37% des Kollegiums verweilen im Krankenstand.
Der Mathematik-Lehrer hat es ausgerechnet. Ich fühle mich auch schon ganz schlecht, was aber auch an Schlafmangel, zu viel Kaffee und dem Geburtstags-Muffin der Schülerin der 7c liegen mag, in deren Klasse ich in der ersten Stunde Vertretungsunterricht hatte.
Notfall-Vertretungsstunden
Was macht die Bio-Lehrerin, wenn ihr kein Vertretungsmaterial zur Verfügung gestellt wird in einer Woche, die Stephen Hawking auf dem Gewissen hat? Genau, sie erzählt etwas über Astrophysik, immer in der Hoffnung, dass niemand mehr Ahnung hat als sie, was in der 7c wahrscheinlich nicht vorkommen wird, jedenfalls nicht in Physik. Die 9 d ist da schon gefährlicher, denn da sitzen die Hochbegabten.
„Was weißt du über Stephen Hawking?“,
frage ich also naiv in die Runde. Sieben Finger recken sich Richtung Decke. Freudig zeige ich auf einen Schüler, der einigermaßen wach aussieht: „Das ist doch der Querschnittsgelähmte“, erfahre ich.
Ich erzähle also alles, was ich weiß, von ALS und Urknalltheorie und Respekt von einem Popstar der Astrophysik und auch, dass letztendlich doch niemand weiß, wie die Erde entstanden ist und falls die Urknalltheorie stimmt, weiß man ja immer noch nicht, was vorher dagewesen ist. Dann sehen wir noch die „Visionen eines Genies“ und als ich am Ende schwanke, ob ich nicht doch vielleicht alle gelangweilt habe, kommen Emmi und Nele und Anna vorbei und sehen ganz begeistert aus: „Das ist ja spannend!“ Und: „Warum ist der Physik-Unterricht nicht immer so spannend!! Und ich denke so bei mir, ja wenn wir Lehrer weniger unterrichten müssten, die Klassen kleiner wären und am besten noch einen Co-Lehr dabei hätten und außerdem bräuchten wir mehr Todesfälle, dann, ja dann …
Ich bin allerdings nicht die einzige, die Verbesserungs-Ideen zum Schulwesen beisteuern kann …
Einen Tag vorher sitzen der Fast-beste-Ehemann-von-allen, Sohni (8 Jahre alt) und ich bei der Klassenlehrerin des Sohnes, die Sohni und uns erklärt, was schon super läuft und was das Kind noch lernen muss.
„Gibt es sonst noch etwas, was Sie mir sagen wollen, oder du vielleicht auch, Sohni?“ Vater und Mutter schauen wortlos auf Sohni.
Sohni hat sich wohlüberlegt, was er alles sagen möchte:
„Mich würde mal interessieren“, erklärt er, „warum Jimmi immer geärgert wird.“
Frau Friebel beugt sich zu Sohni hinüber: „Dein Papa hat mir schon gesagt, dass dir das aufgefallen ist. Ich habe das auch schon bemerkt, aber weißt du was, das ist noch nicht einmal Jimmi oder Jimmis Eltern aufgefallen. Ich finde das phänomenal, dass dir das aufgefallen ist.“
„Außerdem finde ich es zu laut in der Klasse.“
Frau Friebel guckt verständnisvoll und nickt. Letztendlich finden Frau Friebel und Sohni aber auch keine Lösung. Frau Friebel weist aber darauf hin, dass Dennis schon viel weniger haut als noch vor einem Jahr. Sohni muss zugeben, dass das möglich ist. Außerdem erfahre ich, warum Sohni immer die alte Mütze aufsetzt, die man sich auch als Schal um den Hals hängen lassen kann: „Weil die Jungs so viel Quatsch machen und die Mützen klauen. Das nervt.“ Frau Friebel bestätigt, dass noch einige Kinder aus der Klasse erst lernen müssen, die Sachen der anderen zu respektieren.
Schließlich spricht Sohni noch die Frauenquote an:
„Bei der Klassensprecherwahl, finde ich, solltest du auch darauf achten, dass da auch ein Mädchen dabei ist. Weil es so wenige sind. Das ist dann besser.“ Sohni rutscht auf seinem Grundschulstuhl hin und her.
Frau Friebel nickt wieder: „Das stimmt. Bei der nächsten Wahl wird es aber ein wenig schwierig, weil dann alle Mädchen einmal Klassensprecherin waren.“ Sohni ist einsichtig.
Abschließend gibt Sohni Frau Friebel noch einen Tipp, wie man das mit den Garderobenhaken besser regeln kann. Der Mann und ich werfen uns unauffällige Blicke zu: „Du könntest Bundeskanzler werden“, sage ich zu unserem Sohni. Sohni guckt verwirrt. „Wer ist das?“, fragt er. „Das ist sozusagen der Chef von Deutschland“, erkläre ich, doch Sohni lehnt dankend ab: „Lieber nicht, dann werde ich ja immer von Leuten umringt.“ Also doch wohl lieber Mathelehrer.
Frau Friebel schreibt sich Sohnis Ideen zur Verbesserung des Garderoben-Prozederes auf. Die Kinder sollten lieber einzeln und nacheinander gehen, weil es sonst so ein Gedränge gibt.
„Schreibst du dir alle Ideen von den Kindern auf?“, will Sohni wissen.
Frau Friebel hält inne und lächelt: „Eigentlich kommen alle diese Ideen, die ich hier aufschreibe, von den Eltern. Das sind die ersten Tipps von einem Kind.“
Sohni nickt interessiert. Und wir sind vielleicht doch ein bisschen stolz auf unseren Sohn.
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