Die Kernkraftwerke in Baden-Württemberg sind unsicher!

Von Aristo
Am 9. März, zwei Tage vor der Katastrophe in Japan, erschien eine vom BUND (Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland) in Auftrag gegebene Kurzstudie über den Sicherheitszustand von Philippsburg- 1 und - 2 sowie Neckarwestheim-1 und -2.
Studien sollen in der Regel die Ansicht des Auftraggebers unterstützen. Deswegen stehe ich Studien, von wem sie auch immer sein mögen, äußerst skeptisch gegenüber. Belegbare Fakten jedoch, lassen nur wenig Spielraum für Interpretationen.
Hier einige bemerkenswerte Passagen aus dieser Kurzstudie.
Neckarwestheim-1 (GKN-1), ein Druckwasserreaktor der Baulinie 2, soll nach Plänen des neuen Atomgesetzes mindestens 8 Jahre länger, also frühestens 2019 vom Netz gehen.
Philippsburg-1 (KKP-1), ein Siedewasserreaktoren der Baulinie 69, hätte Mitte 2012 abgeschaltet werden müssen und soll nun ebenfalls mindestens acht Jahre länger (bis2020) laufen.
Philippsburg- 2 (KKP-2), ein Druckwasserreaktor der Baulinie 3, (Vor-Konvoi-Anlage), ist schon mehr als 25 Jahre in Betrieb. Durch eine Laufzeitverlängerung um mindestens 14 Jahre bliebe die Anlage bis Mitte 2032 am Netz. Die Betriebszeit betrüge dann 47 Jahre – so lange ist bisher noch kein Atomkraftwerk weltweit in Betrieb.
Neckarwestheim-2 (GKN-2), Druckwasserreaktoren der Baulinie 4 (Konvoi-Anlage), dessen Laufzeit nach Plänen des neuen Atomgesetzes mindestens bis zum Jahr 2035 reichen soll also noch etwa 25 Jahre. Das entspräche einer Gesamtlaufzeit von ebenfalls 47 Jahren.

Spielt das Alter eines KKW eine entscheidende Rolle? Irgendwo habe ich diese Tage gelesen, das das Alter unwichtig sei, Hauptsache der Reaktor ist sicher.
Das ist eine Aussage, die an Naivität kaum zu überbieten ist. Natürlich spielt das Alter eines KKW eine Rolle. Technische Neuerungen und Erfahrungswerte die die Sicherheit verbessern, sind in alten KKWs doch gar nicht berücksichtigt und können wohl auch nicht berücksichtigt werden.
Aber noch entscheidender ist die Materialermüdung, da diese u.a. direkt mit dem Alter eines Bauteils zu tun hat.
Die Materialermüdung beschreibt einen langsam voranschreitenden Schädigungsprozess in einem Werkstoff unter Umgebungseinflüssen wie wechselnder mechanischer Belastung, wechselnder Temperatur, UV-Strahlung, radioaktiver Strahlung, eventuell unter zusätzlicher Einwirkung eines korrosiven Mediums.
Materialermüdung bedeutet, dass auch eine statisch unkritische Belastung (noch im elastischen Bereich, also noch unterhalb der Streckgrenze des Werkstoffs) zu einer Funktionsuntüchtigkeit (Ermüdungsrissbildung) oder auch zum Totalausfall (Ermüdungsbruch) eines Bauteils führen kann, wenn sie oft genug auf das Bauteil einwirkt.

Quelle: wiki
Unbestritten ist, das es Bauteile in einem KKW gibt die man weder austauschen noch überprüfen kann. Auch die Lebensdauer von Strahlenschutzbeton ist begrenzt.
Widerstand von Beton gegen radioaktive Strahlung
Durch Strahlenabsorption kann die Betontemperatur stark ansteigen; dabei kommt es neben der Entwässerung des Betons bereits bei Temperaturen zwischen 100 °C und 250 °C zu Festigkeitsverlusten des Betons von 20 % bis 25 %. Nach heutigem Wissensstand kann Neutronenstrahlung mit einer Fluenz von mehr als 1019 Neutronen/cm2 bzw. Gammastrahlung mit
einer Dosis über 2 · 1014 J/g zu einer Verschlechterung der mechanischen Eigenschaften führen (Festigkeit, Elastizitätsmodul, Wärmedehnzahl). Solche Strahlenbelastungen treten z.B. in
Reaktordruckbehältern auf.

