Der Traum jedes Politikers ist der Sprung in den Bundestag. Davon abgesehen, dass er mit Handy und iPad herumspielen darf soviel er möchte, braucht er bei den Sitzungen nur zu erscheinen, wenn ihm danach ist. Zugleich kann er neben seinem eigentlichen Job Nebeneinkünfte in unbegrenzter Höhe erzielen und muss diese nirgends angeben
Eine Regelung zur Begrenzung von Lobbyeinflüssen auf bundespolitische Entscheidungen ist mal wieder an Schwarz/Geld gescheitert. In den vergangenen Wochen hatten Abgeordnete von SPD, Grünen und der Linken gleich mehrere Anträge eingebracht, die mehr Transparenz für das undurchsichtige Geflecht aus Abgeordneten und deren Nebeneinkünften forderten. Zunächst hatten sich alle Parteien mit Willensbekundungen überschlagen. Mit der Abstimmung kam zugleich die Ernüchterung, die Koalition aus CDU und FDP lehnte die Anträge klar und entschieden ab. Nebeneinkünfte in ungebremster Höhe ja, Offenlegung der Geldflüsse hingegen nein. Man bleibt lieber unter sich, was letztlich das gesamte Staatswesen in Gefahr bringt, da die Politik der Bundesregierung zusehends durch Lobbyeinflüsse von außen gelenkt wird. Dies mag einer der Gründe dafür sein, dass die UNO selbst es war, die mit einem Antikorruptionsabkommen und der Bitte an unseren Bundestag herangetreten war, dieses schnellstmöglich umzusetzen. Eigentlich waren auch alle dafür, bis auf Schwarz/Geld.
Bestechung bleibt straffrei
Korruption gehört zum politischen Geschäftsalltag auch in Deutschland. Gerade in politischen Obliegenheiten läuft vieles wie geschmiert um einen reibungslosen Ablauf des parlamentarischen Alltags zu gewährleisten. Das soll nicht nur so sein, das soll auch so bleiben – trotz aller Mahnrufe. Ausgerechnet die Spitzen der größten deutschen Konzerne hatten sich in einem Appell an die Bundesregierung zusammengefunden, das UNO- Abkommen gegen Korruption so schnell als möglich in Kraft zu setzen. Auslöser dafür war der zunehmende Ansehensverlusst deutscher Firmen vor dem Rest der Welt. So schade das Ausbleiben der Ratifizierung „dem Ansehen der deutschen Wirtschaftsunternehmen”, wie es in einem Schreiben an sämtliche Fraktionschefs hieß.
Mehr als 30 Unterzeichner hatten sich dem Aufruf angeschlossen. Darunter unter anderem Firmengrößen wie Siemens, Bayer, die Allianzgruppe, Daimler, die Deutsche Bank und die Deutsche Telekom. Offenbar wollen immer weniger ausländische Unternehmer mit deutschen Firmen ins Geschäft kommen, nachdem sich deutsche Politiker weiterhin beharrlich weigern, das UNO- Antikorruptionsabkommen umzusetzen, welches bereits vor neun Jahren unterzeichnet worden war. Deutschland steht damit in einer Reihe mit Ländern wie Saudi Arabien, dem Sudan, dem Tschad, Birma oder Nordkorea. Was dort selbstverständlich und an der Tagesordnung ist, führt hier in Deutschland jedoch zu messbaren Umsatzeinbußen. Angesehene Geschäftsleute im Ausland sträuben sich zusehends dagegen, in ein Land zu investieren, dessen Rechtssicherheit dermaßen von Korruption und Abgeordnetenbestechung unterhöhlt ist, daher der Aufruf der Wirtschaftsbosse an unsere Volksvertreter.
Die üben sich derweil in bescheidener Zurückhaltung, denn sie wissen genau, wie das Geschäft funktioniert. Die Zeiten, in denen ein Wolfgang Schäuble mit einem 100.000 Euro schweren Aktenkoffer erwischt wurde und Kohls schwarze Kassen klingelten, gehören heute der Vergangenheit an. Es gibt hingegen Ministerpräsidenten, die für Geld ‘vertrauliche Gespräche’ anbieten. Hier kurz die Preisliste. Im Jahre 2010 kostete ein vertrautes Gespräch mit Jürgen Rüttgers (CDU), dem seinerzeit amtierenden Ministerpräsidenten von Nordrhein- Westfalen, satte 6000 Euro. Stanislaw Tillich (CDU), einstiger CDU-Vorsitzender und Ministerpräsident Sachsens, war bereits für 3900 Euro zu haben. Der Preis von Vizekanzler Guido Westerwelle (FDP) ist vertraulich. Seine Partei hatte jedoch 2010 eine Spende in Höhe von 1,1 Millionen Euro erhalten. Als der edle Spender entpuppte sich im Nachhinein August von Fink, Miteigentümer der Möwenpickgruppe. Er gehört zu eben jenen Hoteliers, denen Politiker aus FDP, CDU und CSU zuvor ein milliardenschweres Steuergeschenk gemacht hatten, als sie die Mehrwertsteuer für Hotelübernachtungen von einstmals 19 auf heute 7 Prozent senkten. Nebenbei sei bemerkt, dass Bundesaußenminister Westerwelle bevorzugt Großspender der FDP auf seine Auslandsreisen mit nimmt.
