Wenn es eines gab, dessen sich vor einem halben Jahr noch alle Beobachter des US-Wahlkampfs sicher waren, dann, dass Donald Trump niemals antreten würde. Der Immobilienmogul und Entertainer hatte schließlich schon in den letzten Wahlkämpfen immer wieder mit der Idee einer Kandidatur geflirtet, ohne dass neben viel Selbstpromotion etwas dabei herausgekommen wäre. Zudem ist "The Donald" bisher nicht gerade durch substanzielle Ideen oder Politikerfahrung aufgefallen, sieht man einmal davon ab dass es ihm gelang, 2011 so viel Publicity für die absurde Idee zu erzeugen, dass Obama kein Amerikaner sei, dass dieser seine Geburtsurkunde veröffentlichte. Aber was heißt das bei Trump schon? Es brachte Quote. Um die Jahrtausendwende war er noch Democrat und ziemlich dicke mit den Clintons. Jetzt also Republican. Was hat sich geändert? Wer kann das schon sagen!
Als Trump dann im Foyer des Trump Tower seine Kandidatur bekanntgab, war die neue Interpretation, dass es letztlich ein großer Gag sei, um seine Bekanntheit zu steigern. Wenn es daran ginge, den Regularien der Kandidatur zu folgen und etwa sein Vermögen offenzulegen - ein Schritt vor dem Trump bisher immer zurückgeschreckt war, weil er seine Behauptungen von "zehn Milliarden Dollar" widerlegen könnte - würde er einen Rückzieher machen. Dann aber schoss Trump an die Spitze der Umfragen und hängte das gesamte republikanische Feld völlig ab. Rund ein Drittel der Umfragestimmen vereinigte er zu seiner besten Zeit auf sich. Nun war das nichts, was seit 2012 ein völlig unerwartetes Phänomen wäre, wo reiche Spinner ohne Substanz wie Herman Cain an die Spitze der Umfragen gelangten. Nur verschwanden diese nach zwei oder drei Interviews in einer Kaskade der Peinlichkeiten wieder von der Bildfläche.
Trump ist immer noch da. Zwei Debatten, unzählige Interviews und Features später kann er immer noch mit der gleichen Kernaussage brillieren: I'm really rich, and I'm going to make America great again. Die Begeisterung der Amerikaner für Gewinnertypen in allen Ehren, aber kann das alleine Trumps Attraktivität erklären? Keine Analyse könnte komplett sein ohne den Satz aus seiner Kandidatur: “When Mexico sends its people, they’re not sending their best. They’re not sending you. They’re not sending you. They’re sending people that have lots of problems, and they’re bringing those problems with us. They’re bringing drugs. They’re bringing crime. They’re rapists. And some, I assume, are good people.” Ein solcher Satz würde jeden anderen Kandidaten in Schimpf und Schande versenken. Trump nicht. Und das liegt an einem toxischen Cocktail, den Trump mitbringt.
Da ist zum einen das Geld. Ob Trump nun zwei, vier oder zehn Milliarden hat, er ist unabhängig von irgendwelchen externen Spendern. Der 69jährige kann, wenn er will, Jeb Bushs gewaltigen Wahlkampfkoffer von 150 Millionen Dollar aus der Portokasse stemmen. Ob die Spender, die überwiegend für mehr Immigration sind, seine Aussagen mögen kann ihm völlig egal sein.
Zum anderen braucht er auch nicht eine Sekunde darauf Wert zu legen, ob er sich für spätere Wahlen oder bei den anderen Republicans unmöglich macht. Trump versucht nicht, eine Koalition zu schaffen. Er kümmert sich nicht darum, ob er später eine Mehrheit im Kongress haben wird. Er kümmert sich nicht darum, ob er endorsements bekommt. Er kümmert sich nicht darum, ob er später die Unterstützung anderer Republicans im Wahlkampf haben wird. Als Fox die erste Debatte mit der Fangfrage begann, ob ein Kandidat nicht schwören würde, im Falle einer Niederlage keine unabhängige Kandidatur zu starten, hob Trump wie selbstverständlich die Hand. Loyalität gegenüber der Partei, um deren Nominierung er sich bewirbt, bedeutet ihm gar nichts.
