Palomino
Palomino, ein Örtchen das an der Karibikküste Kolumbiens zwischen Santa Marta und Punta Gallinas in der Region La Guajira liegt. Am einfachsten kommt man mit einen Bus von Santa Marta Richtung Norden hin. Den Bus erwischt man nicht beim Busbahnhof (auf Spanisch “terminal“), sondern in der Stadt auf der Straße, in der Nähe des großen Flohmarkts. Üblicherweise braucht der Bus etwa drei Stunden um nach Palomino zu gelangen und fährt beim Naturpark „Tayrona“ vorbei.
Von vielen wird das Dörfchen für Strandurlaube benutzt, doch in Wirklichkeit hat es noch viel mehr zu bieten. Direkt am Meer befindet sich eine Reihe von Hotels, Hostels und (luxuriösen) Hütten bzw. Strandhäuser (die sogenannten „cabañas“). Zu vielen davon gehören Strandbars und Restaurants, wo man nachts ein kaltes Bier schlürfen kann, während man das Meeresrauschen, den sternenklaren Himmel und den unendlichen Horizont genießt. Tagsüber legt man sich mit einem Buch am Strand und absorbiert einige Sonnenstrahlen, oder man kühlt sich im Meer ab. Bei beiden Sachen ist Vorsicht geboten, denn Sonne, sowie die Wellen sind in Palomino gefährlich. Wie fast überall in Kolumbien ist die Sonne nicht zu unterschätzen, also rate ich einen hohen Sonnenschutzfaktor zu benutzen. Was das Meer angeht – es befinden sich viele Strömungen darin und die Wellen sind sehr groß und wild. Ich selbst, als sehr gute Schwimmerin, wurde ziemlich von der Strömung in den Wellen mitgerissen und habe noch am selben Ort mit eigenen Augen zugesehen, wie jemand beinahe ertrunken wäre. Um seine Runden in diesem Meer zu machen, ist es also nicht geeignet. Eher um sich am Rand abzukühlen.
Da außerdem Palomino sehr nah an Tayrona liegt, machen viele von Palomino aus Ein-, und Zwei-Tagesausflüge in den wunderschönen Naturpark. Auch River-Tubing wird in Palomino angeboten. Beim Vollpreis werdet ihr mit Motorrädern und den Reifen auf den Berg gefahren. Um es amüsanter zu machen, könnt ihr die Guides bitten, kurz bei einem Lebensmittelladen anzuhalten. Da könnt ihr Chips und Bier, oder was auch immer ihr wollt, kaufen, um das Tubing unvergesslicher zu machen. Glaubt mir, damit werdet ihr euch wie in einem 5D-Kino fühlen. Ihr lässt es euch in Tüten einpacken, die ihr dann um die Reifen wickelt, um sie im Wasser nicht zu verlieren. Nachdem ihr eingekauft habt, werdet ihr höher hinauf auf den Berg gefahren. Das letzte Stückchen müsst ihr zwar hinaufgehen, aber nach ca. zwanzig Minuten habt ihr den kühlen Fluss bereits erreicht und könnt euch bis nach unten treiben auf dem geborgten Reifen lassen, die Natur genießen, essen, trinken und einfach entspannen, bis ihr seht, dass der Fluss im Meer mündet. Das ganze dauert dann ungefähr zwei Stunden. Man kann allerdings auch kürzere oder längere Strecken mit dem Reifen schwimmen.
Was die Kosten der Hostels betrifft gilt: Je näher am Strand, desto teurer. „Hostel Playa Mandala“ liegt zum Beispiel direkt am Meer und besteht aus sechs cabañas. Pro Nacht kostet es ab 64.000COP (ca. 18,50€) abwärts. Für Backpackers eignet sich am besten das Hostel „The Dreamer Hostel“ mit seiner relaxten Atmosphäre, zwei Pools und nur 35.000COP (ca. 9,80€) pro Nacht. Wer es noch billiger möchte, ergattert eine Nacht für 15.000COP (4€) bei „Mochileros Culturart“, wobei man da schon ein Stück zum Strand gehen muss und die Qualität nicht überragend ist. Für jede Zielgruppe und Preisklasse gibt es also einiges zu finden.
