Schenkt man den Aussagen vieler Fachleute Glauben, ist die Ernährung von Hunden eine hochkomplizierte Angelegenheit und ohne eine individuell erstellte Nährstofftabelle geht gar nichts. Solche Berechnungen sind Grundvoraussetzung für ausgewogenes Fertigfutter.
Auf der anderen Seite gibt es dann die, die sagen: Schwachsinn! Ein Wolf hat schließlich auch keinen Taschenrechner parat, mit dem er genau ausrechnen kann, ob er auch genug Zink, Vitamin D und Co über sein Beutetier zu sich nimmt. Und der überlebt schließlich auch. Und das seit Millionen von Jahren.
Ja was denn nun?
Die Antwort auf die Frage, ob Hunde nun Nährstofftabellen brauchen oder nicht, wird immer wieder neu erörtert und auf verschiedene Weisen beantwortet, bzw. nicht beantwortet. Denn nach einer allgemein gültigen Antwort sucht ein Hundehalter vergeblich. Nicht zuletzt ist die Antwort natürlich auch immer von dem abhängig, der sie gibt. Das ist ja nicht nur in den Belangen rund um die Hundeernährung so.
Was braucht der Hund?
„Alle Ergebnisse der Naturwissenschaft sind mit dem Makel der Ungewissheit behaftet“ (Pierre de Fermat)
Dieses Zitat gibt exakt das Dilemma wieder, das man hat, wenn man versucht, etwas über errechnete Standartwerte zu bestimmen. Aber fangen wir von vorne an.
Bedarfswerte
Um zu entscheiden, ob ein Bedarf mit Nährstoffen gedeckt wird, muss man natürlich zunächst einmal diesen Bedarf kennen. Die Organisation National Research Council (NRC) legt die Bedarfszahlen fest, die Grundlage für die Empfehlungen der Nährstoffgehalte der Heimtierfutterindustrie sind. Diese Werte werden immer wieder neuesten Erkenntnissen angepasst und die aktuellsten Werte stammen aus dem Jahr 2013.
Diese Werte stellen Schätzwerte dar, welche über verschiedene Wege ermittelt werden. Am Ende wird sogar berücksichtigt, dass auch der Herstellungsprozess der Futtermittel einen gewissen Einfluss auf die Nährstoffverfügbarkeit hat. Was nichts anderes heißt, als dass die Bedarfswerte nach oben korrigiert werden. Im Prinzip kann man also unterstellen, dass diese Bedarfswerte nur für Hunde gelten, die mit industriell hergestelltem Hundefutter ernährt werden.
Diese Korrektur nach oben stellt aber natürlich nicht den einzigen “Unsicherheitsfaktor” in diesen errechneten, bzw. geschätzten Bedarfszahlen dar. Denn die Aufnahme und die Synthetisierung eines Nährstoffs sind ja von sehr vielen verschiedenen Faktoren abhängig. Hierbei spielt z.B. auch die Nährstoffkombination eine Rolle, oder auch das individuelle Tier und seine Verfassung. Es ist unmöglich, alle möglichen Faktoren in die Bestimmung einfließen zu lassen und daraus einen Wert zu ermitteln, der so exakt auf alle Hunde umgelegt werden kann. Diese Bedarfswerte können also lediglich als Empfehlungen angesehen werden. Allerdings sind es die einzigen festgelegten Werte, auf die Hundehalter zurückgreifen können.
Sind die Bedarfswerte bei Frischfütterung anders?
Wie eben schon erwähnt, werden bei der Ermittlung der Bedarfswerte auch die Herstellungsprozesse für das Hundefutter berücksichtigt. Eine weitere Unsicherheit stellt die Bioverfügbarkeit der Nährstoffe in den Nahrungskomponenten dar. Frische Lebensmittel, noch dazu, wenn sie in unverarbeitetem Zustand gefüttert werden, haben natürlich eine ganz andere Bioverfügbarkeit, als Fertigfutter, die mit synthetischen Nährstoffen angereichert wurden. Leider gibt es dazu aber keine entsprechenden Untersuchungen, es handelt sich lediglich um eine Unterstellung, eine Vermutung. Es ist nicht möglich, hier konkrete Werte zu nennen. Das liegt allerdings noch an einem weiteren, sehr wichtigen Faktor …
Nährwerte
Wer sagt, dass ein Apfel 12 mg Vitamin C enthält? Und enthält jeder Apfel dann 12 mg? Zu jedem Zeitpunkt? Nein, natürlich nicht. Dieser Gehalt an Vitamin C ist von einer ganzen Menge Faktoren abhängig. Das fängt ja schon mit dem Anbau an (Bio-Äpfel haben z.B. einen höheren Nährstoffgehalt als herkömmliche. Die Nährstoffgehalte allgemein sind im Laufe der letzten Jahrzehnte zurückgegangen), weiter geht es mit Ernte, dann Lagerung und schließlich Verarbeitung.