Und zuletzt kennt Trump weder Grenzen noch Scham. Frauen die ihn kritisieren? Das ist die Periode. Marco Rubio? Schwitzt während der Debatte, wie eklig, so was will Präsident sein! Carly Fiorina? Man sehe sich mal nur dieses Gesicht an, wer würde schon dafür stimmen! Jeb Bush? Ist ein "low energy"-Typ. Arme? Alles Loser! Trump? Gewinner, und, natürlich, high-energy. Was normalerweise eher Hindernis als Erfolgsmerkmal sein sollte ist bei seinen Anhängern offensichtlich Ausweis seiner Qualifikation.
Was sehen die 20-30%, die in Umfragen angeben, für ihn stimmen zu wollen in Trump? Ein Teil ist sicher die erwähnte Gewinner-Attitüde. Trumps Versprechen ist einfach: als Präsident wird er "so oft gewinnen, dass die Amerikaner vom Gewinnen gelangweilt sein werden". Alle Politiker, die gerade an der Macht sind, sind "Idioten" und "Loser". Trump packt damit in einfache und direkte Worte, was viele Menschen ohnehin denken.
Ein anderer Teil aber ist, dass Trump, ob durch Zufall oder Kalkül, eine Sollbruchstelle im politischen System der USA aufgedeckt hat, genauer gesagt im Gefüge der Republican Party. Die zwei widerstreitenden Machtzentren der Partei - die radikale Basis in den ländlichen Regionen und die reichen Netzwerke der Spender und Funktionäre in den Städten besonders der Küsten - haben stark unterschiedliche Ansichten auf einigen zentralen Politikfeldern. Zahllose Studien und Umfragen zeigen dies deutlich auf. Der Basis sind elaborierte Steuerpläne und Deregulierungen ziemlic gleichgültig. Der Spitze dagegen geht es kaum um Immigration und Medicare. Nur ist die Basis deutlich größer, wenngleich unartikulierter, als die Spitze. Und das bekommen frontrunner wie Jeb Bush, der unter den 10% in den Umfragen herumkrebst, gerade deutlich zu spüren. Tatsächlich sind viele Mitglieder der Basis Bernie Sanders in ihren ökonomischen Überzeugungen näher als Jeb Bush. Natürlich würden die weißen Südstaatler niemals die Democrats wählen, die für sie gottlose Verräter sind, die eine sozialistische Tyrannei errichten wollen. Aber gleichzeitig lieben sie ihre Parteielite nicht gerade, ein Gefühl, das durchaus auf Gegenseitigkeit beruhen dürfte, wie man im Rücktritt John Boehners gesehen hat.
In diese Wahrnehmungslücke stößt Donald Trump. Nicht, dass er einen Sozialstaat errichten wollte, den die Basis ohnehin nicht fordert. Die möchte gerne weiter ihre Rente gesichert sehen ohne dass die Schwarzen weiter food stamps bekommen, was sich aber nicht wirklich in echte Politik übersetzen lässt. Nur ist Trump so etwas egal. Er bietet der Basis ein Ventil für ihre unartikulierten Ressentiments. Die Spitze der Partei sind loser, die vor Obama einknicken (der selbst ein loser ist, der vor den Chinesen in die Knie geht, die er, Trump, ständig besiegt). Die Rente ist unsicher, weil zu viele illegale Einwanderer im Land sind, die den hart arbeitenden Leuten auch noch ihre Löhne wegnehmen. Dazu verlagern die amerikanischen Unternehmen Jobs nach Mexiko oder China was er, Trump, unterbinden würde, in einem persönlichen Telefongespräch mit dem CEO von General Motors. Es ist die schiere Chuzpe, die Trump so bestechend macht, die Einfachheit seiner Problembeschreibungen und Lösungen. Da stört es auch nicht, dass er bei vielen Fragen quer zur Parteiorthodoxie liegt, was normalerweise jeden Kandidaten versenken würde. Trump befriedigt tiefere Bedürfnisse als die nach ideologischer Reinheit.
