Die Krise in der Ukraine und die Medien

Zeitungen / Foto: Jeger (pixelio.de)

Zeitungen / Foto: Jeger (pixelio.de)

Es gibt derzeit für einen Journalisten kaum eine schwierigere Aufgabe, als zu versuchen, über die Krise in der Ukraine zu schreiben, ohne dabei in irgend einer Weise Partei zu ergreifen oder sich auf Medienmeldungen zu verlassen, die eben alles sind: nur nicht unparteiisch.

Noch nie in der Geschichte der deutschen Medien gab es solch eine Differenz zwischen der öffentlichen und der veröffentlichten Meinung wie derzeit. Kaum jemand, der die deutschsprachigen Medien verfolgt, fühlt sich von ihnen umfassend und korrekt informiert, wenn es um die Krise in der Ukraine geht. Auf der anderen Seite ist jedem klar, dass russische Medien auch kam als objektive Quellen herhalten können; ist doch hinreichen bekannt, dass es kaum unabhängige Medien gibt (wie auch die Reporter ohne Grenzen immer wieder betonen), deren Stimme in Mitteleuropa wahrgenommen wird.

So sprechen ein Großteil der Medien – auch die Tagesschau – davon, dass die am Sonnabend freigelassenen Offiziere als OSZE-Beobachter im Land unterwegs waren. Einige Stimmen – wie der ehemalige “Tagesschau”-Redakteur, Publizist und Autor Volker Bräutigam – werfen den Medien jedoch gezielte Desinformation vor.

So schreibt Bräutigam auf Facebook: “Die in der Ostukraine am 25. April festgesetzte Gruppe von Offizieren, die dort angeblich auf Basis des Wiener Dokuments der OSZE informationssuchend tätig geworden war, wurde noch vier Tage nach dem Zwischenfall in den NDR- und ARD-Nachrichten fälschlich als ‘OSZE-Militärbeobachter’ tituliert, obwohl die OSZE sofort klargestellt hatte, dass die Männer nicht zur OSZE-Mission gehörten.” Dabei beruft er sich auf den Vizechef des OSZE-Krisenpräventions- Zentrums, Claus Neukirch, der erst am 25. April dem ORF sagte: “Ich muss aber auch sagen, dass es sich genau genommen nicht um Mitarbeiter der OSZE handelt (…), sondern es sind Militärbeobachter, die bilateral dort unter einem OSZE-Dokument tätig sind.” Bei den gefangenen Militärs handelte es sich nach seiner Auffassung “um eine bilaterale Mission unter Führung des Zentrums für Verifikationsaufgaben der deutschen Bundeswehr”. Diesem Zentrum wird eine enge Zusammenarbeit mit dem BND nachgesagt: “Die Aufgabe der etwa 200 Mitarbeiter ist es zu überprüfen, ob andere Staaten Rüstungskontrollverträge einhalten, die sie mit Deutschland geschlossen haben.”

Selbst wenn man berücksichtigt, dass Medien sich in manchen, seltenen Fällen der Staatsraison unterzuordnen haben, um das Leben und die Gesundheit von zum Beispiel Geiseln nicht zu gefährden: doch dieses allgemeine, kritiklose und unkommentierte Übernehmen von Meldungen aus dem Bundespresseamt zeigt kein gutes Bild der Presse. Und wie schlecht der Ruf der Medien in der Ukraine-Krise ist, zeigen häufig die Kommentare unter den Artikeln. So hat der oben genannte Tagesschau-Artikel rund 350 Kommentare, dessen Quintessenz lautet: “Es muss lauten: Inoffizielle deutsche Militärbeobachter wurden aus ihren Sicherheitsgewahrsam entlassen und sind nach D zurück gekehrt” während der Artikel weiterhin von OSZE-Militärbeobachtern spricht.

Sogar das CSU-Urgestein Peter Gauweiler übt deutliche Kritik an diesem – offiziell weiterhin als OSZE-Beobachtung bezeichneten – Militärspionageeinsatz der deutschen Bundeswehr: “Der ganze Vorgang macht … für die Bundeswehr einen unguten Eindruck.”

