese Vorgehensweise kann als "Methode Drohsel" bezeichnet werden: Im Oktober 2009 gab die damalige Juso-Vorsitzende Franziska Drohsel der linksalternativen "tageszeitung" (taz) ein Interview. Konfrontiert mit der Frage "Gibt es einen Unterschied zwischen Links- und Rechtsextremismus?" antwortete Drohsel: "Rechtsextremismus spricht Menschen das Recht auf Leben ab. Grundlage linker Politik ist das Streben nach einem freien und selbstbestimmten Leben für alle." Man beachte: Befragt nach Linksextremismus, liefert Drohsel eine Definition von linker (also nicht notwendigerweise extremistischer) Politik in ihrem Sinne, umgeht also somit die eigentliche Fragestellung. Interessanterweise kombinierte die taz damals das Interview mit einem Foto von Drohsel, das in Anlehnung an das berühmte Gedicht von Ernst Jandl die Bildunterschrift erhielt: "Drohsel meint, lechts und rinks kann man nicht velwechsern." Bekanntermaßen war Drohsel zeitweise Mitglied im Verein "Rote Hilfe", der ehemaligen RAF-Terroristen und Stasi-Leuten sowie der kurdischen Terrororganisation PKK Unterstützung gewährt. Nun scheint der Fall Drohsel zu illustrieren, dass gerade jene, die Abgrenzungschwierigkeiten gegenüber dem linksextremen Spektrum aufweisen, dazu neigen, die Existenz des Linksextremismus zu leugnen. Auch die Autoren der Studie begeben sich in dieses Fahrwasser, wenn sie auf entsprechende Argumenationsmuster zurückgreifen.
Letztlich machen die Autoren sinngemäß folgende Aussage: Es gibt den Extremismus am rechten Rand der Gesellschaft und, dem Titel der Studie entsprechend, eben auch in der Mitte. Das linke Spektrum erhält hingegen einen Freispruch ohne jegliche vorangegangene gerichtliche Untersuchung.
Antidemokratisch ist für die Autoren offenbar per se rechtsextrem - als ob es niemals Stalinismus, DDR und RAF-Terror gegeben hätte. Indem die Verfasser etwa Antisemitismus als (in die Mitte reichendes) rechtsextremes Phänomen wahrnehmen, ignorieren sie die von Samuel Salzborn und Sebastian Voigt durchgeführte Studie aus dem Jahr 2011 zu Antisemitismus in der Linkspartei. Die krude Logik der Verfasser scheint zu sein: Wenn Linke wirklich antisemitisch sind, dann sind sie rechts. Damit wird ein Phänomen a priori als nicht-extistent erklärt, was keinen wissnschaftlichen, sondern ideologischen Ansatz darstellt.
Die Ziele linksextremer Betätigung finden durch die Wortwahl eine entsprechende Verharmlosung. Wollten denn die Terroristen der Roten-Armee-Fraktion tatsächlich nur eine "Abschaffung des Kapitalismus" und keine "Beseitigung der Demokratie"? Hat jemand, der versucht, einen Polizisten anzuzünden, etwa menschenfreundliche Absichten? Linksextreme Betätigung ist in der jüngeren deutschen Geschichte derartig gut dokumentiert, dass man den Leugnern solcher Taten offene Geschichtsfälschung vorwerfen muss.
Demokratiefeindliche Strömungen rechts und mittig, bloß nicht da, wo wir selbst stehen - also links? Soll das ernsthaft die Botschaft der Autoren sein? Die Behauptung, Linksextremismus gäbe es nicht, ist selbst als linkspopulistische Argumentationsfigur zu werten. Der Linksextremismus stellt jedoch kein zu vernachlässigendes Phänomen dar. Ihn vor dem Hintergrund des Rechtsextremismus zu relativieren ist unredlich. Ein humanistischer Ansatz sollte Radikalisierung jeder Art in Betracht ziehen und entsprechend gewappnet sein.
TEIL 3 FOLGT IN KÜRZE!