Nur sind all diese Vorteile, die ihn aktuell - wo die Wahlen in Iowa noch fast ein halbes Jahr entfernt sind - zwar führen lassen, aber später ernsthafte Probleme bereiten. 20-30% ist mehr als irgendein anderer Kandidat auch nur annähernd auf die Waage bringt - jetzt, wo noch deutlich zweistellig Kandidaten aktiv sind. Wenn das Feld sich erst einmal auf drei oder vier reduziert und jeder von ihnen die aufgeben dem jeweils anderen Nicht-Trump seine Unterstützung zusichert, verliert Trump im besten Fall immer noch 70-30. Und das alles setzt voraus, dass er bis Juni 2016 durchhält, was eher unwahrscheinlich scheint, da sein Abwechslungsgehalt nicht eben groß ist.
Das Problem mit diesen absolut vernünftigen Vorhersagen ist, dass Trump eigentlich gar nicht hätte soweit kommen dürfen. Alle Theorien besagen, dass er längst hätte kollabieren müssen. Nur tut er es nicht. Und ganz ohne Präzedenzfall ist sein Aufstieg auch nicht, nur muss man dazu weiter in die Geschichte zurückgehen als das primary-System alt ist, was historische Vergleiche sehr erschwert. Der letzte wirklich (selbst für seine Partei) radikale republikanische Kandidat war Barry Goldwater 1964, der aber eine ordentliche und schlagkräftige Basis in der Partei und im Süden hatte. Davor müssen wir eigentlich ins 19. Jahrhundert zurückgehen, wo die Know-Nothing-Bewegung der American Party in den 1850er Jahren auf Basis einer Idee ähnlich Trumps reüssierte. Auch sie bauten vor allem auf radikale Immigrantenfeindlichkeit, wobei es damals freilich weniger gegen Mexikaner als gegen Iren und andere katholischstämmige Einwanderer ging. Fragte man sie nach konkreten Politikvorschlägen in diese Richtung, antworteten sie stets mit "I know nothing", woher der Name Know-Nothings kommt. Lästerzungen könnten behaupten, dass Trump auf Fragen wortreich letztlich auch keine andere Antwort gibt.
Ein letzter Erklärungsversuch des Trump-Phänomens wurde von Jamelle Bouille unternommen, der Trump mit dem republikanischen Gouverneur George Wallace verglich, der in den 1960er und 1970er Jahren mit einer Botschaft Wähler um sich scharte, die der Trumps sehr ähnlich sieht: reichlich unversteckter Rassismus und unverhohlene, simple Lösungen für das "Problem". Natürlich war Wallace trotz allen Extremismus im Gegensatz zu Trump ein Politiker, der in Amt und Würden gewählt worden war - aber der Politikansatz weist ebenso verblüffende Parallelen auf wie das Elektorat, denn sowohl Trump als auch Wallace sind nicht strikt auf die Basis der Republicans beschränkt. Eine Botschaft von protektionistischem Populismus und Ausländerhass kann zumindest auf Teile der Basis der Democrats ebenso anziehend wirken.
