Die IT-Wirtschaft, die Politik und der Brexit

Von Klaus Ahrens

Weder die wirtschaftlichen noch die politischen Auswirkungen des EU-Austritts von Großbritannien sind heute schon absehbar – das gilt natürlich auch für die IT-Wirtschaft.

Der IT-Branchenverband Eco bedauerte in einer ersten Stellungnahme die Entscheidung der Briten. „Die Entscheidung für den Brexit ist ein schwerer Rückschlag auf dem von der EU eingeschlagenen Weg hin zum einheitlichen digitalen Binnenmarkt“, kommentierte das Vorstandsmitglied Oliver Süme. „Einem fragmentierten Markt fehlt jede Wettbewerbsfähigkeit im Vergleich mit Ländern wie die USA.“

Auch aus diesen Worten spricht die Hybris von politischen und Wirtschaftsführern im gesamten Rest der EU. Niemand sagt, er hätte etwas falsch gemacht, und obwohl gerade diese Politiker und Wirtschaftsbosse im letzten Jahrzehnt den Karren mit ihrer menschenverachtenden neoliberalen Wirtschafts- und Sozialpolitik im höchstmöglichen Gang an die Wand gefahren haben, stellen sie diesen Brexit immer noch als ein rein wirtschaftliches Problem dar.

Soziale Probleme sind der Nährboden für die nationalen Bewegungen

Dabei ist es ein gesellschaftliches Problem, denn die nationalen Bewegungen in den EU-Ländern sind doch nicht da, weil so viele Menschen in der EU ihr Herz für den Nationalsozialismus entdeckt haben.

Die Menschen wählen die Rattenfänger, weil es keine Alternativen mehr gibt, die einen Stop der Umverteilung von Arm nach Reich und damit eine Perspektive für die gebeutelten Niedriglöhner in ihren prekären Arbeitsplätzen und die Bezieher von Transferleistungen versprechen.

Das machen ja noch nicht mal die Rechtspopulisten, und die werden trotzdem in fast allen EU-Ländern immer stärker. Vermutlich geht es da nach dem Motto: Ohne Veränderung gibt es auch keine Besserung – zumindest nicht von den „etablierten“ Parteien!

Kein etablierter Politiker kämpft mehr für das Volk, sie alle sind letztlich zu Erfüllungsgehilfen und Vasallen der Konzerne geworden – von denen die mächtigsten bekanntlich nicht aus Europa kommen!

Die Böcke bieten sich in allen Medien wieder als Gärtner an

Wenn sich der opportunistische Oppermann dann vor die Kameras stellt und so tut, als habe seine SPD, die ja mit der Agenda 2010 unter Schröder den wichtigsten Grundstein für die Verdrossenheit der Bürger gelegt hat, die Lösung für diese Situation in der Hand, frage ich mich, in welcher Welt dieser abgehobene Ex-Richter eigentlich lebt.

Dasselbe gilt für einen Kauder von der CDU, der auch „nach dieser unfaßbaren Entscheidung“ das Weiter wie bisher – nur ohne England – verkündet.

Oder einen Friedrich von der CSU, der uns natürlich die Union und die Kanzlerin Merkel als Problemlöser der Wahl anempfiehlt – die Frau, die für den Pakt mit dem Sultan vom Bosporus steht, für die IT bekanntlich Neuland ist und die ja mit ihrer erratischen Flüchtlingspolitik den Erfolg der Rechten massiv befeuert hat…

Die Politiker und Parteien, die ganz Europa auf Deutsch gesagt „in die Scheiße geritten“ haben, halten sich jetzt für die erste Wahl als Feuerwehrleute für das Problem, dessen Ursache sie Jahre und Jahrzehnte lang gelegt haben?

Wenn es nicht so traurig wäre, daß die Politik die großartige Idee eines vereinten Europa dermaßen zerstört hat, müßte man über die Kauders, Oppermanns, Friedrichs und andere lauthals lachen…

Foto: taz