Ihr Lieben,
heute Nachmittag möchte ich Euch eine Geschichte von Peter Graf von Eysselsberg erzählen:
"Der Rabe"
Thomas hatte seinen Vater, der an Demenz erkrankt war, schon längere Zeit nicht mehr im Altersheim, das etwa 20 Kilometer von seinem Wohnort entfernt lag, besucht.
Zum einen hatten ihn berufliche Verpflichtungen, die angeblich unaufschiebbar waren, daran gehindert, zum anderen war er der Meinung, dass sein Vater ja eh nicht viel von seinem Besuch mitbekommen würde aufgrund seiner Demenzerkrankung.
Nun aber fühlte Thomas sich doch innerlich dazu gedrängt, seinen alten Vater wieder einmal zu besuchen. Nachdem er angekommen war und die gegenseitigen Fragen nach dem Befinden geklärt waren, setzten sich Thomas und sein Vater zum Kaffeetrinken auf den Balkon, der an das Zimmer des Vaters angrenzte.
Kaum hatten sie an dem kleinen Tisch niedergelassen und mit dem Kuchenessen und dem Kaffeetrinken begonnen, als sich plötzlich ein stolzer schwarzer Rabe auf der Brüstung des Balkons niederließ und zu ihnen herüberschaute, so als wollte er sagen: „Gebt mir ein Stück von Eurem Kuchen ab.“
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Der Vater beobachtete den Raben eine ganze Weile und stellte seinem Sohn trotz mehrfacher Beantwortung immer wieder dieselbe Frage: „Was ist das?“Schließlich verlor Thomas die Geduld und auch das Verständnis für das Handeln seines Vaters und fragte ihn mit scharfer Stimme nach seinen Beweggründen und ob er ihn ärgern wolle.
Aber statt auf die Fragen seines Sohnes zu antworten, verließ der Vater den Balkon, ging in sein Zimmer und kam mit einem alten, verblichenen und von den Spuren der Zeit gezeichneten Tagebuch zurück.
Der Vater gab seinem Sohn Thomas die Antwort nach seinen Beweggründen, indem er sein Tagebuch aufschlug und anfing, daraus vorzulesen:
„Als ich heute mit meinem kleinen dreijährigen Sohn Thomas auf dem Liegesofa saß, setzte sich ein Rabe auf das Fensterbrett gleich neben uns. Er fragte mich genau 23 Mal, was das denn sei.
Bei jedem Male umarmte ich ihn voller Liebe und antwortete ihm, dass dies ein Rabe sei. Da er dieses Tier noch niemals zuvor gesehen hatte, kannte er es nicht.
Deshalb fragte er mich immer wieder, was das denn sei, ob es vielleicht ein Spatz, ein kleines Huhn oder dergleichen sei.
Jedes Mal verneinte ich und löste damit seine nächste Frage: „Was ist das denn?“ aus. Sein zwar unentwegtes, aber dennoch so unschuldiges Fragen erfüllte mich jedes Mal mit großer Liebe.“
Ihr Lieben,
ich lese immer wieder gerne in der Bibel.
Nicht weil die Bibel ein frommes Buch ist, sondern weil sie tiefe Weisheiten enthält, die, wenn sie umgesetzt würden, dazu führen würden, dass die Menschen in Frieden miteinander leben würden.
Einer dieser Verse aus der Bibel steht im 1.Kor. 13:
„Die Liebe ist langmütig und freundlich, die Liebe eifert nicht, die Liebe treibt nicht Mutwillen, sie bläht sich nicht, sie stellt sich nicht ungebärdig, sie suchet nicht das Ihre, sie lässt sich nicht erbittern, sie rechnet das Böse nicht zu, sie verträgt alles, sie glaubt alles, sie hofft alles, sie duldet alles.
Nun aber bleibt Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; aber die Liebe ist die größte unter ihnen.“
Wenn man diese Verse so liest, könnte man meinen, die Liebe sei etwas, das alles zulässt: „Sie duldet alles“. Aber das ist ein großer Irrtum.
Mahatma Gandhi hat uns gezeigt, was Liebe bewirken kann:
Er hat keineswegs alles hingenommen, sondern ist seinen Weg zur Befreiung Indiens gegangen, aber er hat nicht den Weg der Gewalt gewählt, sondern den Weg der Liebe, die bereit ist, alles zu tun, damit Menschen miteinander versöhnt werden, damit Menschen miteinander in Frieden leben.
Das Wunderbare an dem obigen Bibelvers ist, dass dort nicht der Glaube, von dem doch in der Bibel ständig die Rede ist, an die erste Stelle gerückt wird, sondern dass die Liebe als das Wichtigste in dieser Welt hingestellt wird.
Es gibt keine größere, keine mächtigere und versöhnendere Kraft als die Liebe.
Unsere heute kleine Geschichte möchte uns aber noch etwas Anderes klarmachen:
Um Liebe zu üben, ist es meistens gar nicht nötig, zusätzlich Zeit aufzuwenden, zusätzliche Taten zu tun, sich zusätzlich zu engagieren.
Liebe zu zeigen, beginnt im Alltag:
Gerade heute Morgen, als ich in der Stadt war und auf dem Rückweg an der Weser entlang radelte, erlebte ich einige Beispiele, die das verdeutlichen:
Da war die alte Frau, die auf die Entschuldigung ihres Mannes, dass er den Einkaufzettel zuhause habe liegen lassen, entgegnete: „Das ist wieder typisch für Dich, Du vergisst doch immer alles. Wenn Dein Kopf nicht festgewachsen wäre, hättest Du ihn sicher auch schon irgendwo liegengelassen!“
Wie einfach wäre es gewesen, liebevoll den alten Mann in den Arm zu nehmen und Verständnis zu zeigen.
Da war der Vater, der mit seinen beiden Söhnen an der Weser spazieren ging und ständig seine Söhne zur Eile antrieb mit solchen Sätzen wie „Wir wollen weiter!“, „Kommt, haltet Euch ran!“
Wie wundervoll wäre es gewesen, wenn der Vater auf seine Kinder eingegangen wäre, die gerne den vorüberfahrenden Schiffen ein wenig zuschauen wollten. Dieser Vater ahnt gar nicht, was ihm entgeht, denn es gibt nichts Schöneres, als sich mit seinen Kindern auf Entdeckungsreise zu begeben und sich dabei von seinen Kindern führen zu lassen.
Da war der junge Mann, der einen kleinen Hund hinter sich her zerrte. Das Gassigehen mit dem Hund war erkennbar zu einer reinen Pflichtübung geworden. Wie liebevoll wäre es gewesen, wenn er seinem kleinen Hund gestattet hätte, mit den anderen Hunden über die Wiesen zu tollen, um auch einmal Spaß zu haben.
Deshalb ist unsere heutige Geschichte auch so wichtig, denn sie zeigt, dass Gleiches eben doch nicht gleich ist. Während der Vater bei seinem Sohn sehr geduldig war, reagierte der Sohn bei seinem alten Vater sehr ungehalten.
Wir sollten innehalten und uns klarmachen, wie wichtig die Liebe in den kleinen Begegnungen unseres Alltags ist. Wir sollten uns vornehmen, in den kleinen Begegnungen, die wir jeden Tag haben, mehr Liebe zu üben.
Quelle: Karin Heringshausen
Ich wünsche Euch nun einen fröhlichen liebevollen Nachmittag und grüße Euch herzlich aus BremenEuer fröhlicher Werner aus Bremen vom Weserstrand
Quelle: Karin Heringshausen