Die lykische Küste erobert fünf Frauen

Von Jacqueline Jane Bartels @by_JJ_Bartels

Mit dem Auto von Bodrum nach Adrasan

Auf der Suche nach einer neuen Heimat für Jana

Strandurlaub steht auf dem Programm. Wenigstens für die erste Ferien-Woche möchten meine vier Freundinnen am Camel Beach in Bodrum-Kargı einfach nur faul sein und die letzte September-Woche geniessen. Jana (41) und Ruth (68) aus Zürich, Nesthäkchen Lisa (23) aus Eitting bei München, Brigitte (68) aus Pirna (Sachsen) sind hier in meiner «Villa Kunterbunt» zu Besuch. In der zweiten Woche geht es auf Entdeckungsreise. Unsere Pläne sollen allerdings nicht nur unsere Abenteurer-Lust stillen. Nein! Jana hat ein klares Ziel definiert: Sie möchte sich im Spätsommer 2015 endgültig in der Türkei niederlassen. Aber wo nur? Deshalb geht es vor allem darum, ein hübsches Plätzchen an einer der unzähligen türkischen Küsten zu finden, das bereits erschlossen und wo der Tourismus erfolgreich angesiedelt ist.

Mission impossible?

Einige Abende vor unserer Abreise diskutieren wir über Janas Pläne. Sie möchte ein kleines Yoga-Zentrum eröffnen. Aber warum in die Ferne schweifen, wenn das Gute liegt so nahe? Bodrum wäre ideal für Janas Idee, aber hier sind die Immobilienpreise inzwischen für Menschen mit überschaubaren Rücklagen unerschwinglich. Vor fünf Jahren lebten in Bodrum gerade Mal 32’000 Menschen. Die Einwohnerzahl hat sich seit dem mehr als vervierfacht. Heute sind es 141’000. Entsprechend sind die Quadratmeter-Preise in die Höhe geschnellt. Konnte man 2009 noch ein Fünf-Zimmer-Haus mit Garten und Seesicht für rund 160’000 TL (57’328 €) kaufen, kostet das inzwischen wenigstens eine Millionen türkischer Lira (358’000 €). Tendenz: steigend. Die Kehrseite der Medaille: Nach wie vor gibt es in den Küstenregionen der Türkei jede Menge paradiesische Gegenden mit bezahlbaren Häusern, aber die Strassen-Zustände sind schlecht und es gibt bestenfalls Wohnmobil-Touristen und der nächste Flughafen ist viel zu weit entfernt. Jana sieht all’ das entspannend: “Es ist ein Anfang überhaupt etwas von der Türkei kennen zu lernen. Ich habe keinen Zeitdruck. Ich möchte einfach meine zukünftige Heimat noch ein wenig besser kennen lernen, ehe meine Pläne konkreter werden.”

Am Vorabend legen wir unsere Reiseroute fest: Ören, Marmaris, Ölüdeniz bei Fethiye, Olympos und Kumluca (bei Adrasan). Mehr werden wir in den fünf Reise-Tagen nicht schaffen, denn das türkische Küstengebiet ist riesig! Es hat vier Meere: das Schwarze Meer, die Ägäis, das Marmara Meer und das Mittelmeer – gemeinsam zählen sie eine Küstenlänge von 8333 Kilometern.

Von Bodrum der Küste entlang nach Ören, Marmaris, Ölüdeniz bei Fethiye weiter über Kas nach Kumluca bei Adrasan und Olympos.

Jeder darf nur einen Rucksack mitnehmen

Aus Platzgründen darf jeder von uns nur einen Rucksack mitnehmen. Mückenspray und Sonnencreme teilen wir untereinander genauso wie den Fön. Wir buchen weder Hotelzimmer im Vorfeld noch legen wir uns fest, ob wir Sehenswürdigkeiten besichtigen wollen. Allerdings: vor unserer Abfahrt plündern wir den Kühlschrank und packen einen Picknickkorb. Und los geht’s. An der OPET-Tankstelle tanke ich den gemieteten Renault Mégane (70 TL, freie Kilometer, Vollkasko-Versicherung, Diesel-Motor) voll: Der Liter kostet aktuell 5.46 Türkische Lira (knapp 2 €). Eine Antalya-Karte inklusive lykischer Küste begleitet uns. Alles andere überlassen wir dem Schicksal. Eine kluge Entscheidung. Das Abenteuer ist vorprogrammiert. Und wir sind uns einig: die Autobahn meiden wir. Nicht etwa wegen der Vignette, die für zehn Autobahnfahrten rund 80 TL kostet. Nein. Wir wollen so viel wie möglich von der lykischen Küste und ihren Städten und Dörfern sehen und jederzeit spontan anhalten können, um mit den Einheimischen ins Gespräch kommen zu können. Und es hat Gründe, warum wir tatsächlich nur langsam vorwärts kommen. Immer wieder müssen wir freilaufenden Schafen, Ziegen, Kühen, Hunden, Katzen und so gar Riesen-Schildkröten auf der Landstrasse ausweichen.

