Die Liga der gewöhnlichen Gentlemen: Lob des Scheiterns

Die Liga der gewöhnlichen Gentlemen: Lob des ScheiternsDie Liga der gewöhnlichen Gentlemen
„Rüttel mal am Käfig, die Affen sollen was machen“

(Tapete)
Blitzsaubere Platten, die noch dazu seltener involvierte (und oft belächelte) Berufsgruppen mit wertvollen Informationen versorgen, wann hat man das schon mal? Denn dass sich der überschaubare, aber treue Anhang der Liga über deren neues Album wie Bolle freuen wird, ist eine ausgemachte Sache – die Themenauswahl gewohnt liebevoll, die Bigband schnalzt ihren Soulpop nach Art des Hauses durchs Programm und Carsten Friedrichs, schon bei Superpunk eher spröde als elegant und mehr als Sprecher denn als Sänger unterwegs, gibt wie gewohnt den Rächer der Verkannten. Aber Obacht: Den Verhaltensforscher wird die Nachricht freuen, dass sich Lässigkeit nach wie vor kaum erlernen, wohl aber konservieren läßt. Wie anders ließe sich denn sonst erklären, dass die Hamburger Truppe auch auf Platte Nummer drei scheinbar mühelos eine Reihe von Songs zimmert, die so ungelenk wie charmant daherkommen, lieber schwarzhumorig das Abseitige erzählen, als mit Offensichtlichem zu langweilen – und das alles mit Stil und Schmiss und Seele.
Wo manche Karnevalsbütt noch gern plattwitzelt, der Deutsche quäle sich jeden Morgen gramgebeugt nach Einnahme seiner Herztropfen auf die Arbeit, da trällert die Liga dem Land und seinen Menschen in aller Lockerheit das Lied vom Sechsbuchstabenwort. Harte Mädchen, stolze Zechpreller, verbeulte Städte und allerlei Liebschaften – die Klientel ist amüsant, sympathisch und immer auch ein wenig aus der Zeit. Wer im Übrigen ein kleines Problem mit der manchmal etwas schroffen, stolpernden Art der Stücke hatte, für den haben die fünf Herren mit „Wärst du nicht hier“ einen regelrechten Tanzbodenfeger auf die Karte genommen, die Nummer wippt und federt ungewohnt geschmeidig, aber Achtung – als Liebeserklärung für Touristikamt ist der Song nur bedingt zu verwenden, dafür sind dem Lobgesang zu viele Bitterstoffe beigemischt.
Eine zweite Branche, die an dieser Platte Freude haben dürfte, gilt es noch zu erwähnen: die der Musikpädagogen. Was etwas angestaubt klingt, macht hier wirklich Sinn, schließlich wird dem Pop ja gern und oft nachgesagt, er trage wenig zur Allgemeinbildung bei, sondern begnüge sich mit der Rolle des niveauarmen Alleinunterhalters. Fehlanzeige! Durfte man vor zwei Jahren noch Wissenwertes über den Filmemacher Werner Enke hören, so gibt es aktuell gleich drei vertonte Lebensgeschichten zum Besten. Dass neben James Dean bei dessen Todesfahrt nämlich ein Mann namens Rolf Wüterich im Cockpit saß, wissen sicher nur trauernde Fans und ein paar Zeitzeugen, das Gefühl, von der ganzen Welt benachteiligt und mißverstanden zu werden kennt dagegen jeder – die Liga hat dem Gescheiterten (in uns) mit dem Blues ein kleines Denkmal gesetzt.
Auch Elisabeth Svendsen ist beileibe keine Sagengestalt, dass sich in ihrem Altersheim die Esel, obschon vor der Abdeckerei bewahrt, kollektiv und bedingungslos dem Suff ergeben und hernach eine Ausnüchterungskur belegen müssen, darf man gern anzweifeln, klingen tut es jedenfalls recht – naja, menschlich. Später wird dann noch van Gogh besungen, „You Are Great But People Are Shit“ versucht erst gar nicht, verständnisvoll mit jenen umzugehen, die Vergeblichkeit und Unermüdlichkeit in Kombination nicht zu schätzen wissen. Deutliche Worte, ein Herz für die Getriebenen und wir alle haben wieder etwas dazugelernt. Zum Schluss noch den rosabebrillten Nostalgikern ein, zwei Sätze ins Stammbuch geschrieben („Die Kampfbahn im Sonnenschein“), dann läuft die Rille aus und wir dürfen uns, jetzt etwas beschwingter, wieder dem Irrsinn da draußen widmen – selten war deutscher Pop so wertvoll wie dieser. http://diegentlemen.de/

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