Die Löwinen aus dem Iran

Von Mehriran

12.05.2011Interviews Hintergrund erstellt von Interview mit Fatemeh Rezaie

Interview mit Fatemeh Rezaei, Solidaritätsgruppe Laleh Park Madaran (Mütter) -Madaran Solh (Mütter für den Frieden) Dortmund

mehriran.de: Seit wann gibt es die Solidaritätsgruppe Laleh Park Madaran in Dortmund?

Fatemeh Rezaei: Offiziell hat sich die Gruppe Madaran Solh  2010 in Dortmund gebildet.

mehriran.de: Wie und warum ist die Gruppe entstanden?

Fatemeh Rezaei: Nach den gefälschten Präsidentschaftswahlen hat die ganze Welt den Tod von Neda mitverfolgt, als Millionen Iraner auf den Straßen friedlich demonstrierten. Aus Solidarität für die Mutter von Neda  entschlossen sich einige Mütter in einem Park nahe der Stelle, an der Neda erschossen wurde, Mahnwachen zu halten. Aus diesem Entschluss bildete sich eine Gruppe von Müttern, die regelmäßig im Laleh Park Mahnwachen durchführten, bei der sie Bilder von ihren Kindern trugen und zum Zeichen ihrer Trauer Kerzen entzündeten. Die Sicherheitskräfte konnten es nicht ertragen, dass sich so viele Frauen zusammen taten und sind am 6. Tir (27. Juni) gegen die Mütter vorgegangen. Diese friedliche Trauergemeinschaft brachen die Sicherheitskräfte gewaltsam und ohne eine Spur von Respekt vor der Trauer der Mütter auf, verhafteten 20 Frauen und zerstreuten die Gruppe. Diese Frauen wurden dann gegen Kaution wieder freigelassen.

Die Mütter setzten danach trotzdem ihre Mahnwachen fort. Gleichzeitig solidarisierten sich Friedensaktivisten, Menschenrechtlern und Frauenrechtlerinnen, unter anderem auch viele Mitglieder der 1-Million-Unterschriften-Kampagne mit den Müttern. Sowohl im Iran als auch im Ausland lebende Iraner und Iranerinnen begannen zur selben Uhrzeit in ihren Städten Mahnwachen zu halten und wurden schließlich die Stimme der Laleh Park Mütter vor den Ohren der Welt.

Zunächst war ja nur der Mord an Neda bekannt, doch später wurden die Morde an verschiedenen Menschen bekannt,  sowie die vielen Verhaftungen von Demonstranten, die einfach nur auf der Straße nach dem Verbleib ihrer Stimme gefragt hatten und die Vergewaltigungen, Folter und Ermordung von Gefangenen im Gefängnis Kahrizakh aufgeklärt haben wollten. Daraufhin forderten die Mütter dann bei ihren Mahnwachen Freiheit für alle Gefangenen dieser Demonstrationen und vor allem die Untersuchung und juristische Verfolgung der Täter und Auftraggeber.

Nachdem Angang 2010 zwei junge politische Gefangene vom Regime hingerichtet worden waren, verlangten die Mütter auch den sofortigen Stopp aller Hinrichtungen.

Mit der Zeit verlagerten die Mütter und viele Familien und Angehörige ihre Versammlungen vor das Evin-Gefängnis und forderten die Freilassung ihrer Kinder.

Weil wir hier auch diese Menschenrechtsverletzungen in Iran durch verschiedene Medien ganz nah mitverfolgt haben, haben wir uns verpflichtet gefühlt einen Solidaritätsbeitrag für das Anliegen der Mütter beizutragen. Nach einer gewissen Zeit mussten wir feststellen, dass die Medien in Europa nicht mehr wie vorher über die Ereignisse im Iran berichteten und der Eindruck im Westen aufkam, dass die Volksbewegung gegen das Regime beendet sei. So haben wir hier wöchentliche Infoaktionen und Mahnwachen organisiert, um der Zensur durch das Regime im Iran etwas entgegenzubringen und der Müttergruppe eine Stimme im Ausland zu verleihen.

mehriran.de: Was beeindruckt dich persönlich an dem Verhalten dieser Mütter?

Fatemeh Rezaei: Diese Mütter kämpfen wie Löwinnen angesichts der unglaublichen Menschenrechtsverletzungen. Mich beeindruckt wie sie trotz so vieler Schmerzen über sich hinauswachsen. Ich bin ein friedlicher Mensch, aber ich weiß nicht, wenn mein Kind betroffen wäre, wie ich reagieren würde. Ich könnte viel darüber reden, aber um mich geht es ja gar nicht!

mehriran.de: Es ist ja in der Geschichte der Menschheit unentwegt vorgekommen, dass die Mütter ihre Kinder auf ähnliche Weise verloren haben, gibt es in der neueren Geschichte Irans ähnliche Vorkommnisse?