Frei laufende Ziegen, Schafe, Kühe und Schildkröten sind hier zu Lande ziemlich normal .

In Ören ist die Sommer-Saison bereits vorbei

Wir starten in Bodrum-Ortakent (Kargı) Richtung Bodrum, Torba, Ciflik auf der Yaghane Sokak bis Cumhuriyet Cadessi (Muğla Bodrum Yolu) auf der D330. Tatsächlich ist Ören nur 69 Kilometer entfernt, aber wir brauchen gute zwei Stunden dafür. Dafür versöhnt uns die bergige Landschaft mit ihren prachtvollen Kiefernwäldern und die Ägäis schimmert von smaragdgrün, türkis bis tiefblau. Nach guten zwei Stunden erreichen wir Ören. Ruth und Brigitte brauchen eine Toilette. Lisa ist hungrig. Jana möchte sich die Beine vertreten. Doch ich bin irritiert, denn kein Weg führt zum Strand. Grosse Hinweisschilder und Absperrungen machen uns darauf aufmerksam, dass die Strandpromenade für den Autoverkehr gesperrt ist. Sie soll für den Sommer-Tourismus 2015 neu gestaltet werden und für den Autoverkehr zukünftig gesperrt bleiben. Dabei hatte ich doch den Mädels vorgeschwärmt, wie schön es hier sei. Ein Fisch-Restaurant reiht sich an dem anderen, bunte Cafés und viele kleine Fischkutter und Segel-Yolen schmücken das Meer. Doch die Bürgersteige sind hoch geklappt. Die Restaurants geschlossen. Alles wirkt menschenleer. Die Saison ist hier definitiv vorbei. Wie gut, dass wir unseren Picknick-Korb dabei haben. Ich fahre in ein Wohngebiet hinein und tatsächlich finden wir an den Strand. Bereits vom Auto aus können wir sehen, dass es hier zwar keinen feinen Sandstrand gibt, dafür stehen verstreut drei freie Sonnenliegen herum. An der Ecke gibt es so gar ein Toiletten-Häuschen.

Picknicken in Ören am Strand: Nur gut, dass Ruth ihr scharfes Schweizer Taschenmesser dabei hat.

Ruck Zuck stellen wir drei Liegen zusammen und wandeln eine Liege zum Tisch um. Ein Strandtuch wird zur Tischdecke und mit vielen Frauenhänden ist der Tisch schnell gedeckt. Köstliche Weinblätter mit Reis und Hackfleisch gefüllt (dolması yaprakları), Gösmele (hauchdünner Teig mit Spinat und Feta gefüllt), frisches Ekmek (Weissbrot), Oliven und gefüllte Zucchini-Blüten mit Reis stehen jetzt parat und auf einmal haben wir alle richtig Hunger. Und wie gut, dass Ruth ihr Schweizer Taschenmesser dabei hat, damit wir das Brot schneiden können.

Şezlong und Ücretlidir (Liege und Sonnenschirm) kosten in Ören 4 TL.

Ziegen à la couleur und ein Bauer auf dem Esel

Während die Mädels am schlemmen sind, fasse ich aus dem Reiseführer zusammen: Ören liegt an der Stelle des antiken Keramos (griechisch für Topf). Landeinwärts sind Ruinen einer Akropolis, einer Burg, eines antiken Bades sowie mehrerer Tempel und Gräber zu besichtigen. “Klingt spannend, Tante, aber ich denke wir sollten weiterfahren”, kontert meine Nichte. Demokratisch entscheiden wir: “Wir fahren weiter.” Unser nächstes Ziel heisst Marmaris. Das ist laut Karte nur 76 Kilometer entfernt Richtung Akyaka und Çamlı. Die Landschaft nimmt uns in seinen Bann. Immer wieder höre ich ein: “O”, “ahhh” – “wow ist das schön hier”, “mega”, “ich muss rasch ein Foto machen.”  Also halte ich immer wieder auf der rustikalen Landstrasse D400 an, damit wir unsere Erlebnisse in Fotos festhalten können.  