Sierra Nevada
Um nun zu dem Magischen, Geheimnisvollen zu kommen, worauf ich von Anfang an angespielt habe – das einzigartige Erlebnis mit den Indígenas in der Sierra Nevada zu leben. Indígenas sind die Eingeborenen (oder auch „Indianer“) des Landes. Sie sind bereits im 16. Jahrhundert nach Kolumbien, also sogar vor den Spaniern, eingesiedelt. Sie unterteilen sich in mehrere Gruppen, besitzen ebenso ihre eigenen Sprachen und sprechen deshalb nur sehr wenig Spanisch.
Wenn ihr an einer abenteuerlichen Tour und am Kennenlernen dieser alten Kultur interessiert seid, fragt ihr bei Hostels oder einfach im Zentrum nach, wo man Camping-Touren in den Dschungel (die „selva“) machen kann. Meistens kostet dies so zwischen 100.000COP und 200.000COP (30€-60€) und kann von zwei bis zu fünf Tagen dauern. Ihr könnt es euch allerdings selbst mit den Tourguide ausmachen, wie lange ihr bei den Indígenas bleiben wollt. Ich selbst habe in Buritaca (ein nicht weit entfernter Küstenort) einen Tourguide kennen gelernt, der mir von der Dschungeltour erzählt hatte. So ergab eins das andere. Wir kauften vor unserem Ausflug Essen und Alkohol für die Eingeborenen als Dankeschön bei ihnen wohnen zu dürfen. Denn generell sind sie ein sehr verschlossenes Volk und haben es nicht sehr gerne immer von Touristen oder „zivilisierten“ Leuten gestört zu werden. Sie bevorzugen es, alleine mit ihren Familien in der Natur zu sein und ihre Ruhe zu haben. Deshalb werden diese Touren nicht immer angeboten. Jedoch haben die Indígenas einen Vorteil aus den Besuchen – sie bekommen immer wieder Geschenke. Sei es Essen, Spielzeug für ihre Kinder oder Alkohol, was die jugendlichen und erwachsenen Indígenas sehr gerne trinken. Da sie tief im Dschungel leben und meist sechs bis zehn Stunden durch den Dschungel wandern müssen, um in das zivilisierte Dorf zu gelangen, um sich zum Beispiel ihren geliebten Alkohol zu kaufen, wertschätzen sie die Gastgeschenke sehr.
Genau darauf könnt ihr euch gefasst machen – auf das viele Wandern durch den wilden Dschungel. Eins der beliebtesten Ziele dort ist ein gigantischer Wasserfall namens „Cristalina“. Generell wandert man acht Stunden bis zu diesem Ziel. Da meine Gruppe allerdings etwas fauler und langsamer war und sie jede zwanzig Minuten ihr Gras rauchen wollten, mussten wir nach acht ein halb Stunden, einen Zwischenstopp bei einer anderen Indígena-Familie machen, damit uns die Nacht nicht überfällt. Wir übernachteten in Zelten in ihrem Garten und waren herzlich willkommen. Als Dankeschön, kochten wir für die fünfköpfige Familie unser mitgebrachtes Reis und Nudeln mit „plátano“ (eine kolumbianische Pflanze, die wie eine große harte Banane aussieht, man sie jedoch kocht oder brät). Anschließend machten wir für sie und mit ihnen Musik. Wir spielten auf unseren Flöten, auf den Trommeln und Rasseln. Als es schnell dunkel wurde, machten wir ein Lagerfeuer im Garten und auch das Feuer unter dem Kochkessel in der Hütte wärmte uns und brachte uns Licht, da es im Dschungel weder Elektrizität, noch Wifi, noch Fernsehen oder andere moderne Geräte gibt. Ich sah, dass der „Herr des Hauses“ ein uraltes Radio hatte mit der die Familie zumindest etwas Musik hören konnte. Als, vor allem die Kinder, unsere mitgebrachten Kameras sahen, wurden ihre Augen ganz groß und das „komische blitzende Gerät“ wurde zum Spielzeug. Mit der Zeit kamen auch zwei jugendliche Indígenas vorbei, die drei Wanderstunden entfernt wohnten – also „zwei Häuser weiter“. Wir teilten den gekauften Alkohol mit ihnen und ganz schnell setzte die Wirkung ein. Ihre dunklen Augen glitzerten und ihre kaffee-braunen Backen wurden