Eines steht fest: Retronauten haben es nicht immer leicht mit den Veränderungen der Zeit zu Recht zu kommen. In dieser neuen App Echo Artikelserie “Die Leiden des alten Retronauten“, berichte ich augenzwinkernd, nicht wirklich gänzlich ernst gemeint, bissig, aber hoffentlich nicht allzu böse über meine Erfahrungen und schwelge dabei in oftmals nostalgischen Erinnerungen.
Der Superheld aus dem Supermarkt
Heute möchte ich ein wenig über Herrn Euringer plaudern. Nun seht ihr mich vermutlich fragend an, und das obwohl ihr ihn alle aus dem Supermarkt kennt. Ihr tut das zumindest dann wenn ihr älter als 20 Jahre seid und nicht gänzlich hinterm Mond gelebt hat. Man kann Herrn Euringer vielleicht am Ehesten als eine Art Superhelden beschreiben, hatte er doch auch eine langjährige, wohl gehütete, zweite geheime Identität. Doch plötzlich verbannten ihn “The Powers That Be” aus den Märkten. Dies ist seine Geschichte…
Twix oder Raider?
Wenn Leute nostalgische Gefühle hegen, dann kommen sie oft mit dem Spruch “Als Twix noch Raider hieß” an. Doch ehrlich gesagt, war mir dieser karamellisierte Schokoladenstengel ohnedies immer zu süß. Ob der nun Hinz oder Kunz heisst, wen kümmerts? Ich mochte ihn so oder so nicht. Eine andere Art von Schokolade hatte ich als Kind jedoch sehr gerne, und zwar die Kinder Schokolade hergestellt von Ferrero. Ja, das war die mit der Extraportion Milch, was sie zwar nicht gesünder, aber mit Sicherheit leckerer machte.
Nun könnt ihr euch sicher auch an das feixe Grinsegesicht auf der Packung erinnern, wie könntet ihr auch nicht? Ich bin sicher dass sich diese Visage nicht nur bei mir in die Hirnrinde eingebrannt und damit unweigerlich mit der Schokolade verschmolzen hat. Natürlich! Dies war das Konterfei des Herrn Euringer, der sich nicht wie Batman über Gotham schwang, oder wie Superman in die Lüfte erhob, sondern uns einfach nur von der Tafelschokolade mehr oder minder dämlich aus dem Regal angrinste. Doch so nervig er auch gewesen sein mag, die Konnotation zwischen dem Kinderschokoladenkind und der Kinder Schokolade war unweigerlich in unseren Köpfen hergestellt.
Ferrero und der Kultur Schock
Nostalgiker und Retronauten hassen es, aber es ist unvermeidbar und wir kennen es alle. Neue Trends entwickeln sich und lassen andere obsolet werden. Als Unternehmer muss man immer zukunftsorientiert denken und neue Trends erkennen, doch das bedeutet doch um Himmels Willen nicht dass treuen Käufern eines Produktes deswegen ein regelrechter Kultur Schock zugemutet werden muss. Kunden sind genauso Menschen mit Gefühlen!
Kundenentwöhnung
Wäre die Marketingabteilung von Ferrero in der Politik tätig, könnte man ihnen wohl am Ehesten “Salamitaktik” vorwerfen. Militante Tierschützer gucken nun bitte kurz woanders hin, aber ich kann es am Einfachsten mit folgendem Beispiel, bei dem übrigens kein Tier zu Schaden kam, erläutern:
Wirft man einen Frosch in ein heisses Bad, hüpft er hinaus. Wirft man ihn hingegen ins kalte Wasser und erhitzt es langsam, so verbrennt der Frosch, weil er die Veränderung der Wassertemperatur nicht bemerkt.
Ferrero und die schleichende Entwöhnung des Kunden
Was hat das mit der Kinderschokolade zu tun? Nun, genau jene Taktik wurde von Ferrero gefahren, indem das Antlitz des Kinderschokoladenkindes über die Jahre hinweg nach und nach einer Frischzellenkur unterzogen und der Kunde somit “entwöhnt” wurde. Dies geschah auf leisen Sohlen, denn es sollte zwar zunächst immer noch Herr Euringer sein, der uns von der Packung entgegen grinste, doch mittels Photoshop oder Ähnlichem wurde das nunmehr von Ferrero als Stiefkind behandelte Kinderschokoladenkind immer wieder designtechnisch verändert und an neue Trends angepasst.
Nach jahrelanger schleichender Entwöhnung wären, so dachte man wohl bei Ferrero, die Kunden nun bereit für ein neues Gesicht. Also kam was kommen musste, was immer kommt wenn man zusieht ohne einzugreifen: Ferrero eliminierte das Bildnis von Herrn Euringer komplett von der Packung. Der Frosch war tot! Damit nicht genug, trampelte man auch noch wie ein im Porzellanladen wild gewordener Elefant auf den Gefühlen der Käufer herum, indem man Kinder zum Grinsecasting für die neue Packung lud. Damit spuckte man geradezu auf das Erbe des einstigen Packungsstars. Pfui Teufel!
Kein Wunder dass dieses dreiste Treiben im Internet einen regelrechten Shitstorm ausgelöst hat. Die Szenerie war sehr dramaturgisch, Tränen wurden vergossen, Drohungen ausgesprochen, Schwüre abgegeben, doch am Ende war alles vergebens. Das Unternehmen blieb hart und so grinst uns heute irgend ein mir unbekannter Bengel von der Schokolade entgegen.
Nein Danke Ferrero! Ohne das süffisante Grinsen von Herrn Euringer werden viele Nostalgiker und Retronauten die Schokolade wahrscheinlich im Regel vergammeln lassen. Wohl bekomms!