Auf dem Weg nach Akyaka über die D400 treibt es eine Horde Ziegen bunt.

Eine Bäuerin in bunten Puffhosen treibt Ziegen zusammen und auf der anderen Strassenseite kommt ein Bauer auf seinem Esel vorbei. Die beiden begrüssen sich auf einer Distanz von 200 Metern (sie schreien sich an), und wir geniessen die absolute Ruhe, die nach dem kurzen Schlagabtausch zwischen Bäuerin und Bauer wieder herrscht. Es ist, als wenn die Zeit einfach stehen bleiben würde. Um so realistischer der Moment als ein Ziegenbock über eine Zicke her fällt und sie tatkräftig beglückt. Wer amüsieren und köstlich und setzen unsere Reise fort.

Für Touristen eine Attraktion. Für den Bauer Alltag. Er ist mit seinem Esel auf dem Weg.

Diese kleinen Beobachtungen streicheln unsere Augen aber auch unsere Seelen. Das Frauen-Geschnattere im Auto nimmt ein wenig ab. Die vielen Eindrücke wollen verarbeitet werden und noch mehr gilt es aufzunehmen. Die Smartphones dienen nur noch zum Fotografieren. Facebook, Twitter & Co. haben vorläufig ausgedient. Die Mädels schauen gebannt aus den Fenstern. Nach zwei Stunden erreichen wir Marmaris.

Der Tourismus verändert mancher Ort die lykische Idylle

Aufgeregt sagt Lisa: “Wow, Tante, was ist hier denn los? Die Saison ist ja noch voll im Gang,” Tatsächlich: die Strassen sind verstopft, hupende Autos, eilige Einheimische, viele Touristen in Shorts und T-Shirts oder einfach nur im Bikini mit einem Strandtuch um den Hüften schmücken das Straßenbild entlang der Küste rund um Marmaris. Die Temperaturanzeige im Auto verrät uns: Draussen sind es 29 Grad Celsius. Jana sagt: “JayJay, der Tourismus hat Marmaris in fester Hand, aber hier gibt es bestimmt auch ruhigere Ecken. Lass und doch einfach noch ein Stückchen weiterfahren.” Machen wir.

Hier findest du das Motel Alkali House in der Adaköy Aktaş Mevkli, Sokak 10 No. 31 in Marmaris. Cafer Kılınç Mobile-Nr.: +90 (0) 535 737 4407

Stadtauswärts kommen wir an mehrgeschossigen Hotel-Bunkern vorbei, die sich in knalligen Farben wie rosa, gelb, rot und blau präsentieren. Sicherlich – sie sind super modern und schick, aber irgendwie wollen diese Hotel-Klötze nicht zur übrigen idyllischen Landschaft passen. Wir verlassen die Hauptstrasse Atatürk Caddesi und steuern direkt auf den Marmaris Cruise Port zu und folgen dann der Mustafa Munier Elgin Bulvari. Plötzlich tut sich ein kleines Wohngebiet mit gepflegten Vorgärten auf. Dazwischen entdecken wir verträumte Hotels, Cafés und Restaurants mit Palmen-Gärten und weissen und pinkfarbenen Bougainville.

Tante, ich brauche was zu essen und ‘ne Dusche

Lisa fragt: “Tante, können wir hier nach freien Zimmer fragen?” Klar! Kaum parken wir vor dem Beach-Restaurant & Café Baha, kommt uns eine charmante Türkin entgegen: “Kann ich Ihnen helfen?” Doch als sie unser Anliegen hört, schüttelt sie mit dem Kopf: “Das tut mir leid. Wir sind ausgebucht. Aber wenn Sie aus Bodrum angereist sind, haben Sie bestimmt Hunger? Ich bin übrigens Döndü.”
Wir steigen erst einmal aus den Wagen und stellen uns Döndü vor, die uns vorschlägt: “Nehmen Sie doch in unserem Beach-Restaurant Baha Platz und geniessen Sie die Sonne am Meer. Ich rufe mal unseren Nachbarn Cafer an. Er hat ein zauberhaftes Motel keine 200 Meter von hier entfernt. Ich weiss, dass heute Morgen eine grössere Reisegruppe abgereist ist. Vielleicht hat er ja noch freie Zimmer?”

