Von Stefan Sasse
Im Deutschlandradio lief ein auf den NDS viel kritisierter Beitrag zum neuen Programm der LINKEn, der neben einigen unberechtigten Kritikpunkten auch viel Wahres enthält. Besonders die Einschätzung zur DDR halte ich für zutreffend: Nur halbherzig und milder als die an heutigen Verhältnissen fällt die Kritik an der DDR aus. Deren angebliche soziale Dimension wird gelobt, autoritäre Tendenzen werden getadelt. Die DDR gilt hier zwar nicht als Demokratie, aber offenbar auch nicht als Diktatur, jedenfalls wird sie nicht als solche charakterisiert. Auch wenn die Partei mit dem Stalinismus gebrochen habe, sollten DDR und SED nicht auf den Stalinismus verkürzt werden, heißt es. Was waren sie aber dann? Zynisch wird der Entwurf, wenn behauptet wird, in der DDR habe es eine lebendige Sozialismusdiskussion und eine reiche kulturelle und geistige Landschaft gegeben. Das werden diejenigen gerne lesen, die ihren Versuch, den Sozialismus lebendiger zu gestalten, mit Inhaftierung oder Ausbürgerung bezahlen mussten.Die ständige Relativierung der DDR durch die LINKE ist mittlerweile nicht nur peinlich für die Partei, sondern auch ein echtes Ärgernis, denn sie redet Quatsch. Der Autor im Deutschlandfunk, Karl Schroeder, hat zwar Unrecht wenn er die Überwindung des Stalinismus gänzlich verneint - in den anderen Bereichen aber trifft er den Nagel auf den Kopf, denn das System der DDR war sicherlich nicht offen für Diskussionen über die richtige Richtung des Sozialismus. Auch von der reichen intellektuellen und kulturellen Landschaft ist wenig zu spüren. Sicher, Brecht ging in die DDR und wirkte dort, und sicher, in der BRD war das Intellektuellenklima der 1950er und 1960er Jahre fast noch schlimmer. Aber die Relativierungen, die die LINKE in ihrem Programmentwurf anstellt, sind einfach völlig an der Realität vorbei.
Auch dass man sich konstant um die richtige Charakterisierung der DDR drückt spricht für die bemerkenswerte Schwäche der Partei bei diesem Thema. Nein, eine astreine, etwa mit Nordkorea zu vergleichende Diktatur war die DDR nicht. Eine verkappte Demokratie, die nur, leider, leider, an einigen autoritären Tendenzen litt war sie aber ganz sicher auch nicht. Das System war ein autoritäres, repressives, in dem demokratische Mitbestimmung sich darin erschöpfte, den Willen des Volkes - definiert durch die Linie der SED - zu bestätigen. Das war, mit der von persönlichen Konsequenzen relativ freien Möglichkeit der Ablehnung dieser Linie, sicher mehr als etwa in der UdSSR zur gleichen Zeit. Aber von einer Demokratie war man weit entfernt.
Der Spagat, den die LINKE versucht, wenn sie einerseits "den Stalinismus" verdammt, als ob er eine externe, völlig von dem Beziehungs- und Gesellschaftsgefüge des Ostblocks losgelöste Erscheinung gewesen wäre, und andererseits die nostalgische "gute" DDR zu rehabilitieren versucht, wird nicht funktionieren. Zwar kann sie damit eine überalternde und immer bedeutungsloser werdende Stammwählerschaft im Osten möglicherweise befriedigen. Für Wähler außerhalb des alten PDS-Spektrums dagegen wirkt das eher abschreckend. Ein weiterer negativer Nebeneffekt dieser Interpretationslinie für die LINKE ist, dass die Beschäftigung mit der DDR und der Versuch, ihr gute Seiten als Vorbild für heute abzugewinnen programmatisch in die Irre führt. Wenn die LINKE überhaupt eine Daseinsberechtigung haben will - und daran lässt das aktuelle Erscheinungsbild der Partei zweifeln - dann muss sie neue Antworten geben, wie sie es teilweise ja auch versucht. Der Rückgriff auf die DDR, obwohl im Programm nur auf einige wenige Elemente beschränkt, wird ihre anderen progressiven Forderungen von Überwindung des neoliberalen, angebotsorientierten Kapitalismusmodells bis hin zu direkter Demokratie stets mit dem negativen Odium der DDR-Diktatur und des ultimativen Scheiterns ihres Wirtschafts- und Gesellschaftsmodells aufladen und dadurch nachhaltig diskreditieren.
