” Jahrzehntelang haben ihre Briefe aus der Kriegs-und Nachkriegszeit ungelesen im Schrank gelegen. Als Peter Schneider sich endlich entschließt, die in Sütterlin geschriebenen Briefe seiner Mutter transkribieren zu lassen, stößt er auf eine unglaubliche Geschichte.”-Klappentext.
Und auf eine Seite seiner Mutter , die er bis dahin nicht kennengelernt hatte. ” Vor allem aber lernte ich eine Schreibende kennen, die ihren Schwankungen zwischen Lebenslust und Schwermut fast hilflos ausgeliefert war.”
Peter Schneider, geboren 1940 in Lübeck, lässt aus Erinnerungen und Briefen das Bild einer Frau erstehen die in den Wirren der Kriegsjahre versucht ihren Weg zwischen Pflicht und eigenen Ausdruck zu finden. Bis zur Selbstaufgabe verbrennt sie in der abhängigen Liebe zum Regisseur Andreas, der sich später mit der besten Freundin der Mutter liieren wird.
Die Liebe zu Andreas besteht neben der Liebe zu ihrem Ehemann Heinrich der sie wiederum bedingungslos liebt. Liebe die in beiden Fällen auf Überhöhung, Idealisierung, Abhängigkeit gegründet zu sein scheint.
Die 4 fache Mutter , künstlerisch ambitioniert und wohl die meiste Zeit auf sich selbst gestellt, findet ihren Selbstausdruck in der atemlosen Liebe und im Schreiben der Briefe. Immer ist es auch ein Ringen um die Frau die sie neben dem Mutterdasein auch noch ist.
Andreas schätzt ihre Lage so ein: “daß vier Kinder eben zu viel für mich seien. Weniger, weil ich daß nicht schaffe,sondern weil in mir Dinge entfaltet werden könnten, die bei anderen nicht möglich wären-Dinge geistiger Natur.Er meint Kinder haben und aufziehen können viele.Das, wozu meine Befähigung vielleicht reichen würde, können ganz wenige”
Andreas der von dieser großen Liebe überschwemmt wird, erwidert die Gefühle allenfalls halb.Wie aber ging es Heinrich, Ehemann, ebenfalls an der Oper tätig in dieser Dreiecksgeschichte, fragt sich Peter Schneider.
” Hat er die Untreue seiner Frau gar nicht als Verrat empfunden? Sie als Überlebensmittel einer Frau toleriert , die immer am Rand ihrer Möglichkeiten lebte und sich durch ihre Amouren vor dem Absturz in die Depression zu retten suchte?”
“…das schreiben ist für die Mutter offenbar ein Überlebensmittel gewesen, eine Waffe mit dem die zerstörererischen Kräfte, die von außen und von innen auf sie einstürmen, in Schach zu halten versuchte.”
Peter Schneider verwebt eigene Erinnerungen, mit Gelesenen und Interpretationen , webt draus eine Geschichte aus Fiktion und Recherchierten.
Das Fragmentarische machte mir das Eintauchen in die Geschichte nicht leicht. Trotzdem mochte ich den Sprachgestus, das feingeschliffene und das Bild das Peter Schneider von seiner Mutter , einer faszinierenden Frau entwirft. Mich erstaunte beim Lesen immer wieder, das so eine Geschichte in einer Zeit in der Not , Mangel, Gefahr und pures Überleben vermutlich zentrales Thema waren, lebbar und erfahrbar war.
Aufmerksam geworden bin ich durch “Das blaue Sofa”. Gekauft habe ich es mir hier.
Erschienen ist es 2013 bei Kiepenheuer