Die Karossen der «Tatort»-Kommissare
Was für ein Sonderling, was für ein sonderbarer Fall: Ulrich Tukurs zweiter Tatort als Kommissar Felix Murot hat das Krimipublikum gestern Abend sicherlich gespalten. Die einen werden entsetzt gewesen sein, die anderen begeistert. Denn so einen irren Tatort wie Das Dorf gab es noch nie in der Geschichte der ARD-Krimireihe.
In einem Punkt sind die Zuschauer aber gewiss einer Meinung: Murot hat einen exklusiven Auto-Geschmack. Als Ermittler des Landeskriminalamtes (LKA) Wiesbaden ist er mit einem Ro 80 auf Hessens Straßen unterwegs – ein Modell, das 1967 von den NSU Motorenwerken entwickelt wurde und verhältnismäßig schnell auf dem Schrotthaufen der Automobilgeschichte landete.
Tukur wollte den Wagen unbedingt für seinen Tatort-Kommissar Murot, obwohl «dieses Auto eigentlich kein Auto ist, sondern eine charmante Ingenieursidee (Designer war Claus Luthe, Anmerkung der Redakion), die nie wirklich funktioniert hat.» Damit spielt der Schauspieler auf die Probleme an, die Ro-Fahrer der 1970er Jahre plagten: Oft kam es an dem Modell zu Triebwerksschäden wegen eines Konstruktionsfehlers am Kreiskolbenmotor.
Nach der Übernahme der NSU durch Audi wurde der Wagen noch einige Jahre weitergebaut und dann eingestellt. Überlebt hat das hintere Dreiecksfenster, das noch heute für Audi-Modelle charakteristisch ist. Die Macken des Autos bekam auch Tukur während der Dreharbeiten zu spüren. Einmal ließ sich der Wagen nicht mehr starten – es lag an den Zündkerzen, wie sich herausstellte.
Mit dem Oldtimer, den das Filmteam für die Dreharbeiten von einem privaten Besitzer aus Hessen mietet, steht Tukur in Sachen Dienstwagen in der großen Tatort-Familie ziemlich alleine da. Sein Kölner Kollege Freddy Schenk alias Dietmar Bär ist einer der wenigen, die einen ähnlich individuellen Geschmack haben. Schenk gönnt sich gelegentlich einen Verbrecher-Boliden aus dem Fundus der Polizei – darunter eine 64er Corvette oder einen 1966er Plymouth Valiant Signet Convertible. Der rundliche Ermittler ist halt ein echter Nostalgiker – im Gegensatz zu seinem Teamkollegen Max Ballauf alias Klaus J. Behrendt, der einem VW Passat den Vorzug vor dem Oldtimer gibt.
Überhaupt geht es in den Tatorten überwiegend gediegen und unspektakulär zu. Die Kommissare fahren meist mehr oder weniger aktuelle Modelle deutscher Hersteller. So steigen Lena Odenthal (Ulrike Folkerts) in Ludwigshafen oder Inga Lürsen (Sabine Postel) in Bremen in einen BMW, die Berliner Ritter (Dominic Raacke) und Stark (Boris Aljinovic) sind wie Klara Blum (Eva Mattes) in Konstanz in Mercedes-Modellen unterwegs, und bei Charlotte Lindholm (Maria Furtwängler) steht Volkswagen hoch im Kurs. Auch ihr Kieler Kollege Borowski fährt VW, aber da ist immerhin mal ein alter Passat mit Gasbetankung dabei, den Axel Milberg liebevoll «mein Brauner» nennt.
Kostenlose Fahrzeugbeistellungen oder, wie es übergreifender heißt, Produktplatzierungen sind üblich im deutschen TV (die aktuelle Stromberg-Staffel bei Pro7 ist dafür ein Paradebeispiel) – und erlaubt. Demnach dürfen einzelne Produkte in vornehmlich unterhaltenden und fiktionalen Programmen platziert werden, sofern dies redaktionell gerechtfertigt ist. Allerdings darf bei der Darstellung dem Produkt «keine auffällige Stellung im Sendungsverlauf eingeräumt» werden, eine werbliche Darstellung – zum Beispiel in Form von lobenden Dialogen außerhalb der Handlungslogik – ist verboten.
Der fahrbare Untersatz kann aber durchaus zur Charakterzeichnung der Ermittlerfiguren beitragen, was im Münsteraner Tatort zu wundervollen Zuspitzungen führt. So zwängten sich Thiel (Axel Prahl) und Boerne (Jan Josef Liefers) in der Folge Höllenfahrt in Alberichs (ChrisTine Urspruch) kleinen Fiat 500 und in der Episode Ruhe sanft hocken beide auf engstem Raum im Kofferraum eines Leichenwagens.
Welcher Tatort-Kommissar fährt welchen Dienstwagen? In unserer Bilderstrecke erfahren Sie es.
Hier lesen Sie die Rezension der HR-Tatort-Episode Das Dorf.
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Dienstwagen-Affären – Die Karossen der «Tatort»-Kommissare