Zwar bleibt abschließend die Wahrscheinlichkeit einer Trump-Implosion höher als eines Durchhaltens bis zu der National Convention der Republicans im Juli und noch viel mehr seiner Nominierung. Die völlige Unberechenbarkeit Trumps, die vielleicht sogar für Trump selbst gilt, aber macht ihn zum Albtraum der Parteistrategen der Republicans, die keine Chance haben, ihn zu kontrollieren. Und wenn der Egomane am Ende doch entscheidet, eine unabhängige Kandidatur zu starten - vielleicht unter dem Vorwand irgendwelcher unfairen Behandlung durch die Partei - werden die Republicans die Wahl mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit verlieren, weswegen der Partei alles daran gelegen ist, Trump zu neutralisieren UND im Rennen zu halten - ein Drahtseilakt, der die Chancen des letztlichen Kandidaten in der eigentlichen Wahl deutlich beschädigen könnte. So oder so führt am Phänomen Trump so schnell kein Weg vorbei.
Als Trump dann im Foyer des Trump Tower seine Kandidatur bekanntgab, war die neue Interpretation, dass es letztlich ein großer Gag sei, um seine Bekanntheit zu steigern. Wenn es daran ginge, den Regularien der Kandidatur zu folgen und etwa sein Vermögen offenzulegen - ein Schritt vor dem Trump bisher immer zurückgeschreckt war, weil er seine Behauptungen von "zehn Milliarden Dollar" widerlegen könnte - würde er einen Rückzieher machen. Dann aber schoss Trump an die Spitze der Umfragen und hängte das gesamte republikanische Feld völlig ab. Rund ein Drittel der Umfragestimmen vereinigte er zu seiner besten Zeit auf sich. Nun war das nichts, was seit 2012 ein völlig unerwartetes Phänomen wäre, wo reiche Spinner ohne Substanz wie Herman Cain an die Spitze der Umfragen gelangten. Nur verschwanden diese nach zwei oder drei Interviews in einer Kaskade der Peinlichkeiten wieder von der Bildfläche.
Trump ist immer noch da. Zwei Debatten, unzählige Interviews und Features später kann er immer noch mit der gleichen Kernaussage brillieren: I'm really rich, and I'm going to make America great again. Die Begeisterung der Amerikaner für Gewinnertypen in allen Ehren, aber kann das alleine Trumps Attraktivität erklären? Keine Analyse könnte komplett sein ohne den Satz aus seiner Kandidatur: “When Mexico sends its people, they’re not sending their best. They’re not sending you. They’re not sending you. They’re sending people that have lots of problems, and they’re bringing those problems with us. They’re bringing drugs. They’re bringing crime. They’re rapists. And some, I assume, are good people.” Ein solcher Satz würde jeden anderen Kandidaten in Schimpf und Schande versenken. Trump nicht. Und das liegt an einem toxischen Cocktail, den Trump mitbringt.
Da ist zum einen das Geld. Ob Trump nun zwei, vier oder zehn Milliarden hat, er ist unabhängig von irgendwelchen externen Spendern. Der 69jährige kann, wenn er will, Jeb Bushs gewaltigen Wahlkampfkoffer von 150 Millionen Dollar aus der Portokasse stemmen. Ob die Spender, die überwiegend für mehr Immigration sind, seine Aussagen mögen kann ihm völlig egal sein.
Zum anderen braucht er auch nicht eine Sekunde darauf Wert zu legen, ob er sich für spätere Wahlen oder bei den anderen Republicans unmöglich macht. Trump versucht nicht, eine Koalition zu schaffen. Er kümmert sich nicht darum, ob er später eine Mehrheit im Kongress haben wird. Er kümmert sich nicht darum, ob er endorsements bekommt. Er kümmert sich nicht darum, ob er später die Unterstützung anderer Republicans im Wahlkampf haben wird. Als Fox die erste Debatte mit der Fangfrage begann, ob ein Kandidat nicht schwören würde, im Falle einer Niederlage keine unabhängige Kandidatur zu starten, hob Trump wie selbstverständlich die Hand. Loyalität gegenüber der Partei, um deren Nominierung er sich bewirbt, bedeutet ihm gar nichts.