Beim Empfang der Offiziere auf dem Berliner Flughafen Tegel sagte die Verteidigungsministerin von der Leyen, dass es bei der Mission darum gegangen sei, herauszufinden, wie das militärische Potential in der Ukraine sei, “damit auch die Diplomatie weiß, wie sie es einzuschätzen hat.” Das klingt sehr fragwürdig, wird aber von keinem der Journalisten vor Ort hinterfragt. Niemand stellte die Frage, ob es nicht vielleicht viel mehr darum ging, das Potential der Separatisten auszuloten, um dass den ukrainischen Streitkräften und der NATO mitzuteilen. “Dann hätten die Separatisten” – egal, wie man zu ihnen steht – “die als Zivilisten verkleideten Bundeswehrsoldaten zu Recht als Spione gefangen genommen” schreibt ein kritischer Journalist auf seiner privaten Facebook-Seite.

Doch in den großen deutschen Leitmedien ist für Kritik oder auch nur den Versuch des Anscheins einer objektiven Berichterstattung wenig Platz. Zwar beginnen heute einige Zeitungen damit, die offiziellen Erklärungen der Bundesregierung in Frage zu stellen; doch bleibt es bei eher vorsichtigen Äußerungen. Nur der schweizer Tagesanzeiger bringt den Mut auf, zu schreiben, dass durch diese Bundeswehrmission das Ansehen der OSZE dauerhaft beschädigt wurde. Diese Fehl- und Halbinformationen bringen viele Leser und andere Medienkonsumenten dazu, in Kommentaren oft heftig zu reagieren.

Wie groß die Kritik an der Berichterstattung ist, zeigt sich vor allem an der Nervosität der Medien im Umgang mit eben dieser Kritik. Das Erste ist sich nicht zu Schade, die Kritiker seiner Berichterstattung pauschal als “Faschistenfreunde” und russlandfreundlich zu bezeichnen. Das ist nicht nur peinlich, sondern ein Eingeständnis des eigenen Versagens.

Der Gedanke, dass diese Desinformation nicht dem Unwissen der Medienleute zuzuschreiben ist, sondern gewollt und gezielt eingesetzt ist, macht die Angelegenheit nicht übersichtlicher. In der Kabarettsendung(!) “Die Anstalt” am letzten Dienstag wurde eine Verflechtung zwischen den sog. “Leitmedien” und dem transatlantischen Bündnis aufgezeigt.

Diese enge Zusammenarbeit zwischen einigen wichtigen Journalisten und anderen Eliten unserer Gesellschaft zeigt auch eine aktuelle Studie auf, die Uwe Krüger, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Kommunikations- und Medienwissenschaft der Universität Leipzig, erstellt hat. In einem Telepolis-Interview sagt Krüger: “Ich habe im Internet und durch Anfragen an Organisationen Personendaten gesammelt und diese netzwerkanalytisch verarbeitet. Das ergibt dann Grafiken mit größeren und kleineren Punkten und Verbindungslinien dazwischen, und man sieht, wer wie zentral in einer sozialen Umgebung liegt und wer in wie vielen Zusammenhängen auf welche Leute trifft. ”

Diese Verquickung macht unabhängige und kritische Journalisten regelrecht hilflos. So schreibt Daniel Bröckerhoff: “Ich finde es in Ordnung, wenn Journalisten eine Haltung, einen Standpunkt, eine Ideologie haben und diese vertreten. Einen objektiven Journalismus gibt es nicht. Aber sich so dermaßen für eine Sache zu engagieren, dass man Vereine gründet und mit ihnen und seinem Medium für eine bestimmte Sache kämpft halte ich einfach für falsch. (…) Ein Claus Kleber müsste somit nach jeder Moderation, die das Thema “transatlantische Beziehungen” berührt sagen, dass er Mitglied in einem Verein zur Förderung genau dieser Beziehungen ist.”

Nic

[Erstveröffentlichung: hpd]

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