Im Deutschlandradio lief ein auf den NDS viel kritisierter Beitrag zum neuen Programm der LINKEn, der neben einigen unberechtigten Kritikpunkten auch viel Wahres enthält. Besonders die Einschätzung zur DDR halte ich für zutreffend: Nur halbherzig und milder als die an heutigen Verhältnissen fällt die Kritik an der DDR aus. Deren angebliche soziale Dimension wird gelobt, autoritäre Tendenzen werden getadelt. Die DDR gilt hier zwar nicht als Demokratie, aber offenbar auch nicht als Diktatur, jedenfalls wird sie nicht als solche charakterisiert. Auch wenn die Partei mit dem Stalinismus gebrochen habe, sollten DDR und SED nicht auf den Stalinismus verkürzt werden, heißt es. Was waren sie aber dann? Zynisch wird der Entwurf, wenn behauptet wird, in der DDR habe es eine lebendige Sozialismusdiskussion und eine reiche kulturelle und geistige Landschaft gegeben. Das werden diejenigen gerne lesen, die ihren Versuch, den Sozialismus lebendiger zu gestalten, mit Inhaftierung oder Ausbürgerung bezahlen mussten.Die ständige Relativierung der DDR durch die LINKE ist mittlerweile nicht nur peinlich für die Partei, sondern auch ein echtes Ärgernis, denn sie redet Quatsch. Der Autor im Deutschlandfunk, Karl Schroeder, hat zwar Unrecht wenn er die Überwindung des Stalinismus gänzlich verneint - in den anderen Bereichen aber trifft er den Nagel auf den Kopf, denn das System der DDR war sicherlich nicht offen für Diskussionen über die richtige Richtung des Sozialismus. Auch von der reichen intellektuellen und kulturellen Landschaft ist wenig zu spüren. Sicher, Brecht ging in die DDR und wirkte dort, und sicher, in der BRD war das Intellektuellenklima der 1950er und 1960er Jahre fast noch schlimmer. Aber die Relativierungen, die die LINKE in ihrem Programmentwurf anstellt, sind einfach völlig an der Realität vorbei.
Auch dass man sich konstant um die richtige Charakterisierung der DDR drückt spricht für die bemerkenswerte Schwäche der Partei bei diesem Thema. Nein, eine astreine, etwa mit Nordkorea zu vergleichende Diktatur war die DDR nicht. Eine verkappte Demokratie, die nur, leider, leider, an einigen autoritären Tendenzen litt war sie aber ganz sicher auch nicht. Das System war ein autoritäres, repressives, in dem demokratische Mitbestimmung sich darin erschöpfte, den Willen des Volkes - definiert durch die Linie der SED - zu bestätigen. Das war, mit der von persönlichen Konsequenzen relativ freien Möglichkeit der Ablehnung dieser Linie, sicher mehr als etwa in der UdSSR zur gleichen Zeit. Aber von einer Demokratie war man weit entfernt.
Der Spagat, den die LINKE versucht, wenn sie einerseits "den Stalinismus" verdammt, als ob er eine externe, völlig von dem Beziehungs- und Gesellschaftsgefüge des Ostblocks losgelöste Erscheinung gewesen wäre, und andererseits die nostalgische "gute" DDR zu rehabilitieren versucht, wird nicht funktionieren. Zwar kann sie damit eine überalternde und immer bedeutungsloser werdende Stammwählerschaft im Osten möglicherweise befriedigen. Für Wähler außerhalb des alten PDS-Spektrums dagegen wirkt das eher abschreckend. Ein weiterer negativer Nebeneffekt dieser Interpretationslinie für die LINKE ist, dass die Beschäftigung mit der DDR und der Versuch, ihr gute Seiten als Vorbild für heute abzugewinnen programmatisch in die Irre führt. Wenn die LINKE überhaupt eine Daseinsberechtigung haben will - und daran lässt das aktuelle Erscheinungsbild der Partei zweifeln - dann muss sie neue Antworten geben, wie sie es teilweise ja auch versucht. Der Rückgriff auf die DDR, obwohl im Programm nur auf einige wenige Elemente beschränkt, wird ihre anderen progressiven Forderungen von Überwindung des neoliberalen, angebotsorientierten Kapitalismusmodells bis hin zu direkter Demokratie stets mit dem negativen Odium der DDR-Diktatur und des ultimativen Scheiterns ihres Wirtschafts- und Gesellschaftsmodells aufladen und dadurch nachhaltig diskreditieren.