Schwerbeton nach DIN 1045
Je älter ein KKW ist, umso wahrscheinlicher ist es, das ein Bauteil, welches weder ausgetauscht, noch überprüft werden kann, ausfällt!
Auch die neueren deutschen Atomkraftwerke, wie Philippburg-2 und Neckarwestheim-2, entsprechen nicht mehr dem heutigen Stand von Wissenschaft und Technik und wären bereits seit 1994 nicht mehr genehmigungsfähig.

Jede Verwässerung von Zulassungsstandards ist eine grobe Fahrlässigkeit.
Interessant ist in diesem Zusammenhang auch die Verflechtung der Betreiber mit den Prüfern der Anlage.
Rolle der Gutachterorganisation
Der TÜV SÜD unterstützt als Generalgutachter die baden-württembergische Aufsichtsbehörde u.a. bei mit Genehmigungs- und Änderungsverfahren sowie bei der Überwachung von Prüfungen.Einen Einblick in das Verhältnis von Aufsichtsbehörde und Gutachterorganisation gewährte ein Beitrag der ARD-Sendung Kontraste. Ein TÜV-Mitarbeiter hinderte seinen Auftraggeber, den Chef der Atomaufsicht Baden-Württemberg, an der Beantwortung einer Nachfrage zur problematischen Prüfbarkeit des Reaktordruckbehälters (siehe Anhang A, Kap.
A 1.2).
Nach Meinung des ehemaligen Abteilungsleiters für Reaktorsicherheit im BMU sei eine unabhängige Kontrolle durch den TÜV schwer vorstellbar. Denn wenn der TÜV beurteilen soll, ob eine Anlage noch weitere Jahre betrieben werden kann oder ob Sicherheitsbedenken dagegen sprechen, wird die Entscheidung des TÜVs durch die Frage beeinflusst, ob er sich innerhalb dieser Jahre ein Geschäftsfeld erhält oder dieses verliert. „Unabhängig“ kann der TÜV Süd, eine Aktiengesellschaft, schon aus folgendem Grund nicht sein: Rund 75 % der Aktien der TÜV-Süd AG hält der TÜV Süd e.V., Mitglieder dieses Vereins sind unter anderem EnBW (Betreiber der Atomkraftwerke Philippsburg und Neckarwestheim) sowie Eon und Vattenfall

„ Ein TÜV-Mitarbeiter hinderte seinen Auftraggeber, den Chef der Atomaufsicht Baden-Württemberg, an der Beantwortung einer Nachfrage zur problematischen Prüfbarkeit des Reaktordruckbehälters.“
Folgendes spielte sich ab:
Bei dem Interview sagte der Vertreter der Aufsichtsbehörde Baden-Württemberg auf eine Frage zur Prüfung der Schweißnähe des Reaktordruckbehälters „Während des Betriebs wird der Behälter regelmäßig alle paar Jahre überprüft und zwar nach den jeweils neuesten geltenden Prüfstandards.“
Der Interviewer entgegnete:
Dort, wo ich nicht hinkomme, kann ich nicht prüfen.“
Während der Behördenmitarbeiter nickt und halb zustimmend, halb ratlos das Gesicht verzieht, ruft aus dem Hintergrund ein TÜV-Mitarbeiter
„Cut… wir haben gesagt: Keine Nachfragen!
Das Interview wird an dieser Stelle beendet.

Hier ist dringend eine völlig unabhängige Gutachterorganisation notwendig!
Nachrüstungen können das Sicherheitsniveau in Neckarwestheim-1 und Philippsburg-1 nur unwesentlich erhöhen. Aber gerade weil sich wesentliche Defizite durch Nachrüstungen nicht beheben lassen, müsste im Falle eines Weiterbetriebs zumindest alles versucht werden, um durch technische Nachrüstungen (z. B. hinsichtlich Notkühlung, Notstromversorgung, Bruchausschluss, Brandschutz) eine Verbesserung hinsichtlich der Beherrschbarkeit und Vermeidung von potenziellen Störfällen zu erreichen. Auch die neueren Anlagen Neckarwestheim-2 und Philippsburg-2 entsprechen bei weitem nicht den Anforderungen, die an neue Reaktoren gestellt werden. Dies ist angesichts der nach derzeitigen Plänen noch langen Betriebszeit ein Problem.

Die komplette Studie im PDF-Format gibt es hier.