Und zuletzt kennt Trump weder Grenzen noch Scham. Frauen die ihn kritisieren? Das ist die Periode. Marco Rubio? Schwitzt während der Debatte, wie eklig, so was will Präsident sein! Carly Fiorina? Man sehe sich mal nur dieses Gesicht an, wer würde schon dafür stimmen! Jeb Bush? Ist ein "low energy"-Typ. Arme? Alles Loser! Trump? Gewinner, und, natürlich, high-energy. Was normalerweise eher Hindernis als Erfolgsmerkmal sein sollte ist bei seinen Anhängern offensichtlich Ausweis seiner Qualifikation.
Was sehen die 20-30%, die in Umfragen angeben, für ihn stimmen zu wollen in Trump? Ein Teil ist sicher die erwähnte Gewinner-Attitüde. Trumps Versprechen ist einfach: als Präsident wird er "so oft gewinnen, dass die Amerikaner vom Gewinnen gelangweilt sein werden". Alle Politiker, die gerade an der Macht sind, sind "Idioten" und "Loser". Trump packt damit in einfache und direkte Worte, was viele Menschen ohnehin denken.
Ein anderer Teil aber ist, dass Trump, ob durch Zufall oder Kalkül, eine Sollbruchstelle im politischen System der USA aufgedeckt hat, genauer gesagt im Gefüge der Republican Party. Die zwei widerstreitenden Machtzentren der Partei - die radikale Basis in den ländlichen Regionen und die reichen Netzwerke der Spender und Funktionäre in den Städten besonders der Küsten - haben stark unterschiedliche Ansichten auf einigen zentralen Politikfeldern. Zahllose Studien und Umfragen zeigen dies deutlich auf. Der Basis sind elaborierte Steuerpläne und Deregulierungen ziemlic gleichgültig. Der Spitze dagegen geht es kaum um Immigration und Medicare. Nur ist die Basis deutlich größer, wenngleich unartikulierter, als die Spitze. Und das bekommen frontrunner wie Jeb Bush, der unter den 10% in den Umfragen herumkrebst, gerade deutlich zu spüren. Tatsächlich sind viele Mitglieder der Basis Bernie Sanders in ihren ökonomischen Überzeugungen näher als Jeb Bush. Natürlich würden die weißen Südstaatler niemals die Democrats wählen, die für sie gottlose Verräter sind, die eine sozialistische Tyrannei errichten wollen. Aber gleichzeitig lieben sie ihre Parteielite nicht gerade, ein Gefühl, das durchaus auf Gegenseitigkeit beruhen dürfte, wie man im Rücktritt John Boehners gesehen hat.
In diese Wahrnehmungslücke stößt Donald Trump. Nicht, dass er einen Sozialstaat errichten wollte, den die Basis ohnehin nicht fordert. Die möchte gerne weiter ihre Rente gesichert sehen ohne dass die Schwarzen weiter food stamps bekommen, was sich aber nicht wirklich in echte Politik übersetzen lässt. Nur ist Trump so etwas egal. Er bietet der Basis ein Ventil für ihre unartikulierten Ressentiments. Die Spitze der Partei sind loser, die vor Obama einknicken (der selbst ein loser ist, der vor den Chinesen in die Knie geht, die er, Trump, ständig besiegt). Die Rente ist unsicher, weil zu viele illegale Einwanderer im Land sind, die den hart arbeitenden Leuten auch noch ihre Löhne wegnehmen. Dazu verlagern die amerikanischen Unternehmen Jobs nach Mexiko oder China was er, Trump, unterbinden würde, in einem persönlichen Telefongespräch mit dem CEO von General Motors. Es ist die schiere Chuzpe, die Trump so bestechend macht, die Einfachheit seiner Problembeschreibungen und Lösungen. Da stört es auch nicht, dass er bei vielen Fragen quer zur Parteiorthodoxie liegt, was normalerweise jeden Kandidaten versenken würde. Trump befriedigt tiefere Bedürfnisse als die nach ideologischer Reinheit.