Jana und ich lächeln zufrieden, denn mit diesem kurzen Schlagabtausch durften wir erfahren, dass die Ortsansässigen ein faires Miteinander pflegen. Das gefällt uns. Dennoch sagt Lisa mit Schmollmund: “Unsere erste Übernachtung ohne Meerblick? Echt?”

Egal. Wir sind hungrig und dankbar, dass wir hier auf so viel Hilfsbereitschaft treffen. Ich bin ein wenig erschöpft von der Fahrerei. Jana fragt Döndü, ob sie nicht einen Moment Zeit hätte, um sie zum Motel zu begleiten, nur um sicher zu gehen, dass das Motel unseren bescheidenen Ansprüchen gerecht wird. Döndü lächelt charmant und bringt zum Ausdruck, dass sie dafür Verständnis hat und antwortet mit einem Augenzwinkern: “In Ordnung. Komm, Jana. Ich habe nicht so viel Zeit. Ihr seht ja, was sich am Beach abspielt.” Wir vertrauen darauf, dass Jana mit einem positiven Feedback zurück kommen wird.

Beach Restaurant & Cafe Baha in Marmaris.

Es sind die kleinen Geschichten, die unser Herz berühren

Während wir Wasser und Weiss-Wein bestellen, erfahren wir vom Kellner, dass das Motel Alkali House heisst. Alkali ist türkisch aber übersetzt heisst es nichts anderes als alkalisch. Wir werden neugierig auf den Hausherrn Cafer Kılınç und wollen von ihm persönlich erfahren, was es damit auf sich hat. Er lässt uns über Jana ausrichten, dass er sich auf uns freut. Yeah. Unsere Übernachtung ist gesichert.

Cafer Kılınç begrüsst uns bereits vor seinem Motel Alkali House freudestrahlend und bittet uns in sein Haus: “Lasst die Koffer im Wagen. Die hole ich gleich und bringe sie euch ins Zimmer.” Wir lächeln und antworten: “Wir sind Rucksack-Touristen. Das schaffen wir gerade noch allein.” Trotzdem packt er tatkräftig mit an. In seinem gemütlichen Motel bittet er uns in seine gute Wohnküche mit Bar und gemütlicher Sitzecke. “Danke, dass Ihr warten konntet, aber ich musste erst einmal die Zimmer putzen und die Bettwäsche wechseln. Ich mache das hier fast alles allein. Aber jetzt ist alles fertig. Ich bereite Euch erst einmal ein Willkommens-Cocktail zu, damit ihr zu neuen Kräften kommt nach der langen Fahrt. Und dann zeige ich Euch die Zimmer. Bitte setzt euch doch.”

Klein aber fein, sauber und geschmackvoll präsentiert sich das Motel Alkali House in Marmaris.

Der smarte Cafer Kılınç (38) sprüht vor Lebensfreude und Energie. Er schwört auf Bio!

Während Cafer grüne Äpfel schält und entkernt und in den Mixer schüttet, fragt Jana den Motel-Besitzer Cafer Kılınç neugierig: “Was hat es mit dem Namen deines Motels auf sich?” Cafer strahlt uns an und sagt: “Schön, dass du fragst, Jana. Wisst ihr, ich habe das Haus von meinem Vater geerbt. Er starb mit 46 Jahren an Krebs. Das hat mich damals ganz schön umgehauen und meine Einstellung zum Leben verändert. Meine Frage war: Warum erkranken manche daran und andere nicht? Es heisst zwar oft, dass Krebs in Familien genetisch vorgegeben ist, aber ich denke, dass wir doch einiges sinnvoll beeinflussen können. Eine wissenschaftliche These sagt, dass der alkalische Haushalt unserer Körper entscheidend dafür sein kann. Viele Menschen sind durch falsche Ernährung übersäuert und sollen deshalb eher für Krebserkrankungen anfällig sein. Ich achte seitdem auf meine Ernährung und auf meinen basischen Säurehaushalt. Zur selben Zeit musste ich mir Gedanken über das Ferienhaus meines Vaters machen und ich beschloss sein Erbe Menschen zugänglich zu machen, die das Schöne gern geniessen aber auch Wert darauf legen ein gesundes Leben zu führen. So bin ich dann auf die Idee gekommen, mein kleines Motel Alkali House zu nennen – im übertragenden Sinne könnte man auch sagen “gesundes Haus.”

