Die Lieferantenprüfung ist ein hochaktuelles und brisantes Thema, da die Beziehungen zu Lieferanten – gerade in Zeiten der Globalisierung – kontinuierlich wachsen. Die Gründe hierfür liegen in der Effizienzsteigerung, einer vertiefenden Zusammenarbeit und den Herausforderungen von immer komplexer werdenden Gütern und Dienstleistungen. Diese Momente der wirtschaftlichen Realität machen eine strategische Lieferantenanalyse immer bedeutender. Aber auch die Gefahr der Mithaftbarkeit sowie der Übertragung eines Bad-Wills des Lieferanten stellen ein Risiko für das Unternehmen dar.
Vor dem Hintergrund, dass die Lieferantenanalyse immer mehr an Bedeutung gewinnt, habe ich mit meinem Kollegen Georg Bergjohann wichtige Schritte der Lieferantenanalyse zusammen gefasst:
Bevor die eigentliche Analyse beginnen kann, müssen zuerst Informationen über den Lieferanten eingeholt werden. Ganz klar, die erste Quelle dafür ist der Lieferant mit persönlichen Ansprechpartnern selbst. Der Lieferant ist aber naturgemäß bemüht, seine Tätigkeit samt Geschäftsmodell im besten Licht darzustellen. Aus diesem Grund ist es unabdingbar auf weitere Informationsquellen zurückzugreifen. Hierzu zählen Handelsregisterauszüge, Testberichte über Produkte, Patente, Informationen durch Internetrecherche, Presseberichte und vieles mehr. Zu den vom Unternehmen veröffentlichten Informationen gehören Pressemitteilungen, Produktkataloge, Finanzdaten, Jahresabschlüsse oder auch Beurteilungen von Analysten.
Aufbauend auf den gewonnenen Informationen kann nun mit einer systematischen Analyse begonnen werden. Die Lieferantenanalyse besteht aus mehreren Hauptkomponenten mit Unterkategorien.
Zu den Hauptkomponenten zählen:
- Strategische Homogenität
- Marktpositionierung und Wettbewerb
- Produkt- und Produktionspotenzial
- Finanzkraft
- Risk & Compliance
Diese Hauptkomponenten möchten wir im Folgenden noch näher beschreiben.
Strategische Homogenität: Hier wird untersucht, ob die Strategie des Lieferanten zum Unternehmen passt. Ein simples Beispiel soll dies verdeutlichen: So macht eine Geschäftsbeziehung eines Premium Uhrenherstellers mit einem Lieferanten, der bekannt für günstige Preise und mittlere Qualität ist, wenig Sinn. Konkret wird also bei der strategischen Homogenität überprüft, ob die strategischen Ziele, die organisatorische Struktur und das Produktsortiment des Lieferanten zum eigenen Unternehmen passen.
Marktpositionierung und Wettbewerb: In dieser Hauptkomponente wird analysiert, ob Dependenzen zwischen Lieferanten und den wichtigsten Kunden bestehen. Es werden die Fragen gestellt, wer die wichtigsten Kunden sind, ob Wettbewerber dazuzählen, wie die Position auf dem Markt ist, ob gar eine Monopolstellung vorliegt, oder eine Abhängigkeit zu einem Abnehmer besteht. Auch der Ruf und das Image stehen zur Disposition.
Produkt- und Produktionspotenzial: Diese Teilanalyse dient der Erforschung der operativen Fähigkeiten sowie der Produktqualität. Es werden u.a. die Produktionsfähigkeiten, Möglichkeiten der vertikalen Integration, Produktionsstandorte, Qualitätsmanagement, (Rohstoff)Lieferanten und die Logistik untersucht. Ferner werden die Kernkompetenzen des Lieferanten durchleuchtet, seine Innovationsfähigkeit, Produktqualität sowie Prozess- und Projektmanagementexpertise.
Finanzkraft: Der Name deutet es schon an. Hier werden grundlegende Finanzkennzahlen überprüft um die „Gesundheit“ des Unternehmens zu ermitteln. Dazu zählen selbstverständlich auch die Kostenstruktur und die Analyse der Stakeholder.
Risk & Compliance: Streng genommen, dienen die oben beschriebenen Komponenten bereits der Analyse des Risikos. Dennoch wird diese Kategorie gesondert hervorgehoben und gewinnt immer weiter an Bedeutung. Diese Komponente fragt u.a. ob überhaupt ein Bewusstsein für Regularien, Richtlinien und Risiken existiert, ob Ansprechpartner für Compliance Themen (Compliance Abteilung, Compliance Manager etc.) vorhanden sind, ob Untreuehandlungen und Korruptionsfälle bekannt sind und falls ja, welche Abteilungen betroffen waren und welche Konsequenzen gezogen wurden, ob soziale Standards eingehalten werden, ob das Unternehmen in Branchen/Ländern agiert, die besonders betroffen sind, ob Umweltstandards eingehalten werden, Zertifizierungen über die Einhaltung von Umweltschutzmaßnahmen existieren und ob Angestellte, die in den Lieferantenauswahlprozess involviert sind, persönliche Beziehungen zu diesem haben.
Werden diese aufgezählten Hauptkomponenten mit ihren Unterkategorien, welche wir hier hier partiell dargestellthaben, bei der Lieferantenauswahl berücksichtigt, wird der risikobehaftete und komplizierte Prozess der Identifizierung von geeigneten Lieferanten deutlich vereinfacht.