(So, nu aber. Und Herr Stephan: Das nächste Mal bitte erst lesen und DANN kommentieren!
Dies ist nicht der letzte Beitrag hier. Ich warte noch auf die WordPress-Elfen für den Jahresbericht mit Feuerwerk. Den poste ich noch und danach dann als allerletzten Beitrag nochmal einen typisch mollyhumorigen Beitrag. Ist schöner, sich mit einem Lächeln zu verabschieden.
Ich betrachte mich als einen optimistischen Menschen. Mit Erwartungen und Ansichten manchmal etwas über der Realität, aber wie soll man etwas Neues wagen oder etwas besser machen, wenn man sich nicht einmal traut, es zu träumen?
Meine Welt war lange voll verschiedener Grautöne, ohne jedoch den Blick für Schwarz und Weiß zu verlieren. Nur mir selbst habe ich das nie so recht gestattet. Immer hatte ich das Gefühl, mir manche Dinge nicht erlauben zu dürfen; dazu gehört Zorn.
Junge Menschen sind oft wütend, manche sogar zornig. Auf sich, auf die Welt, auf alles und jeden. Gefühlsvulkane, angetrieben von unzähligen Hormonen und dem sich-Befreien aus dem Kokon der Kindheit.
Zorn ist ebenso wie Arroganz ein Vorrecht der Jugend, und wir sehen es ihnen oft nach. Und wer, mal ganz salopp gefragt, verfügt über mehr Antriebskraft, als junge Menschen?
Bahnbrechende Erfindungen und Forschungen werden oft von Menschen unter 30 gemacht, auch im künstlerischen Bereich. Auch Revolutionen?
Ich für mich habe meinen Zorn über die Jahre abgelegt und habe mich bemüht „erwachsen“ zu werden. Dadurch habe ich Vieles hingenommen, was niemand hinnehmen sollte. Habe mich nicht gewehrt, als ich es hätte tun sollen. Erst durch die Geburt meiner Kinder habe ich wieder gelernt, mich – zumindest, wenn es dann um die Kinder ging – durchzusetzen.
Moment Mal: Um sich durchzusetzen, braucht es doch keinen Zorn! Gute Argumente, also Vernunft. Und ja, Selbstvertrauen ist auch nicht schlecht Aber Zorn?
Klingt cholerisch, klingt nach „sich mit Gewalt durchsetzen“, und genau das dachte ich viele Jahre lang. Ich habe mir selbst meinen Zorn verboten, mich selbst gemaßregelt und zensiert: Ein vernünftiger, erwachsener Mensch darf nicht zornig sein!
Verständnis für alles und jeden, nur nicht für mich selbst.
In diesem Jahr – bzw. nach und nach über die letzten 2 Jahre – habe ich meinen Zorn wiederentdeckt. Mein Schwarz-Weiß. Jetzt arbeite ich daran, es zuzulassen.
Zorn ist mehr als Wut und weniger als Haß. Zorn ist nicht blindwütig und im Affekt, Zorn braucht Zeit. Zorn sollte nicht um sich schlagen und zerstören, nicht vergiften und nicht verbittern.
Zorn ist (Antriebs-)Kraft, ist ein sich-Aufbäumen gegen das vermeintliche Schicksal, ist Potential.
Kein Resignieren mehr. Kein Hinnehmen mehr. Es gibt Dinge, die man nicht ändern kann, aber dann kann man anderes verändern.
Ich würde sogar so weit gehen zu behaupten, dass mir der Zorn hilft, nicht zu hassen. Indem ich mir selbst erlaube, diese Gefühle zu- und auch einmal rauszulassen, können sie nicht in mehr schwelen.
Wut ist blind und Haß ist immer im Unrecht. Zorn lässt sich überlegen und lenken.
Ich weiß, es gibt viele Menschen, denen es schlechter geht oder ging als mir mit meinem Knie. Wie lässt sich so etwas vergleichen?
Am besten gar nicht; für mich war es schlimm, das genügt.
Viele von Euch haben „Das Knie-Epos“ verfolgt. Jetzt frage ich mal: Was soll ich darüber denken? Soll ich froh, dankbar und glücklich sein, dass Dr. Wunderarzt die richtige Diagnose getroffen hat und mein Knie wieder heile ist? Aber sicher doch!
Aber da ist auch Zorn, ein riesiger, finsterer, schreiender Zorn. Er überwiegt die Freude nicht, aber er war meine erste Reaktion auf die „neue“ Diagnose: Zorn.