rötlich. Sie schienen ziemlich charmant und höflich zu sein. Mir wurde klar, dass vor mir tatsächlich zwei waschechte Indianer, wie direkt aus dem Fernsehen herbeigezaubert, stehen. Alle Indígenas, und vor allem auch die Männer, haben hüftlange volle schwarze Haare, die meist zu einem Zopf geflochten sind. Sie sind ganz anders gekleidet, als die „Zivilisierten“ und die meisten von ihnen tragen oft nur weiße lange Hemden. Diese beiden Jungs hatten auch schwarze Hüte und weiße Hosen aus wolligem Stoff an, worin sie ihre Messer versteckten, falls ihnen auf dem Heimweg durch den Dschungel ein wildes Tier begegnen sollte. Sie fragten mich, warum ich in meinem Alter (ich war damals dreiundzwanzig) noch keinen Ehemann hatte. Die Beiden waren sechzehn und achtzehn und sollten bald heiraten und eine Familie gründen. Denn die Lebensaufgabe der Indígenas ist es, viele Nachkommen zu zeugen, zu jagen und ihre Familie zu versorgen. Die Männer übernehmen den Part der Ernährer und Jäger und die Frauen kümmern sich um die Kinder in ihren Hütten. Meist werden von fünf bis acht Kinder in jenen Familien geboren und erzogen. Viele der Mädchen ziehen bereits mit dreizehn Jahren zu ihren Ehemännern.
Am nächsten Tag wanderten wir noch ca. zwei ein halb Stunden mehr bis wir an der Cristalina ankamen. Was wir bei jener Familie, die fünf Minuten vom Wasserfall entfernt wohnt, beobachteten, war vor allem eins – Familienzusammenhalt. Die ca. (niemand von ihnen weiß wirklich genau wie alt er ist, deshalb das „circa“) achtundzwanzig jährige Mutter mit dem Engelsgesicht namens Anselma hatte bereits sechs wunderschöne Kinder, die alle verstaubte Umhänge oder viel zu große Shirts trugen. Was mir mit dem vermehrten Kennenlernen der Indígenas noch auffiel war, dass beinahe alle Eingeborenen wunderschön sind. Von innen und von außen. Glatte braune Haut, lange schwarze Haare, Stupsnasen, mandelförmige dunkelbraune Augen und ein großes Herz. Der „Hausherr“, also der Ehemann Anselmas hieß Ismael und trug immerzu ein langes Schwert bei sich. Eins der ältesten Kinder, was bald heiraten und in die neue Hütte einziehen sollte und zwei der Männer von unserer Gruppe halfen ihm beim Hüttenbauen mit. Die Kinder halfen auch, wo sie nur konnten, gaben untereinander auf sich Acht und spielten mit den Ziegen, Kühen, Hühnern, Schweinen, Eseln, Kücken, Hunden, Katzen und Pferden im Garten. All diese Tiere gehörten jener Familie. Gegenseitige Hilfe, Selbstlosigkeit und Liebe sind die allerwichtigsten Dinge einer Indígena-Familie. Unsere Aufgabe war es, ihnen im Alltag mitzuhelfen – sich um die Kinder zu kümmern, mit ihnen singen, Musik machen, zeichnen, basteln; zu kochen, beim Haus mitzuhelfen und in unserer Freizeit kletterten wir auf den hohen Wasserfall Cristalina. Man fand sich selbst wieder im Rauschen des von dieser unglaublichen Höhe fallenden Wassers, in der puren unbeschmutzten Luft und in der Harmonie mit der Natur. Wir waren mindestens acht Stunden entfernt von dem, was die Menschen heute als „normales Leben“ bezeichnen. Weg vom Stress, weg vom Bösen, weg von der Manipulation. Da waren nur ein paar nette Seelen rundherum und die wilde, unendlich scheinende und immer rein bleibende Natur.
In den Nächten, bevor wir uns in unsere Zelte legten, starrten wir in eine Billion Sterne, die so klar, wie nie zuvor, auf uns hinabschienen und über uns wachten. Der Spiritus der Natur lebte nun auch in uns. „So muss sich das Leben vor einer Million Jahre angefühlt haben“, dachte ich mir nur, während ich herum um mich einfach nur eins hörte – magische Stille.
Gerne könnt Ihr auch meinen Bericht zu Palomino und La Guajira hier lesen