Warum also die Arbeit von Fotojournalisten so sehr in die Grauzone hineinkriminalisieren? Wenn sich dann noch ein Richter mit Realitätsbezug findet, endet ein etwaiges Gerichsverfahren in der Sache etwa so:
»Herr Anwalt, richten Sie Ihrer Mandantin, der Kanzlerin, bitte aus, dass sie nun mal so aussieht wie sie aussieht. Das ist nicht Bloßstellung, bloß der Eindruck, den sie in dem Moment vermittelte. Sie können es doch dem Fotographen nicht vorwerfen, dass sie zuweilen so gewöhnungsbedürftig guckt.«
»Herr Vorsitzender, der Mann hätte ja nicht auslösen müssen.«
»Herr Anwalt, Ihre Mandantin hätte auch kein blödes Gesicht machen müssen.«
Deswegen frage ich ja: Wo fängt Blöße an? Es gibt Leute, die sehen immer bloßgestellt aus. Sogar wenn sie ganz im Gegenteil aussehen möchten. Meist stellt sie dieser Versuch erst recht bloß. In der Bundesregierungen finden sich viele dieser Sorte. Man dürfte sie also gar nicht mehr bildlich erwähnen. Aber die Öffentlichkeit hat schließlich einen Anspruch auf Fotos von »Personen der Zeitgeschichte«. Was wiegt letztlich mehr: Dieser Anspruch auf Information oder das Bloßstellungsverbot?
Es ist doch immer dasselbe, wenn deutsche Regierungen anfangen wollen, die komplexen Erscheinungen der neuen Medien regulieren zu wollen. Dann schaffen sie keine Rechtssicherheit, sondern einen Komplex, in dem man zwischen »strafrelevanter Handlung«, Legalität oder Grauzone kaum unterscheiden kann. Die gesamte Debatte um das Leistungsschutzrecht war schon derart marmoriert mit grauen Nischen, dass es ein einziges Grauen war. Und überhaupt ist es ja nicht so, dass man gegen die Verbreitung von (bloßstellenden) Fotos durch Dritte, heute nichts machen könnte. Persönlichkeitsrechte gibt es heutigentags schon. Warum jetzt dieses »Seht-her-wir-handeln!«, dieses wichtigtuerische Dramatisieren?
Was jetzt im Abklang der Edathy-Geschichte geschieht, ist die Etablierung von Prüderie und Spießigkeit. Es sind beabsichtige Gesetze, die nicht durchdacht sind, sondern einfach in einer Art von »spätviktorianischen Geist« entworfen wurden. Noch mehr Regeln, die nicht klar sind, sondern Auslegungssache. Noch mehr interpretatorische Arbeit. Noch mehr Gerichte und Juristen, die deuten und umdeuten, die die Bloßstellung entkräften oder beweisen wollen. Und wieder mal ein Minister, der durch halbgaren Aktionismus und hausbackener Moralapostelei auffällt.
Fotographiert den Mann ja nicht - er ist auf seine Art ein Bloßgestellter. Schon als er damals beim »Focus« in seinem Blog »Maas-Arbeit« pro Schröder und seine Reformen schrieb, stellte er sich bloß. So jemanden kann man nicht mehr knipsen, ohne dass man ihn bloßstellt. So kopflos wie er jetzt herumfuchtelt mit Gesetzesplänen, die ihm die Kommentarspalten und die Meinungsmacher einflüsterten, entstellt er sich doch chronisch. Die bestehenden Gesetze hätten völlig ausgereicht. Und ein Kind in Badehosen macht noch keinen Porno.
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