Neulich im Kino:Auf der Leinwand: Junge Menschen und alte Menschen, Männer und Frauen, mit und ohne Kopftuch, zu tausenden, zehntausenden auf den Straßen. Sie halten Plakate, schwenken Fahnen und Banner, singen, skandieren Parolen, fordern freie und faire Wahlen. Ein Zeitzeuge berichtet: „Die ganze Welt, CNN, BBC, Al Jazeera, alle berichteten live von den Protesten. Nur im Nationalfernsehen waren stundenlang Tierfilme zu sehen.Dann ein Newsflash auf der Leinwand: Telefonleitungen werden gekappt, Internet- und SMS-Dienste blockiert.Dann Schüsse und undeutliche Bilder von Handy-Kameras. Menschenmassen geraten aneinander, Rauchschwaden, Schreie, Sirenen, man sieht, wie verletzte Menschen von der Straße getragen werden.
Was mich in diesen ersten paar Minuten in meinem Kinosessel am meisten erschreckt, ist das Gefühl von Déjà-vu. Hatte ich nicht gerade vor ein paar Wochen genau diese Bilder wie gebannt verfolgt? Aber nein, in dem Film, der da vor mir läuft, geht es nicht um Kairo, nicht um die ägyptische Revolution. Der Film heißt „The Green Wave“ und erzählt von der Grünen Revolution im Iran, im Frühjahr 2009. Und doch – gerade diese ersten Bilder – die friedlichen Proteste, die Plakate, die Hoffnung in den Augen der Menschen, das alles kommt mir doch nur allzu bekannt vor. Genauso wie die Bilder der ersten Ausschreitungen, die zivilen, sicher gekauften Schergen, die erbarmungslos einknüppeln auf Kinder, auf Frauen, auf alte Männer. Doch dann, dann kippt es, und wird – bedrohlich – zu einer Version, wie sie sich in Kairo auch hätte abspielen können. Waren die Menschen grad noch voll Hoffnung, jubelten sie Mir Hussein Mussawi, dem Oppositionspolitiker und Herausforderer Ahmadinedschads entgegen, folgt die Stille – und der Schock. Ahmadinedschad gewinnt die Wahlen, gefälschte Wahlen – mit 67%. „Der Mubarak wird sich gewinnen lassen, vielleicht so mit 60%, damit es nicht ganz so dreist aussieht nach den Demonstrationen.“ Das hatte jemand zu mir gesagt, am Anfang der Proteste in Kairo, als Mubarak noch im Amt und rücktrittsunwillig war. Ahmadinedschad hat es getan, genau so. Und die Proteste gingen weiter, blutiger, schlimmer, brutaler denn je. Das Militär, die Polizei und die Geheimpolizei greifen zu Mitteln, die jenseits all dessen stehen, was der friedensverwöhnte Westeuropäer für möglich hält. Und die Welt – schweigt. „Demokratie ist ein Lippenbekenntnis des Westens“, sagt Payam Akhavan, ein UN-Beauftragter an einer Stelle des Films. „Ein schönes Konzept, solange es sie selbst nicht einschränkt.“Auch das erinnert mich an die letzten Wochen. Haben wir denn nichts dazu gelernt?
„The Green Wave“ ist kein klassischer Dokumentarfilm. Regisseur und Autor Ali Samadi Ahad vereint authentisches Material, Interviews mit Dissidenten und Aktivisten, und gezeichneten, comicartigen Passagen (eindrücklich umgesetzt von Zeichner Ali Reza Darvish). Diese Comicpassagen sind unterlegt mit Texten aus echten Blogs aus der Zeit von Frühjahr bis Dezember 2009. Die Zeichnungen, die Blogtexte, die klugen Interviews und die fantastische Musik von Ali N. Askin machen den Film zu einem Kunst-Stück im wahrsten Sinne. Die Intensität der Bilder und Texte ist kaum auszuhalten, und mir stehen nach der ersten halben Stunde die Tränen in den Augen.Gemischte Tränen sind das, wie seit Wochen schon. Tränen über die Schönheit und Würde und Glanz und Kraft, die der Gedanke an Freiheit bei den Menschen auslöst. Tränen der Wut darüber, wie viele Menschenleben die Beschneidung dieser Freiheit einem autoritärem Regime wert sind. Tränen der Wut auch darüber, dass wir es mit der ewigen Wiederkehr des Gleichen zu tun haben, dass Wegschauen offenbar bei den westlichen Mächten immer Punkt Eins im Handbuch der Verhaltensweisen darstellt.
Als Blogger und Aktivist Mehdi Mohseni am Ende des Films mit brüchiger Stimme sagt, dass er sich manchmal fragt, wenn er mit der S-Bahn durch Köln fährt (da lebt er nun im Exil) und junge Menschen wie sich selbst bei ihren Wochenendaktivitäten beobachtet, ob diese jungen Leute sein Land, den Iran, überhaupt auf der Landkarte zeigen können, brechen bei mir alle Dämme. Nicht nur, weil ich mich die ganzen letzten Wochen über dasselbe gefragt habe, was Ägypten, Libyen, Bahrein und Tunesien angeht, sondern auch, weil ich mich schäme. Ob meiner kurzen Aufmerksamkeitsspanne. Denn die Revolution im Iran, die im Gegensatz zu Ägypten (zumindest im Moment – inshallah) nicht gut und nicht friedlich ausgegangen ist, und keinesfalls beendet, ist gerade mal 18 Monate her. Und wer erinnert sich noch an diese Bilder?
