Die Langweilerin vom LKA: Lotti Lindholms "Tatort: Spielverderber"

Erstellt am 23. November 2015 von Bandrix @cityofcinema1

©ARD

Schaben, die durch frisches Blut kriechen; sich drehende Küchenmesser; Straßen, die im Dunkeln aus Reifen-Perspektive hell erleuchten. Eine Kamera, die hinterm Treppengeländer lauert, wenn Charlotte Lindholm (Miss Burda: Maria Furtwängler) vor einer Wohnung aufs Eintreten wartet, oder hinter Büschen, wenn einer der Verdächtigen (Thure Lindhardt) vor einem Haus herumschwirrt. Und wenn dieser Verdächtiger, Paul Goebels heißt er, in einer Badewanne liegt, dann beobachtet ihn die Kamera aus sicherer Entfernung von oben und blickt hinab auf ihn – aus der Perspektive des Wasserstrahls.

Es ist schon wirklich bemerkenswert, was Andreas Doub hier leistet. Doub ist Kameramann des neuen Hannover-Tatorts „Spielverderber“. Inszeniert und geschrieben von Hartmut Schön, der damit seit knapp 20 Jahren wieder an einem Sonntagskrimi beteiligt war. Das Ergebnis des Falles, der – vermutlich der schönen Bilder wegen – sich auf einem Fliegerhorst der Luftwaffe abspielt, ist optisch Gourmetküche, inhaltlich und auf Spannungs-Ebene höchstens Magerkost, wenn nicht sogar schon lange abgelaufen.

Unschön, wenn man einem die eigene Frau vor die Füße fällt. ©NDR/Frederic Batier


Was sicher nicht an Doub liegt, denn der gibt sich Mühe. Jede Einstellung, jedes noch so kleine Detail, jedes der vielen Close-Ups wirkt gut durchdacht. Da war jemand am Werk, der genau wusste, was er wie und warum zeigen möchte. Die Kameraarbeit hebt sich spürbar ab von so vielem anderen, was man am Wochenende sonst so vorgesetzt bekommt. Und es wäre zu schön gewesen, wenn die Suche nach dem Mörder der Ex-Frau vom Bundeswehr-Piloten Körner (aggressiv und herausragend: Gerdy Zint) das auch von sich hätte behaupten können.
Anfangs denkt man das noch. Es ist dunkel, nachts und die Tote vergnügt sich im Wald mit jemanden, Höschen runter, sie war wohl begeisterte Liebhaber-wechsel-dich-Spielerin. Dann ist es wieder hell, irgendwo im Harz fährt Körner, der Ex, ins Wochenendhaus. Sein Hund bellt, es ist Sommer, weit und breit sieht man keine Menschenseele. Körner betritt das Haus, ruft ein paar Mal vergeblich den Namen seiner Frau. Er toastet sich kurz ein Toast, und dann entdeckt er auf dem Boden Blut. Frisches Blut, er hält inne, eine Spur führt ihn in den Raum nebenan, dann macht es Boom, eine Luke in der Decke geht auf und seine Frau fällt ihm buchstäblich vor die Füße. Tot, natürlich. Ein Fall für Charlotte Lindholm vom LKA...

LKA-Lottchen und ihr Liebhaber. ©NDR/Frederic Batier

Und nun nimmt das Unheil auch schon seinen Lauf. Denn während sich die Suche nach dem Täter recht unaufgeregt, aber dafür auch wenig aufregend verläuft, passiert nichts, was man nicht vorm Einschalten schon erwartet hätte. Die sonst so taffe Charlotte hat mal wieder Probleme, sich um ihr Blag zu kümmern. Ihrer Mutter eröffnet sie am Telefon, dass sie sich halt nicht aussuchen könne, wann jemand ermordet wird. Familienprobleme, wie sie es in jeder Folge zu sehen gibt. Dazu turtelt Lindholm auch alsbald mit Oberst Friedrichs (Richard von Weyden), dem Big Boss vom Flugplatz. Er liebt das Fliegen, sitzt deswegen mit Charlottchen lange Zeit im Flugsimulator. Sie findet's kitschig, er wird glitschig. Und dann will er sie küssen. Sie erwidert widerwillig. Der neue Lindholm-Loverboy. Dazu gibt’s dann noch ständiges Gezeter mit dem Staatsanwalt (Rainer Winkelvoss), ein Harcore-Paragrafenreiter.

Dezent einfallslos und uninspiriert schleppt sich die Story recht mühselig durch die 90 Minuten. Jasmin Gerat gerät dazu auch noch in den Fokus der Tante vom LKA. Sie mimt die Frau des Flüchtigen, den Lindhardt spielt. Er hatte was mit der Toten, fand Jasmin natürlich nicht gut. So schlecht sogar, dass sie sich am Ende in luftiger Höhe aus einem Flugzeug schmeißt. Es ist ein Ende, das man gesehen haben muss als Tatort-Fan und bei dem man nicht so recht weiß: Ist das ernst gemeint, soll man da jetzt lachen oder weinen? Man weiß es nicht. 

Kai Diekmann als Leiche (hinten) ©NDR/Frederic Batier

LKA-Lotti entscheidet sich fürs Trübsal blasen. Sie reiße sich den Arsch auf – zum Glück nur sprichwörtlich -, empört sie sich schon vorm Showdown, aber es merke keiner.Die Arme. Und warum der Kriminalfall von Schön jetzt ausgerechnet in einem Fliegerhorst angesiedelt wurde, wird auch nicht so klar. Es hätte ja keiner großartigen Auseinandersetzung mit der Bundeswehr bedurft, der sich einmal mehr mit Schicksalen von Soldaten beschäftigt. Aber der Regisseur und Autor in Personalunion erzählt schlicht eine Malen-nach-Zahlen-Story vom Reißbrett, die nicht vomHocker haut.

Wohltuend linear und geradlinig aufgebaut ist „Spielverderber“ zweifelsohne, und es sieht ja alles wirklich gut aus. Aber was nützt die Hülle, wenn sich dahinter bloß leere Luft verbirgt und diese eher zum ausgiebigen Nickerchen einlädtUnd Kai Diekmanns Auftritt als Leiche in der Gerichtsmedizin ist übrigens auch eine herbe Enttäuschung. Wenn man nicht wüsste, dass er eine Leiche spielt, würde man das gar nicht bemerken. „Bei dem ist richtig was schief gegangen“, erkennt dann flugs auch der Gerichtsmediziner. Besser kann man auch den Krimi nicht beschreiben.

©ARD



BEWERTUNG: 05/10Titel: Tatort: SpielverderberErstausstrahlung: 22.11.2015Genre: KrimiRegisseur: Hartmut SchönDarsteller: Maria Furtwängler, Richard von Weyden, Jasmin Gerat, Gerdy Zint, Rainer Winkelvoll u.v.m.