Neugierig lauschen wir Cafer, der uns währenddessen den frisch gepressten Apfelsaft mit frischer Limone und Pfefferminze reicht. Der Vitamin-C-Cocktail erfrischt uns angenehm. Jana und Cafer scheinen ein gemeinsames Thema gefunden zu haben. Sie unterhalten sich angeregt, als plötzlich Brigitte gleich mehrmals hintereinander niesen muss. Fürsorglich fragt Cafer: “Hast du dich erkältet?”

Cafers Willkommens-Cocktail: frisch gespresster Apfelsaft mit Zitrone und Pfefferminze

Brigitte möchte antworten, doch die nächste Nies-Akttake hält sie davon ab. Ihr Augen wirken müde und sie sieht ein wenig blaß aus. “Mach’ dir keine Sorgen, Brigitte”, sagt Cafer. Ich schaue gleich mal in meinen alkalischen Giftschrank und bringe dir ein Wundermittel. Morgen früh fühlst du dich dann wie neu geboren. Jetzt zeige ich euch erst einmal eure Zimmer.”

Die kleinen DZ mit Kapitäns-Bett, Duschbad und Balkon sind sehr sauber!

Die nächste Überraschung tut sich auf. Auf der Treppe zum ersten ersten Stock treffen wir eine weisse Katze. Als Cafer die erste Zimmertüre öffnet, schlummert eine andere Katze auf dem gemütlichen Kapitäns-Bett. Stolz sagt Cafer: “Die Betten habe ich selber gebaut. Sie sind gross, gemütlich und sie haben viel Stauraum.” Lisa und ich sind angetan. Vor allem über den kleinen Balkon zum Garten raus: “Die Zimmer sind nicht so gross, dafür aber praktisch gestaltet. Auf dem Balkon könnt ihr rauchen. Auf dem Tisch sollte ein Aschenbecher stehen”, sagt Cafer. Ruth und Jana, die sich ebenfalls ein Doppelzimmer teilen, fragen neugierig: “Putzt du hier selber? Es ist alles blitze blank sauber?”.
“Ja, meistens schon. Es sei denn, ich habe zu viel zu tuen, dann bitte ich schon mal eine Bekannte um Mithilfe. Hier halten wir zusammen, müsst ihr wissen. Sonst würden wir im Juli und August das alles nicht schaffen.”

Nach dem wir unsere Zimmer bezogen haben, setzen wir uns noch auf ein Stündchen in den Garten und machen es uns so richtig gemütlich in seiner Lounge. Die Sonne ist längst untergegangen. Die Außentemperatur beträgt gegen 21 Uhr immer noch angenehme 24 Grad Celsius. Cafer bringt uns frisch aufgebrühten Çay (schwarzen Tee) und nimmt auf dem Holzstuhl Platz. Er ist ein wenig irritiert, das Jana und ich ein wenig Türkisch sprechen. “Wie kommt das?”, fragt er neugierig. Jana wird für einen Moment traurig, aber sie erzählt: “Ich war mit einem Türken verheiratet, der bedauerlicherweise im vergangenen Jahr sehr überraschend verstorben ist.” Und ich gestehe ihm: “Ich bin im März von meinem türkischen Ehemann geschieden worden. Nach der Scheidung bin ich nach Bodrum ausgewandert.” Cafers Augen werden immer grösser und er sagt: “Du meine Güte. Was bringt ihr für traurige aber auch aufregende Geschichten mit? Wollt Ihr nicht doch noch eine zweite Nacht bleiben, damit wir mehr Zeit zum Erzählen haben”, hakt er nach. Wir schütteln mit den Köpfen und sagen ihm: “Wir müssen morgen weiter. Unser Endziel heisst Adrasan.” Cafer winkt ab: “Hier ist es viel schöner. Ich kann euch alles zeigen.” Das nächste Mal gern, aber morgen müssen wir definitiv weiter fahren. Dann zieht Cafer Resümee: “Na ja, ihr liebt die Türkei? Dann kommt ihr bestimmt auch noch mal nach Marmaris.” Wir lachen herzhaft und antworten übereinstimmend: “Ja, natürlich! Ganz bestimmt so gar.”