Fatemeh Rezaei: In den 80er Jahren hat das Regime viele Andersdenkende, Studenten und junge Leute festgenommen und zum Teil ohne Verurteilung oder mit geringen Haftstrafen massenhaft hingerichtet. In Khavaran hat man ein Massengrab gefunden, in dem unseren Informationen nach 4.000 bis 5.000 Menschen verscharrt waren. Von diesen Ermordeten haben wir bisher ca 3.500 gesicherte Namen.

Die Mütter dieser Ermordeten haben damals eine Gruppe gegründet und haben die Aufklärung dieser Massaker gefordert. Dieses Anliegen sollte auch auf internationaler Ebene untersucht werden.

Nach den Präsidentschaftswahlen gab es dann eine Verschmelzung der Laleh Park Mütter mit den Khavaran Müttern  mit den schon erwähnten Forderungen an die Internationale Gemeinschaft diese Fälle zu untersuchen. Das Regime betrachtet solche Forderungen als Verbrechen und Verrat. Die Sicherheitskräfte verhaften immer wieder einzelne Mütter, die dann wieder nur gegen hohe Kautionen entlassen werden. Sogar Mitleid zu zeigen für diese Familien steht unter Strafe und ganze Familien kommen dadurch ins Gefängnis.

mehriran.de: Was habt ihr schon alles unternommen, um diese Mütter und ihr Anliegen zu unterstützen?

Fatemeh Rezaei: Zum einen die Infotische: wir zeigen Fotos von Ermordeten, Gefangenen, Gefolterten, von Steinigungen, von Auspeitschungen und von Aktivisten in Iran, die sich dem System entgegensetzen. Wir publizieren die Forderungen der Mütter und wir verteilen aktuelle Nachrichten über Menschenrechtsverletzungen in Iran, so dass die deutsche Zivilgesellschaft und Öffentlichkeit das Geschehen in Iran mitbekommt und sich nicht von der geschickten Propaganda des Regimes täuschen lässt.

Verschiedene Solidaritätsgruppen haben letztes Jahr in Paris eine Frauen-Konferenz abgehalten und eine große Mahnwache in der Nähe der Sorbonne (Jardin du Luxembourg) abgehalten. In Genua waren wir auf dem neu gestalteten Platz, der den Frauen von Teheran gewidmet wurde (Saneh Tehran=Platz der Frauen von Teheran) als Shirin Ebadi ihn eingeweiht hat. Dort hatten wir eine Veranstaltung mit der  argentinischen Mütterbewegung Plaza de Mayo in Genau, bei der wir uns über unsere Aktionen ausgetauscht haben. In Siena durften wir bei einer großen Frauenrechtskonferenz über die Mütter vom Laleh Park berichten und große Solidarität erfahren. Wir führen Reisen in die gesamte Welt durch und versuchen die Stimme der Laleh Park Mütter auf internationaler Ebene vernehmbar zu machen. Dabei ist uns wichtig das Streben nach Freiheit und Gerechtigkeit zur Sprache zu bringen.

Wir haben Politiker und Vertreter von Parteien persönlich kontaktiert, informiert und die Forderungen überbracht. Diese Informationen werden sicherlich auch in der Gestaltung der Außenpolitik mit hinein fließen.

Wir haben eine Petition der Mütter unterstützt, die an Ban Ki Moon und die UN gerichtet war, einen Untersuchungsausschuss einzurichten, der in den Iran reist, um die Akten der Gefangenen einzusehen.

Wir haben außerdem auch eine Petition gegen die Hinrichtungen im Iran begonnen, die sehr viel Resonanz ausgelöst hat, so dass wir vor dem Menschenrechtsausschuss der UN in Genf im März 2011 zusammen mit anderen Initiativen erreichen konnten, dass eine Resolution beschlossen wurde, die Verhältnisse im Iran zu untersuchen.

Link zum Beitrag von Khadijeh Moghaddam bei der Konferenz "Menschen, Rechte, Freiheit - Iran" am 3.05.2011 in Frankfurt. Frau Moghaddam ist vor kurzem aus dem Iran geflohen. Sie ist Mitglied der Müttergruppe.

Interview vom 15.04.2011 in Dortmund, Helmut N. Gabel

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