“Ich bin nicht verückt! Der Herr hat mir gesagt, du musst mir 20.000 Priester für China vorbereiten. Und hier sind 300.000!” Eine große Menge Jugendlicher, die Kiko Argüello während des katholischen Weltjugendtages in Madrid zuhören, springen auf und rennen zum Altar von Cibles. Dieses Spektakel zeigte sehr gut den Stil und die Effektivität des Camino Neocatecumenal, der Armee der neuen Evangelisierung der Katholischen Kirche in der Welt.
Ist sie eine katholische Sekte? Die beste Veranlagung dazu hat die Gruppierung. Eine Mischung aus Hysterie und Massenpsychose, ein Führer – Argüello wird auch gerne “lider” (Führer) genannt –, Geheimnistuerei, das sind die besten Voraussetzungen für eine fanatische Gruppierung, die man Sekte nennen kann. Zumindest bei der vorzitierten Messe in Madrid stand der spanische Kardinal Rouco Varela lächelnd daneben, denn die “Kikos” haben versprochen, dass ab sofort 5.000 junge Männer und 2.300 Mädchen in eine Besinnungsphase eintreten werden, um sich für den Beruf eines Priester oder Nonne zu entscheiden. Nachwuchs braucht die spanische Kirche ja, egal woher. Zwar erkennen erfahrungsgemäß bestenfalls 10% ihre “Berufung”, aber an diesem Abend geht es um die Show: “Hier sind wir, bereit für Christus” ruft Arguello aus.
Die “Kikos” sind inzwischen zu einer Macht in der katholischen Kirche herangewachsen. Dem “Opus Dei” sollen sie schon den ersten Rang abgelaufen haben. Der Vatikan hat die Statuten der Bewegung 2002 genehmigt. Die Bewegung soll missionieren, nicht nur bei den Ungläubigen, sondern auch bei den “lauen” Katholiken und anderen christlichen Religionen. Dabei gehen sie ähnlich wie die Evangelikalen in den USA vor. Ihre Stärke liegt in der Mobilisierung der Massen. Die spanischen Kirchenfürsten können sich auf die “Kikos” verlassen, am Weltjugendtag haben sie mit ihren Massen für die Jubelorgien gesorgt und sie sind bei Demonstrationen gegen die Regierung ein verlässlicher Stoßtrupp.
Inzwischen nehmen sie weltweit die Bischöfe in die Zange, um sie auf den rechten Weg zu bringen und im Vatikan gewinnen sie immer mehr an Einfluss. Der Papst, dem die Evangelisation sehr am Herzen liegt, schätzte die Bewegung, bekommt aber inzwischen wohl doch kalte Füße. Er bemängelt bei ihnen “Lehr- und Liturgiefehler” und auch den übertriebenen Führerkult.
Die “Kikos”, deren Ursprung in den Armenvierteln von Madrid liegt, haben kein Vermögen. Sie leben von “Almosen”. Man weiß nicht wie sie intern funktionieren. Seit der Anerkennung ihrer Statuten weiß man etwas mehr von ihnen, es soll aber äußerst schwierig sein, Zugang zu ihren Treffen zu bekommen. Der Führerkult ist unübersehbar, eine interne Opposition gibt es nicht.
Eine ehemalige Angehörige der Bewegung berichtet: “Ich bin beim “Camino” wegen einer Familienkrise eingetreten. Mein Ehemann war drogenabhängig und ich wusste nicht, was ich tun sollte. In meiner Pfarrei gab es eine Gemeinschaft und es ist wahr, dass die mir sehr geholfen haben. Am Anfang war alles gut. Aber im Laufe der Zeit merkten wir, dass wir nur noch unter uns waren, dass wir einen Teil unseres Lohnes abgeben mussten und nicht mit anderen Personen von ausserhalb über unsere Gottesdienste sprechen durften.” Fast alle, die die Bewegung verlassen haben, wollen nicht über ihre Zeit bei den “Kikos” sprechen. Die Armee der neuen Evangelisierung verfügt unter den Abtrünnigen nur über sehr wenig Sympathie.
Siehe auch:
Botschaft an die spanische Jugend: Glaubt an Christus und alles wird gut!
Die empörte Jugend bereitet sich auf den Papst vor
Informationsquelle:
El ejército de la nueva evangelización – público.es