Die Infantilisierung der Volksverhetzung

Kinder sind manchmal grausam. Und grausam ist jene elterliche Gesinnung, die diese kindliche Grausamkeit unterstützt, im Anflug von Laissez-faire-Pädagogik sogar für wertvoll erachtet. Eine Erziehungsmethode, die es stets in der einen oder anderen Form gab, die aber heute in ihrem Gewährenlassen oft tyrannische Züge annimmt - und das unterstützt und gewollt von den Eltern selbst. Ellenbogen anspitzen, sie einzusetzen lernen, gehört heute zum guten Ton bürgerlicher Kindeserziehung - sie müssen sich ja durchzusetzen wissen, die lieben Kleinen. Unbestritten ist das recht und billig: die dazugehörige Rücksichtslosigkeit gegen Wehrlose, gegen Schwächere, wäre damit aber eigentlich nicht gemeint. Dem entgegenzuwirken wäre der Auftrag einer aufgeklärten Pädagogik, die Bestimmung von Eltern und Lehrern, von Gesellschaft und Staat.

Kinder zu lehren, dass man sich durchsetzen muß, dass der Rechtsstaat Mittel kennt, einer Ungerechtigkeit nachhaltig zu begegnen; einfach auch mal Nein sagen zu lernen, Courage zu zeigen, sich selbstbestimmt zu verweigern, ohne erst auf Befugnisse und Anordnungen zu blicken: all das beinhaltet aufgeklärte Erziehungsarbeit. Seine Ellenbogen dann auch mal einzufahren, gerade bei solchen, die sich kaum wehren können, geriete dabei zur Selbstverständlichkeit. In einem solchen Klima könnte die als Nebenprodukt kultureller Teilhabe anfallende Brandmarkung einer Gesellschaftschicht, wenn schon nicht bedingungslos anerkannt, so doch zähneknirschend erduldet werden. Dort gefiele es zwar nicht jeden, dass Kinder aus Bedarfsgemeinschaften, vulgär Hartz IV-Kinder genannt, mit Bildungs-Chips ausgestattet würden, aber man hätte wenigstens die Gewissheit, dass solche Kinder nicht dem Spott anheimfielen, in eine Atmosphäre allgemeinen Verständnisses stolperten.

Wie gesagt, Kinder sind grausam - und anwachsend ist die Zahl solcher Eltern, die ihre Kinder zur Grausamkeit ermuntern. Setz dich durch!, rufen sie ihrem Nachwuchs zu. Trau dich! Hau auf den Tisch! Bis hierher wäre alles in bester Ordnung - das kann man meist unterstützen, muß man sogar, wenn man aufgeklärte Menschen formen möchte. Doch oft, viel zu oft, hört man auch: Spiel nicht mit den Schmuddelkindern! Auf dieser Unverschämtheit gründet manches pädagogische Weltbild, gründet die Ablehnung neuer Schulmodelle - man denke nur an Hamburg. Du bist besser als die da! Bring uns so einen nicht heim! Kleinwüchsige Tyrannen werden da gezüchtet, Diktatoren des Schulhofes! In vielen Bundesländern könnte man sich damit trösten, dass der Kindersegen solcher snobistischen Familien bald schon vom hauptschulischen Schulhof verschwindet, um höheren Schulen seine Aufwartung zu machen. Gerade in höheren Gesellschaftschichten und in den wohlhabenderen Segmenten dessen, was man vereinfachend Mittelschicht nennt, geht eine Saat auf, die die Egomanie fördert und diese für den Antrieb des gesamten wirtschaftlichen, ja gesellschaftlichen Lebens erachtet. Ein pragmatischer Utilitarismus der kundtut, dass jeder auf sich selbst zu achten habe, wenn die Gesellschaft funktionieren soll - kümmert euch nicht um die Schwachen, um die Wehrlosen, sie behindern nur den Ablauf! Jeder schaut auf sich!, war schon der arg verkürzte, blinde Wahlspruch klassischer Utilitaristen. Jeder schaut auf sich und drängt zur Seite wen er nur kann!, ist die heutige rücksichtslose Erweiterung jener Losung. In so einem Milieu Kinder zu brandmarken, sie - metaphorisch gesprochen - mit kennzeichnender Armbinde auszustatten, ist kein Akt von kultureller Teilhabe, von aufgeklärter Politik, von Nächstenliebe gar - es ist die Infantilisierung allgemeinen Kesseltreibens, öffentlicher Hetzjagd gegen die Unterschicht, wie wir es aus den Gazetten, aus dem Fernsehen, vom Stammtisch her schon kennen.

Was hier manifest wird, ist die nächstenliebende Fassade, mit der diese Gesellschaft immer zielgerichteter Menschen den aufgehetzten Ressentiments der gesellschaftlichen Mitte und der Bessergestellten ausliefert. Man überstellt Kinder den Schmähungen und Lästerungen, den Erniedrigungen und Kränkungen ihrer Altersgenossen. Warum zahlt deine Mama alles mit Asi-Card? Man züchtet sich zwei Klassen Bürger heran: diejenigen, die schon von Kindesbeinen an lernten, dass der Spott gegen gut beschilderte Schwache Volkssport ist - und jene, die seit Anbeginn ihres Erinnerungsvermögens wissen, dass sie zum Gerümpel, zu beschimpfenswerten Inventar dieser Gesellschaft gehören; einer Gesellschaft, die Teilhabe mit Brandmarkung gleichsetzt. Der Bildungs-Chip, der eben nicht nur Museumsangestellten oder Vereinsmeiern sichtbar macht, dass das Kind ein Hartz-Sproß ist, er wird obendrein den Kindern aus anderen Gesellschaftsschichten sichtbar: er ist ein Anschlag auf die Würde des Kindes - ferner auch auf die Würde der Eltern, die ohnehin dem Bescheid entnehmen können, dass ihr Kind, dessen Kindergeld voll angerechnet wird und für dessen erstes Lebensjahr sie zukünftig nicht einmal mehr Elterngeld erhalten werden, einen Minderwert besitzt.

Man hat den Kindern der Unterschicht systematisch die Würde entzogen - der Bildungs-Chip ist die dazugehörige Kennzeichnung, die Krone dieses Vorgangs. Von der Leyen, die sich gerne als Mutter der Nation aufspielt, müsste es besser wissen - sie müsste als Mutter wissen, zu welcher Grausamkeit Kinder neigen können. Davor müsste sie Kinder eigentlich bewahren wollen. Drückt das Sozialministerium unter ihrer Ägide diesen Kindern ihr Hoheitszeichen in Form dieser Karte auf, ist das nicht nur ein Kavaliersdelikt: es ist der Leitfaden, der bereitete Einstieg in den Pogrom, speist Volksverhetzung - es ist, man muß es ruhig so sagen: ein krimineller Akt!


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