Die Mär von der Maut

"Ramsauer nimmt sich Österreich-Maut zum Vorbild", titelt Spiegel Online. Der Stern weiß indes, dass sich der Verkehrsminister "für eine Autobahn-Maut nach dem Vorbild der österreichischen Jahresvignette stark" mache. "Vorbild Österreich", meint die Süddeutsche Zeitung - das ist auch der O-Ton bei Focus Online, wo man lesen kann, dass nach "österreichischem Vorbild" geplant würde. Beinahe Wortgleichheit bei der Frankfurter Allgemeinen: "Ramsauer will PKW-Maut nach Vorbild Österreichs", heißt es dort. Der Verkehrsminister habe "sich beim Nachbarn Österreich abgeschaut", wie Maut funktioniert, schreibt die Frankfurter Rundschau. "... wie in Österreich", wissen außerdem die Kölnische Rundschau, das Hamburger Abendblatt und die Hannoversche Allgemeine zu berichten.

Eine schöne publizistische Eintracht ist das. Eine abgeschriebene aber auch. Denn dieses "... wie in Österreich", es stimmt nicht ganz mit dem überein, was Ramsauer im Kleingedruckten angekündigt hatte. In Österreich besteht auf Autobahnen und ausgewiesenen Schnellstraßen Vignettenpflicht - nur dort. Ramsauers Pläne sehen jedoch ein wenig anders, sehen schröpfender aus. Er möchte alle Autobesitzer zur Vignette bitten. Einerlei, ob der Besitzer überhaupt die Autobahn benutzt oder nicht. Ramsauer setzt voraus, dass jeder Autobesitzer einen gewissen jährlichen Durchschnittswert auf der Autobahn verbringt. In Österreich zahlt nur der Autobesitzer, der auf die Autobahn oder die ausgewiesene Schnellstraße fährt, die Maut - Ramsauer will die Maut aber nicht zur Autobahngebühr, sondern zur Autobesitzergebühr ausbauen. Das ist nicht "... wie in Österreich", das ist eine ganz neue, vielleicht besonders deutsche Variante der Maut.

Jedenfalls wundert man sich schon, wenn der Journalismus blind schreibt, was aus dem Ministerium überliefert wird - und dass er hernach auch noch untereinander guttenbergianisch abschreibt, ist ärgerlich. Man dürfte doch erwarten, dass einem Journalisten in den Sinn käme, mal schnell beim ADAC nachzufragen oder nachzugoogeln, um zu erfahren, wie es sich in Österreich denn so fährt. Dann wäre die Mär von der Maut, von der Autobahngebühr folglich, nicht mehr Gegenstand des agenda setting - dann müsste man von einer weiteren Autobesitz-Steuer sprechen, die in Berlin geplant ist. Die Frage wäre dann gewesen: Schiebt Ramsauer dieses "... wie in Österreich" vor, um den Umstand zu kaschieren, dass es sich um eine Automobil-Besitz-Steuer handelt?


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