Auch wenn der Apfel nach dem Erwerb für den Hund püriert und dann eingefroren wird, unterliegt er hier wiederum einem Nährstoffverlust. Und letztendlich kann keiner sagen, wie viel von dem festgelegten Wert für Vitamin C denn nun tatsächlich im Apfel enthalten ist, der dann im Hundenapf landet.
Wenn nun also die Bedarfswerte künstlich erhöht wurden, die tatsächlichen Nährwerte dafür kleiner ausfallen, kommt man wohl schlussendlich auch bei der Frischfütterung irgendwie doch wieder zu den genannten Bedarfswerten …
Die Nährstoffe
Selbst bei der Nennung der Nährstoffe, die für Hunde essentiell sind, ist man sich nicht einig. So kommt z.B. aus der wissenschaftlichen Ecke die klare Aussage: Hunde können Vitamin D im Gegensatz zum Menschen nicht selber synthetisieren. Eine Zufuhr ist erforderlich. Diese ist allerdings wiederum mit Vorsicht zu “genießen”, da Vitamin D zu den fettlöslichen Vitaminen zählt und bei Überversorgung schädlich ist. Von anderer Seite kommt wiederum das Veto, Hunde seien sehr wohl in der Lage, Vitamin D mit Hilfe von UV-Strahlung selber herzustellen. Ja wat denn nu?
Oder Vitamin C … Auch hier unterstellt man eine Selbstversorgung beim Hund. Andererseits wird von verschiedenen Seiten zur zusätzlichen Aufnahme geraten, schon alleine wegen der vielen schädigenden Umwelteinflüsse der heutigen Zeit, auch für den Hund. Man ist sich irgendwie mal wieder einig, dass man sich uneinig ist …
Fazit
Ich meine, auch wenn es nicht möglich ist, die Bedarfswerte und die Nährwerte auf einen Nenner zu bringen, bzw. diese nicht als Fakten angesehen werden können, stellen sie auf jeden Fall grobe Richtwerte dar. Und sowohl um einer extremen Unterversorgung vorzubeugen als auch das “wilde um sich werfen” mit Nahrungsergänzungen zu verhindern, kann es sehr hilfreich sein, diese beiden Posten gegenüber zu stellen. Dabei ist eine mg-genaue Abwiegung sicher nicht nötig. Trotzdem kann eine solche Gegenüberstellung helfen, ein Gefühl für die einzelnen Nahrungskomponenten zu bekommen und so bedarfsgerechte Rationen für den Hund zusammenzustellen.
Thema Blutuntersuchtung
Hundehalter, die ihre Hunde barfen (oder einfach mit frischen Zutaten ernähren) wollen ebenfalls sicher sein, dass ihr Hund alles nötige bekommt. Um das zu überprüfen, lassen viele regelmässig eine labortechnische Blutuntersuchung machen. Es gibt sogar schon sogenannte “Barfprofile”, die man erstellen lassen kann. Solche Laboruntersuchungen sind recht teuer, auf der anderen Seite lassen sie keine realistische Beurteilung zu, da auch hier wieder eine Menge weiterer Faktoren berücksichtigt werden müssten. Das Blutbild gibt keinen realistischen Einblick in die tatsächliche Nährstoffversorgung des Hundes.
Und die Wölfe?
Kommt man jetzt auf das Argument Wolf ohne Taschenrechner zurück, stellen sich aber auch hier viele Unsicherheitsfaktoren. Das fängt schon mit der Lebenserwartung von Wölfen an. Laut Wikipedia haben freilebende Wölfe eine Lebenserwartung von etwa 10 – 13 Jahren. Irgendwo habe ich aber mal gelesen, Wölfe würden angeblich nur um die 5 Jahre alt werden. Vor einiger Zeit habe ich im Radio einen Bericht über die Neuansiedlung von Wölfen in Europa gehört. Deren Haupttodesursache sollen Verkehrsunfälle sein. Man stellt also wieder eine Uneinigkeit fest, aus der ein Laie schlecht irgendwelche Schlüsse ziehen kann. Außerdem ist ja wohl auch das Fortpflanzungsverhalten nicht wirklich mit dem unserer Haushunde vergleichbar, welches ja durch uns Menschen bestimmt wird. Viele Wölfe sterben schon in jungen Jahren, sei es durch Krankheit, Verletzungen, ja sogar durch Verhungern.