Dieser Tage dominieren – völlig zurecht! - Bilder aus Japan die Nachrichten. Aber in Libyen, Bahrein und Ägypten gehen die Kämpfe weiter. Lasst uns das nicht vergessenUnd geht euch alle „The Green Wave“ anschauen!!
Wer sich darüber hinaus informieren möchte, wie die Situation im Iran derzeit ist, kann das hier tun.
Was mich in diesen ersten paar Minuten in meinem Kinosessel am meisten erschreckt, ist das Gefühl von Déjà-vu. Hatte ich nicht gerade vor ein paar Wochen genau diese Bilder wie gebannt verfolgt? Aber nein, in dem Film, der da vor mir läuft, geht es nicht um Kairo, nicht um die ägyptische Revolution. Der Film heißt „The Green Wave“ und erzählt von der Grünen Revolution im Iran, im Frühjahr 2009. Und doch – gerade diese ersten Bilder – die friedlichen Proteste, die Plakate, die Hoffnung in den Augen der Menschen, das alles kommt mir doch nur allzu bekannt vor. Genauso wie die Bilder der ersten Ausschreitungen, die zivilen, sicher gekauften Schergen, die erbarmungslos einknüppeln auf Kinder, auf Frauen, auf alte Männer. Doch dann, dann kippt es, und wird – bedrohlich – zu einer Version, wie sie sich in Kairo auch hätte abspielen können. Waren die Menschen grad noch voll Hoffnung, jubelten sie Mir Hussein Mussawi, dem Oppositionspolitiker und Herausforderer Ahmadinedschads entgegen, folgt die Stille – und der Schock. Ahmadinedschad gewinnt die Wahlen, gefälschte Wahlen – mit 67%. „Der Mubarak wird sich gewinnen lassen, vielleicht so mit 60%, damit es nicht ganz so dreist aussieht nach den Demonstrationen.“ Das hatte jemand zu mir gesagt, am Anfang der Proteste in Kairo, als Mubarak noch im Amt und rücktrittsunwillig war. Ahmadinedschad hat es getan, genau so. Und die Proteste gingen weiter, blutiger, schlimmer, brutaler denn je. Das Militär, die Polizei und die Geheimpolizei greifen zu Mitteln, die jenseits all dessen stehen, was der friedensverwöhnte Westeuropäer für möglich hält. Und die Welt – schweigt. „Demokratie ist ein Lippenbekenntnis des Westens“, sagt Payam Akhavan, ein UN-Beauftragter an einer Stelle des Films. „Ein schönes Konzept, solange es sie selbst nicht einschränkt.“Auch das erinnert mich an die letzten Wochen. Haben wir denn nichts dazu gelernt?
„The Green Wave“ ist kein klassischer Dokumentarfilm. Regisseur und Autor Ali Samadi Ahad vereint authentisches Material, Interviews mit Dissidenten und Aktivisten, und gezeichneten, comicartigen Passagen (eindrücklich umgesetzt von Zeichner Ali Reza Darvish). Diese Comicpassagen sind unterlegt mit Texten aus echten Blogs aus der Zeit von Frühjahr bis Dezember 2009. Die Zeichnungen, die Blogtexte, die klugen Interviews und die fantastische Musik von Ali N. Askin machen den Film zu einem Kunst-Stück im wahrsten Sinne. Die Intensität der Bilder und Texte ist kaum auszuhalten, und mir stehen nach der ersten halben Stunde die Tränen in den Augen.Gemischte Tränen sind das, wie seit Wochen schon. Tränen über die Schönheit und Würde und Glanz und Kraft, die der Gedanke an Freiheit bei den Menschen auslöst. Tränen der Wut darüber, wie viele Menschenleben die Beschneidung dieser Freiheit einem autoritärem Regime wert sind. Tränen der Wut auch darüber, dass wir es mit der ewigen Wiederkehr des Gleichen zu tun haben, dass Wegschauen offenbar bei den westlichen Mächten immer Punkt Eins im Handbuch der Verhaltensweisen darstellt.
Als Blogger und Aktivist Mehdi Mohseni am Ende des Films mit brüchiger Stimme sagt, dass er sich manchmal fragt, wenn er mit der S-Bahn durch Köln fährt (da lebt er nun im Exil) und junge Menschen wie sich selbst bei ihren Wochenendaktivitäten beobachtet, ob diese jungen Leute sein Land, den Iran, überhaupt auf der Landkarte zeigen können, brechen bei mir alle Dämme. Nicht nur, weil ich mich die ganzen letzten Wochen über dasselbe gefragt habe, was Ägypten, Libyen, Bahrein und Tunesien angeht, sondern auch, weil ich mich schäme. Ob meiner kurzen Aufmerksamkeitsspanne. Denn die Revolution im Iran, die im Gegensatz zu Ägypten (zumindest im Moment – inshallah) nicht gut und nicht friedlich ausgegangen ist, und keinesfalls beendet, ist gerade mal 18 Monate her. Und wer erinnert sich noch an diese Bilder?
Dieser Tage dominieren – völlig zurecht! - Bilder aus Japan die Nachrichten. Aber in Libyen, Bahrein und Ägypten gehen die Kämpfe weiter. Lasst uns das nicht vergessenUnd geht euch alle „The Green Wave“ anschauen!!
Wer sich darüber hinaus informieren möchte, wie die Situation im Iran derzeit ist, kann das hier tun.