Nur sind all diese Vorteile, die ihn aktuell - wo die Wahlen in Iowa noch fast ein halbes Jahr entfernt sind - zwar führen lassen, aber später ernsthafte Probleme bereiten. 20-30% ist mehr als irgendein anderer Kandidat auch nur annähernd auf die Waage bringt - jetzt, wo noch deutlich zweistellig Kandidaten aktiv sind. Wenn das Feld sich erst einmal auf drei oder vier reduziert und jeder von ihnen die aufgeben dem jeweils anderen Nicht-Trump seine Unterstützung zusichert, verliert Trump im besten Fall immer noch 70-30. Und das alles setzt voraus, dass er bis Juni 2016 durchhält, was eher unwahrscheinlich scheint, da sein Abwechslungsgehalt nicht eben groß ist.
Das Problem mit diesen absolut vernünftigen Vorhersagen ist, dass Trump eigentlich gar nicht hätte soweit kommen dürfen. Alle Theorien besagen, dass er längst hätte kollabieren müssen. Nur tut er es nicht. Und ganz ohne Präzedenzfall ist sein Aufstieg auch nicht, nur muss man dazu weiter in die Geschichte zurückgehen als das primary-System alt ist, was historische Vergleiche sehr erschwert. Der letzte wirklich (selbst für seine Partei) radikale republikanische Kandidat war Barry Goldwater 1964, der aber eine ordentliche und schlagkräftige Basis in der Partei und im Süden hatte. Davor müssen wir eigentlich ins 19. Jahrhundert zurückgehen, wo die Know-Nothing-Bewegung der American Party in den 1850er Jahren auf Basis einer Idee ähnlich Trumps reüssierte. Auch sie bauten vor allem auf radikale Immigrantenfeindlichkeit, wobei es damals freilich weniger gegen Mexikaner als gegen Iren und andere katholischstämmige Einwanderer ging. Fragte man sie nach konkreten Politikvorschlägen in diese Richtung, antworteten sie stets mit "I know nothing", woher der Name Know-Nothings kommt. Lästerzungen könnten behaupten, dass Trump auf Fragen wortreich letztlich auch keine andere Antwort gibt.
Ein letzter Erklärungsversuch des Trump-Phänomens wurde von Jamelle Bouille unternommen, der Trump mit dem republikanischen Gouverneur George Wallace verglich, der in den 1960er und 1970er Jahren mit einer Botschaft Wähler um sich scharte, die der Trumps sehr ähnlich sieht: reichlich unversteckter Rassismus und unverhohlene, simple Lösungen für das "Problem". Natürlich war Wallace trotz allen Extremismus im Gegensatz zu Trump ein Politiker, der in Amt und Würden gewählt worden war - aber der Politikansatz weist ebenso verblüffende Parallelen auf wie das Elektorat, denn sowohl Trump als auch Wallace sind nicht strikt auf die Basis der Republicans beschränkt. Eine Botschaft von protektionistischem Populismus und Ausländerhass kann zumindest auf Teile der Basis der Democrats ebenso anziehend wirken.
Zwar bleibt abschließend die Wahrscheinlichkeit einer Trump-Implosion höher als eines Durchhaltens bis zu der National Convention der Republicans im Juli und noch viel mehr seiner Nominierung. Die völlige Unberechenbarkeit Trumps, die vielleicht sogar für Trump selbst gilt, aber macht ihn zum Albtraum der Parteistrategen der Republicans, die keine Chance haben, ihn zu kontrollieren. Und wenn der Egomane am Ende doch entscheidet, eine unabhängige Kandidatur zu starten - vielleicht unter dem Vorwand irgendwelcher unfairen Behandlung durch die Partei - werden die Republicans die Wahl mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit verlieren, weswegen der Partei alles daran gelegen ist, Trump zu neutralisieren UND im Rennen zu halten - ein Drahtseilakt, der die Chancen des letztlichen Kandidaten in der eigentlichen Wahl deutlich beschädigen könnte. So oder so führt am Phänomen Trump so schnell kein Weg vorbei.