Die Luft anhalten bis zum Meer

Von Privatkino

Titel:  Die Luft anhalten bis zum Meer
Autor: Sven-André Dreyer
Genre: Erzählungen
Seiten: 96 Seiten
Verlag: Michason & May
ISBN-10: 3862860159
ISBN-13: 978-3862860159

Klappentext:
Auf wenige Worte verdichtet, schafft der mehrfach ausgezeichnete Autor Sven-André Dreyer mit seinen Texten stimmungsgewaltige Räume, die den Leser einfangen und in neue Welten eintauchen lassen. Ein Buch, literarisch komponiert wie ein perfektes Pop-Album, bei dem jede einzelne Nummer fasziniert und bewegt.

Erste Sätze:
Dass sie eine Tasche gefunden hätten, schreiben sie.
Unten am Fluss. Dass sie leer gewesen sei. Schwarz sei sie, zwei silberfarbene metallene Verschlüsse und der Schulterriemen dreimal genäht.

Meine Meinung:
„Die Luft anhalten bis zum Meer“ ist ein Buch, was keine Geschichten beinhaltet, sondern Leben, die tägliche Dosis, die tägliche Absurdität, die traurige Realität. Wie ein Voyeur lugt man in diese fremde Leben, die weit von dem eigenen entfernt scheinen und versinkt in ihren Gegebenheiten. Mal will man hinblicken, die ganze Situation aufnehmen, mal möchte man den Blick lieber abwenden, weil, was man nicht sieht, doch auch nicht sein kann, zumindest denkt und hofft man auf diese Weise und weiß doch, dass es eine durchschaubare Lüge ist. Letztlich will man hinschauen, jeden Schmerz aufnehmen, weil er einen interessiert, weil es nicht der eigene ist, fremdes Leiden sich leichter ertragen lässt und das eigene Leben relativiert. 

Die Worte, sie sind poetisch, wunderschön und tragen doch ein Kleid aus Traurigkeit, doch es steht ihnen ausgezeichnet, wären die Geschichten nicht geschrieben, wie sie es sind, der Schmerz würde durch die Zeilen durchfließen und nicht greifbar sein, aber Sven-André Dreyer gelingt es, ein Bleigewicht auf dem Herzen seiner Leser zu platzieren, mit welchen sie nach der Lektüre des Buches noch ein wenig durch die Welt stiefeln.

Empfehlenswert fände ich es, wenn man die Erzählungen langsam angeht – man mag interessiert sein, alles auf einmal lesen wollen, aber es braucht Zeit. Liest man die Geschichten in einem durch, dann geht ein wenig der Schrecken verloren, man gewöhnt sich an die Traurigkeit und es kann sich kein wirkliches Gefühl festsetzen. Liest man jedoch etappenweise, jeden Tag eine Geschichte, so hat man jeden Tag seine Dosis Melancholie, die einen zum Nachdenken bringt. Das Gelesene möchte überdacht werden und darin sehe ich die richtige Art und Weise, dieses Buch anzugehen – als große Denkreise.

Nach der Lektüre des Buches, jetzt liegt es schon etwas auf meinem Schreibstil und doch ist es immer noch in meinem Kopf, gerne nehme ich es noch zur Hand, blättere darin und lese eine Geschichte erneut, man könnte denken, es wäre langweilig etwas immer wieder zu lesen, doch dies ist nicht der Fall, es eröffnen sich neue Facetten – eine Erzählung wird noch greifbarer, je öfter man sich mit ihr auseinandersetzt.

Das Büchlein umfasst gerade einmal 96 Seiten und es machte sich Enttäuschung in mir breit, weil es eben nur so ein dünnes Vergnügen werden würde, aber es ist nicht die Seitenanzahl, die letztlich zählt, sondern der Inhalt und dieser ist wort- und gefühlsgewaltig. Sicherlich hätte ich mir mehr Geschichten gewünscht, aber vielleicht wäre die Melancholie zu überdosiert gewesen, vermutlich waren die wenigen Seiten mehr als genug, um es für einen Moment zu ertragen.

Fazit:
Ein nachhaltiges Büchlein, was inhaltlich auf ganzer Linie überzeugen kann. Man kann sich noch so sehr schütteln, die Geschichten, sie wird man nicht so schnell abschütteln, sondern sie weitertragen, im Herzen, welches im Gefühlsrausch nicht genau weiß, was nun letztlich eigentlich fühlen.

Danke für das Rezensionsexemplar an Sven-André Dreyer!