© Universal Pictures / Der Once-ler und der Lorax im Truffula-Tal
Das japanische Zeichentrickfilm-Studio Ghibli vom Filmemacher Hayao Miyazaki inszeniert seit jeher mit seinen Filmen einen Fingerzeig auf die unmöglichen Verhältnisse in denen sich Mutter Natur unter dem negativen Einfluss der Menschen befindet. Düstere Bilder von einer staubig-grauen Welt wirken deprimierend auf die Zuschauer ein, die hierdurch aber nur umso mehr aufgerüttelt werden sollen. In Hollywood sieht Naturschutz noch etwas fröhlicher und bunter aus, aber nicht minder relevant. Illumination Entertainment, die vor wenigen Jahren mit „Ich – Einfach unverbesserlich“ ihren Durchbruch schafften, haben sich der klassischen Kinderbuch-Geschichte „Der Lorax“ angenommen, das einst vom berühmten Autoren Theodor Geisel alias Dr. Seuss erschaffen wurde.
Diese Geschichte führt die Zuschauer zuerst nach Thneedville, einer Stadt, aus der jegliche Natur verschwunden ist. Die Pflanzen sind aus Kunststoff, die Hecken sind aufblasbare Attrappen und die Bäume können per Fernbedienung auf die entsprechende Jahreszeit-Farbe eingestellt oder zur Discokugel umfunktioniert werden. Mit dieser allgegenwärtigen Künstlichkeit scheffelt der gerissene Geschäftsmann Aloysius O’Hare Millionen, in dem er in Plastikflaschen abgefüllte Frischluft an die Bewohner der Stadt verkauft, die in dem Glauben gelassen werden, dass die echte Natur mit ihrer echten Luft dreckig, schlecht und krank machend wäre. In dieser Umgebung lebt auch der junge Ted, der seiner angebeteten Audrey imponieren will, indem er einen echten Baum ausfindig macht. Aber dafür muss er zuerst in Erfahrung bringen, wieso es eigentlich keine Bäume mehr in Thneedville gibt. Außerhalb der Stadt sucht er den Once-ler auf, der die Schuld auf sich nimmt und Ted die Geschichte von seiner Begegnung mit dem Lorax erzählt – damals, in dem idyllischen Truffula-Tal, einem Lebensraum für kurios singende Goldfische, niedlich-pelzige Bärchen und vergnügt quakende Enten.
Ted sucht den Once-ler auf.
So putzig diese Geschöpfe auch geraten sind, die Anerkennung muss Hauptdarsteller Danny DeVito zukommen, der in der Rolle des Lorax zu hören ist. Und das nicht nur in der englischen Originalfassung, sondern auch in der deutschen, der spanischen, italienischen und russischen Version. Die Figur des Lorax bekommt damit viel mehr Authentizität verliehen – wenngleich er auch in der verrückten Fantasie von Dr. Seuss entstand – und der Zuschauer wird die Verbundenheit DeVitos zu dieser Figur spüren. Der Sprecher des Waldes tritt wirklich für die Rechte und den Schutz der Bäume ein, eine moralische Nachricht, die natürlich überdeutlich in dem Film dargestellt wird. Aber manchmal funktioniert diese Holzhammer-Technik. Man wird ihrer in „Der Lorax“ niemals überdrüssig, weil sie so schön auf die Leinwand gebannt wurde. Regisseur Chris Renaud („Ich – Einfach unverbesserlich“) erschafft mit dem Film eine bunte Dystopie: Eine Großstadt die nur noch aus Plastik und Kunststoff besteht und die von einem Großindustriellen vermeintliche Frischluft verkauft bekommt. Außerhalb dieser traurigen Realität namens Thneedville herrscht die finstere Ödnis, die einer wahren Endzeitvision gerecht werden würde. Sämtliche Bäume, die hier einst standen, sind nur noch als Stümpfe zu sehen, die Landschaft ist ausgetrocknet und trist, der Himmel verdunkelt. Schnell merkt man, dass die kunterbunte Stadtwelt durch und durch künstlich ist, nicht nur an der Oberfläche, sondern auch in ihrem tiefsten Inneren. Das macht den Schurken nur umso schurkischer, lässt er doch die Bewohner in dem Glauben, dass ihre Welt perfekt sei. Er hält sich die Menschen als Gefangene in seiner kleinen Wirtschaftswelt, die auf Kosten der Natur errichtet wurde.
Ted und sein Schwarm Audrey
Aber so tief mag das Zielpublikum wahrscheinlich noch gar nicht schauen können. Für diese hält „Der Lorax“ aber andere, ebenso wichtige Informationen bereit. Der Film zeigt die noch bestehende Natur – die vom Once-ler erzählten Rückblenden – als fröhlichen und farbenfrohen Ort, der jedes Kinderherz höher schlagen lassen wird. Hier grünen riesige Wiesen auf denen plüschige Bäume stehen, deren Animation dazu verleitet, sich selbst einmal an ihnen zu kuscheln. Große Kulleraugen von niedlichen Bären, das Quietschen von Vögeln und Entchen und allen voran die immer wieder an Land herum tanzenden Goldfische bringen dann noch zusätzlich Leben in diese Umgebung. Hier ist es schön und das ist gut so. Umso trauriger ist es dann mit ansehen zu müssen, wie diese Landschaft langsam zerstört und hierdurch die schlechte Luft produziert wird – denn, das werden Kinder hoffentlich mit aus „Der Lorax“ herausnehmen: Bäume reinigen die Luft. Neben dieser naturschützenden und lehrreichen Unterrichtseinheit hält der Film dann auch noch eine persönliche, auf die Kinder zugeschnittene Nachricht bereit. Auf einem Stein hinterlässt der Lorax nämlich die Worte „Dann wenn“ und lange Zeit muss der Once-ler darüber grübeln, was denn diese schnauzbärtige Kuschelerdnuss wohl damit gemeint haben könnte. „Dann wenn…jemand kommt wie du, kann sich etwas ändern“ erfahren die Zuschauer relativ schnell und somit überträgt der Film auch gleich noch die Verantwortung über die Natur an die Zuschauer.
Die Geschichte bietet derweil sicherlich keine erzählerischen Neuentdeckungen. Verschachtelt folgen wir abwechselnd dem Niedergang des Truffula-Tals und der Rückkehr zur Natur in Thneedville. In der einen Geschichte agieren der junge Once-ler, der als Bindeglied der Generationen herhalten darf, in der anderen Geschichte erleben wir Ted, wie er entdeckt, dass sein Zuhause nicht so perfekt ist, wie es ihm weißgemacht wurde. Auch die sonst so verrückten Eskapaden der Dr. Seuss Figuren, die man bereits in Verfilmungen seiner Werke „Der Grinch“, „Ein Kater macht Theater“ und „Horton hört ein Hu!“ sehen konnte, wurden etwas zurück geschraubt um einen konventionelleren Animationsfilm-Stil zu verfolgen. Aber durch surreal und plötzlich eingestreute Musical-Gesangsnummern, bei denen auf einmal die ganze Stadt oder alle Tiere ein munteres Lied anstimmen bleibt in „Der Lorax“ immer noch der absurde Geist seines Schöpfers erhalten.
Denis Sasse
“Der Lorax“