Sahra Wagenknecht ist eine der profiliertesten Politikerinnen der Partei. Unbestreitbar intelligent und belesen attackiert sie scharfzüngig schon seit Jahren die vorherrschenden Paradigmen der Wirtschafts- und Sozialpolitik. Gleichzeitig ist sie aber auch kompromisslos und eine der lautstarksten Gegnerinnen von Regierungsbeteiligungen. Ihre Überzeugung ist, dass die LINKE aus der Opposition heraus mehr erreichen kann als im Rahmen einer Koalition, gewissermaßen als ein Korrektiv zum von ihr perzipierten herrschenden Mainstream. Ihr Gegenstück damals wie heute ist Dietmar Bartsch, der gewissermaßen das andere Extrem verkörpert. Ich hatte anlässlich der letzten Debatte in diese Richtung anno 2012 bereits geschrieben, dass eine Doppelspitze aus Bartsch und Wagenknecht keine allzu schlechte Idee wäre, weil sie beide Lager der Partei vereint und in die Verantwortung nimmt, anstatt sie immer wieder auszugrenzen und so das gleiche Spiel, das die LINKE in der Bundespolitik spielt, auch in der Partei selbst spielen zu lassen.
Ich bin mir inzwischen aber nicht mehr so sicher, wie gut die Idee ist. Der Unwille größerer Teile der Partei, eine realistische Machtoption mit Grünen und SPD zu ergreifen (die zwangsläufig große Zugeständnisse der LINKEn im Bereich der Außenpolitik und der Wirtschafts- und Steuerpolitik erfordern würde), ist ja schließlich real, und es bleibt eher nebulös, ob Wagenknecht überhaupt bereit wäre, irgendwelche Kompromisse einzugehen, die im Zweifel dazugehörn. Will die LINKE irgendwann mit der SPD koalieren, muss sie sich die Gretchenfrage stellen. Und das bedeutet auch, von liebgewonnen Feindbildern und Positionen abzurücken. Das gilt natürlich auch für SPD und Grüne, aber denen wird das im Zweifel wesentlich einfacher fallen als den LINKEn. Es bleibt daher spannend zu sehen, wie Wagenknecht bei einer Kandidatur im September ihre zukünftige Rolle zu gestalten gedenkt. Denn davon wird zu einem guten Teil abhängen, ob Rot-Rot-Grün überhaupt vorstellbar ist oder nicht.