Oder besser: Erstmal blinde Wut. Zweieinhalb Jahre, in denen ich entweder vor Schmerzen geheult habe oder mich den ganzen Tag nicht vom Sofa wegbewegt habe. Zweieinhalb Jahre, in denen ich so gut wie nichts Wildes mit meinen Kindern gemacht habe, kein Fangen spielen, kein rumkabbeln, nichts. Oft nichtmal ein einfacher Spaziergang oder ein Besuch auf dem Spielplatz, wenn Herr L. nicht da war, weil ich im Fall X nicht schnell genug hinter den Kleinen her gekommen wäre.
All das habe ich hingenommen und mich damit versucht zu arrangieren. Weil es halt so war.
War es nicht.
Wie – kann mir das mal einer erklären, ich rall es nämlich einfach nicht! – kann es sein, dass nicht nur ein Arzt, sondern gleich eine Handvoll Ärzte, Chirurgen, die noch dazu DRIN waren in dem Knie mir einen von wegen Kreuzbandriß (und nie wieder geliebtem Kampfsport) erzählen können, OBWOHL ES VÖLLIG INTAKT IST?
Zweieinhalb Jahre Schmerzen, Einschränkungen und eine menschliche „Behandlung“, für die man sich bald nur noch fremdschämen kann – FÜR NICHTS!
Möchte jemand in eine Zeitmaschine steigen, zurückreisen und anwesend sein, als ich nach der „neuen“ Diagnose hier zu Hause ankam? Da war nichts mit strahlendem Glück, ich habe getobt! Ich habe geschrien! Vor Wut, vor Frust, vor Verbitterung!
Habe es rausgelassen.
Und habe mir geschworen. Dieses Mal nicht! Dieses Mal reicht es, dieses Mal lasse ich meine Wut nicht einfach wieder verrauchen. Ich kann mich über das „Wunder“ freuen, dass mein Knie wieder ganz gesund ist und gleichzeitig zornig sein. Ich habe ein Recht darauf! Ich muss nicht mehr (wie etwa bei den früheren Unfallberichten hier) versuchen, für alles und jeden Verständnis aufzubringen, mich in dessen Lage zu versetzen. Zu verzeihen.
Ich kann und ich darf auch einfach mal sagen: Das waren blöde, inkompetente Arschlöcher!
Ich darf zornig sein – und ich darf es bleiben.
Das waren zweieinhalb Jahre meines Lebens, verdammt, so viel Schmerz und Kummer.
Ich darf zornig sein.
Und ich werde diesen Zorn nutzen. Ich werde mir davon nicht das Schöne im Leben kaputt machen lassen. Ich werde ihn nicht zum Haß anschwellen lassen. Aber ich werde ihn hüten und in Stärke verwandeln. Ich habe meine Lektion gelernt und ich werde mich nie_wieder von irgendeinem Arzt oder sonstwas so behandeln lassen. Ich werde – und das tut mir in der Seele weh – nie wieder einem Arzt irgendetwas einfach so glauben. Nie wieder, das ist vorbei.
Auch in anderen Belangen habe ich mich oft von anderen viel zu schlecht behandeln lassen. Besonders bei einer Person hat es über 10 Jahre gedauert, bis ich gesagt habe: „Halt! JETZT reicht es!“
Ich habe mir viel zu lange und viel zu oft einreden lassen, wie scheiße und schäbig und dumm ich bin, habe mich innerlich vergiften lassen. Dass ich nichts könne und nichts tauge. Auch da hat mir der Zorn geholfen, endlich einen Schlußstrich zu ziehen. Und der Zorn verhindert, dass ich es jemals wieder so weit kommen lasse.
„Die junge Frau und der Zorn“ lautet die Überschrift. Sie hat nichts mit Verbitterung, Haß oder etwas anderem Schlechten zu tun. Im Gegenteil: Es ist etwas Gutes. Ich darf zornig sein, ich darf dieses Gefühl zulassen und mir selbst erlauben. zornig zu sein. Dafür muss ich mich vor niemandem rechtfertigen, am wenigsten vor mir selbst.
Ich weiß nicht, ob das jetzt irgendwie „erwachsen“ ist oder nicht, aber auch das ist mir egal.
Ich habe das Gefühl, mich immer mehr dem Punkt zu nähern, an dem ich mir zum ersten Mal seit meiner Kindheit erlaube, ganz einfach ich zu sein. Einfach so, wie ich bin. Ohne Reue, ohne Rechtfertigung. Mit trotzig gerecktem Kinn. Und voller Stolz.
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