Der Drehtüreffekt
Doch es geht nicht nur um Geld, es geht auch um Beziehungen. Denn spätestens wenn die eigene politische Karriere nicht so recht vorankommen sollte, ist der Zeitpunkt gekommen, die Seiten zu wechseln. Vom Bundestag in ein Wirtschaftsunternehmen. So tat es Stefan Mappus (CDU), der Ex- Ministerpräsident von Baden Württemberg, der bei den letzten Landtagswahlen im Anschluss an Stuttgart 21 tiefergelegt worden war. Nach seinem Wahldesaster wechselte er die Seiten und stand daraufhin im Dienste des Pharmariesen Merck, bevor er auch dort hinschmeißen musste. Ebenfalls die Seiten gewechselt hat Georg Fahrenschon (CSU), der bis 2011 bayerischer Finanzminister war. Heute firmiert er als Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes. Oder Ole von Beust (CDU). Nachdem die Hamburger Bürgerschaft ihm die rote Karte gezeigt hatte, trat er von der politischen Bühne ab und füllt sich heute sein Säckel bei der Roland Berger Strategy Consultants GmbH, einer Beratungsgesellschaft für Wirtschafts- und Unternehmensbereiche.
Nicht zu vergessen Walter Riester (SPD), bis 2002 Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung. Einst hatte er die Riesterrente gepriesen. Heute sitzt er im Aufsichtsrat von Union Investment, eben jener Firma, welche die Riesterrente vermarktet. Aufschlussreich auch die Spur von Kurt Faltlhauser (CSU), der bis 2007 als bayerischer Finanzminister residierte und heute im Dienste der Investmentbank Rothschild steht. Der Topkandidat ist jedoch Matthias Wissmann (CDU), einstiger Bundesverkehrsminister und heute Präsident des Verbandes der Automobilindustrie (VDA). Der Aufruf an unsere Abgeordneten, endlich ebenfalls das Antikorruptionsabkommen zu unterzeichnen, erging also nicht von ungefähr. Die derzeitige Rechtslage erfasst den Straftatbestand der Abgeordnetenbestechung unzureichend. Auf eben diese Rechtslage jedoch beziehen sich deutsche Abgeordnete jedesmal, wenn sie zu stärkeren Maßnahmen gegen Bestechung aufgefordert werden.
In der Vergangenheit hatte die schwarz- gelbe Koalition erfolgreich jeden Versuch blockiert, das 2003 unterzeichnete Abkommen zu ratifizieren. Dabei verwies man stets auf Paragraph 108e des Deutschen Strafgesetzbuches, der den Straftatbestand der Abgeordnetenbestechung hinreichend regele. Dieses Argument verfängt jedoch nicht wirklich. Tatsächlich wird in diesem Paragraphen nur ein kleiner Teilausschnitt der politischen Korruption behandelt, nämlich der Stimmenkauf- und Verkauf von Mandatsträgern in parlamentarischen Gremien. Und selbst das ist nicht hinreichend geregelt. Denn wenn ein Volksvertreter im Nachhinein als Dankeschön eine Spende für sein Abstimmungsverhalten annimmt, geht er dennoch straffrei aus. Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages hatte daher bereits vor vier Jahren ein Gutachten erstellt, dessen Kernaussage keiner Interpretation bedarf. Demzufolge besteht in Sachen Abgeordnetenbestechung dringender Reformbedarf und eine „Erweiterung und Verschärfung der Rechtslage“ sei notwendig.
Auch GRECO, die ‘Staatengruppe gegen Korruption des Europarates’, hatte Deutschland dazu aufgefordert, unverzüglich seine Regelungen im Kampf gegen Bestechung an internationale Standards anzupassen. Geschehen war dies im April 2012, die von der Organisation gesetzte Frist für die Bundesregierung war jedoch Ende Juni ergebnislos verstrichen. Laut Siegfried Kauder (CDU) sähen sich die Abgeordneten durch die geforderten Maßnahmen in der freien Ausübung ihres Mandats gehindert. Kauder tritt bereits seit Jahren auf die Bremse, was die Umsetzung der UN- Konvention betrifft. Seiner Meinung nach seien derartige Maßnahmen hierzulande nicht notwendig, denn unsere Medien sorgten bereits für genügend Transparenz. Die Presse, so Kauder, sei ein „besseres Aufsichtsorgan, als die Staatsanwaltschaft“ dies je sein könne. Eine fürwahr bestechende Logik und zugleich ein Persilschein für unredliche Volksvertreter in diesem Land.
Quellennachweis:
- lobbycontrol
- lobbypedia I
- lobbypedia II