Im Alkali House-Garten: Tagsüber einfach dösen. Am Abend gesellige Stunden geniessen.

Cafers türkisches Bio-Frühstück begeistert

Am nächsten Morgen fährt Cafer ein Frühstück auf, dass keine Wünsche offen lässt. Als er unsere erkältete Brigitte sieht, fragt er sie fürsorglich: “Wie geht es dir heute Morgen, Brigitte?” Sie hat zwar immer noch kleine Augen, aber sie konnte durchschlafen: “Ich habe nichts mit bekommen. Das ist ein gutes Zeichen. Und das Bett ist ein Traum, Cafer”, schwärmt sie. Der Hausherr nickt zufrieden und stellt selbst gebackenes und vor allem noch Ofen warmes Maisbrot auf den Tisch. “Wer von euch möchte Kaffee oder Tee trinken?”, fragt er in unsere muntere Frauen-Runde. Mein Stichwort: “Für mich bitte einen grossen Pott Kaffee”. Und Jana sagt: “Ich auch bitte.” Und dann stellt er auch schon feinste Bio-Produkte wie Tomaten, Salat-Gurke, geraspelten Rotkohl, Peperoni, Rucola und grobe Petersilie auf den Tisch. Auf unseren Teller finden wir schwarze Oliven, Butter, Ziegenkäse und Honig der köstlich nach Thymian schmeckt. Als wenn das nicht genug wäre bringt er noch gebratene Sucuk (türkische Salami aus Huhn) und Rührei. Wir freuen uns über das typisch türkische Frühstück der Extraklasse und Cafer erwähnt ganz nebenbei: “Ich verwende ausschliesslich organische Produkte. Afjet olsun (Guten Appetit). Und wenn ihr etwas benötigt – ich bin in der Küche. Ruft einfach nach mir.”

Nach unserem Frühstück sind wir in Aufbruchstimmung. Brigitte und Ruth wollen bezahlen und gesellen sich zu Cafer in die Wohnküche. Erneute Begeisterung tut sich auf: Pro Doppelzimmer inklusive Frühstück nimmt der Hotelier Cafer 100 TL (knapp 35 €) in der Nachsaison. In diesem Fall hat Brigitte das Nachsehen, denn sie zahlt für ihr Einzelzimmer denselben Preis wie wir, doch später laden wir sie zu einem Drink ein und dann stimmt auch für sie die Rechnung wieder. Grundsätzlich gilt: Einzelzimmer sind im Verhältnis immer teurer. Das ist überall auf der Welt so.

Ehe wir endgültig unsere Reise fortsetzen, bitte ich Cafer noch einmal in seinen Garten, um ein schönes Erinnerungs-Foto von ihm zu machen.

Der Istanbuler Cafer Kılınc schuf aus dem Erbe seines Vaters eine Oase der Ruhe.

Auf nach Ölüdeniz, dem angeblich schönsten Strand der Welt

Unser nächstes Ziel heisst Ölüdeniz bei Fethyi das 138,7 Kilometer entfernt ist. Jana und ich studieren noch einmal die Landkarte und stellen fest, dass wir weiterhin auf der gut ausgebauten D400 in Richtung Muğla Yolu unterwegs sein werden. Nach 29,4 Kilometern müssen wir das erste Mal rechts abbiegen und dann der Beschilderung Adnan Menderes BLV bis zum Ziel in Ölüdeniz folgen. Bei der Verabschiedung von Cafer tauschen wir Visitenkarten untereinander aus und Cafer verspricht, mich in Bodrum zu besuchen. Und los geht es.

Jana und Lisa sind angetan von der Weitsicht, der kilometerweit reicht. Seelen-Balsam pur.

Vorschau:

Lesen Sie nächste Woche:

Wie sich ein Auto selbständig machte und zwischen schwimmenden Badegästen im Meer von Ölüdeniz landete.

Und plötzlich landete dieses Auto im Meer.

 [contact-form-7]