„Fang doch einfach nochmal von vorn an, das ist sicher leichter“ ist so ziemlich das Schlimmste, was mir je beim Schreiben – beispielsweise einer Hausarbeit oder eines Blogeintrags – gesagt wurde. Zugegebenermaßen: Meist kam das von mir selbst.
Die Einsicht ist also da. Nicht nur beim Schreiben, auch sonst, wenn es um Neuanfänge geht. Im Privatleben, in der Karriere, bei der Lieblingsbeschäftigung oder was auch immer. Es ist leicht, Neuanfänge einzusehen, aber nicht so leicht, sie wirklich umzusetzen. Oder doch? Warum schiebt man einen Neuanfang so lange vor sich her?
Seit über einem Jahr weiß ich z. B., dass ich mir überlegen muss, was mit diesem Blog geschieht. Und wenn ich ehrlich bin, wusste ich sehr schnell, was geschehen musste: Ein Neuanfang basierend auf Ausmisten. Alle alten Artikel raus, die nicht von mir sind, sondern nur auf Andere verweisen. Und dann ohne zeitlichen Druck einfach schreiben, wenn mir etwas einfällt. Egal, wie selten das ist. Aber dafür wirklich qualitativ. Heute beginne ich damit. Aber warum hat das so lang gedauert? Es war ja nun wirklich nicht schwierig, einmal alle Blogeinträge durchzugehen, viele zu entsorgen und nun dieses Artikel zu schreiben. Mangelnde Zeit vielleicht? Oh ja, immer. Aber bei welchem Thema ist das nicht meine beliebteste Ausrede etwas nicht zu tun? Also was ist der wirkliche Grund?
Ich denke, da gibt es zwei Ebenen: Das Loslösen von der Vergangenheit und die Angst vor der Zukunft. So doof die Gegenwart auch sein mag: Ich weiß, wie es geht, wie meine Umgebung (in diesem Fall meine Leser) darauf reagiert, wie ich mich damit fühle. Das alles kann ich nicht sagen, wenn ich etwas verändere. Ob ich damit wirklich Gutes bewirke oder es sich doch zu meinem Nachteil auswirkt, ist unklar. Ich gehe ein Risiko ein.
Nun ist das Risiko bei Veränderung eines Blogs nicht sehr groß. Ich bin auch nicht auf meine Leser angewiesen, auch wenn natürlich jeder Blogbesuch meinem Selbstbewusstsein gut tut und meinen Ehrgeiz nährt. Aber das Risiko ist minimal verglichen beispielsweise mit einem Freund, der – nicht ganz jung und nicht ganz alt – beruflich und privat einen Neuanfang gewagt hat. Einen Traum verwirklicht hat in der Hoffnung, dass weitere Verwirklichungen folgen. Oder eine Freundin, die sich nach langem Hin und Her in eine völlig neue Situation begeben hat, obwohl alles bisher sicher und bequem war und eigentlich auch gar nicht schlecht. Beide fragen sich hin und wieder, ob dieser Neuanfang eine gute Idee war. Noch scheint nicht klar zu sein, welche Konsequenzen er hat.
Aber seien wir doch mal ehrlich: Wir treffen täglich hunderte Entscheidungen, sind uns der Konsequenzen selten ganz bewusst, stellen auch mal Fehler fest und sind trotzdem ganz zufrieden damit. Die Ampel ist rot und ich habe einen wichtigen Termin: Geh ich drüber und riskiere im Schlimmstfall mein Leben (weniger schlimm eine Geldstrafe der Zivilpolizei) oder komme ich zu spät zum Termin. Wer bleibt vor dieser Ampel drei Rotphasen lang stehen und überlegt, was er tun sollte? Richtig. Niemand. Wir handeln intuitiv, mal richtig, mal falsch. Und wenn etwas falsch war, na, dann haben wir eben daraus gelernt.
An sich gilt genau diese Regel auch für Neuanfänge im Kleinen und Großen: Wir wissen nicht was geschehen wird, aber es kann nur gut enden. Denn auch wenn die Entscheidung falsch war, haben wir daraus gelernt. Deshalb sollten wir sie natürlich nicht leichtfertig fällen, aber sie uns auch nicht so schwer machen, dass wir zum Schluss mit keiner Lösung zufrieden sind, weil wir uns dauernd fragen, ob wir das Richtige getan haben.
Also auf zu neuen Ufern und rein ins kalte Wasser!
Ab jetzt ist mein Blog wieder da – nicht mehr regelmäßig, aber dafür hoffentlich qualitativer und ebenso vielfältig wie bisher – viel Spaß!