Die Ikone, die sie über die Leopoldstraße trugen

Von Robertodelapuente @adsinistram
Der FC Bayern München schwebt nicht nur sportlich in anderen Sphären. In und um den Verein scheint man schon lange die sittliche Bodenhaftung verloren zu haben. Als »Bonzenverein« hat man ihn ja schon vormals bezeichnet. Was aber in der letzten Zeit geschieht, war so noch nicht da.
In München feierten sie diesen »Meistertitel ohne Gegenwehr« wie üblich mit Meisterschalen aus Pappendeckel und wedelnden Schals, die man sich in der Orlandostraße, vis-à-vis des Hofbräuhauses gekauft hat. Erkennbar klebten sie das ikonisierte Konterfei ihres verurteilten Ex-Präsidenten auf das selbst gebastelten Zeichen ihres fußballerischen Erfolges. Wie einen Che Guevara gutsituierter Leute trugen sie ihn durch die Straßen der Stadt und in die Kneipen der Leopoldstraße hinein. Beim Betrachten der Bilder freudetrunkener Bayern-Fans konnte man leicht glauben, hier würde eine Prozession voll satter Pietätlosigkeit stattfinden.

Verwunderlich ist das freilich nicht, denn Trainer Guardiola widmete die Meisterschaft auch gleich nach dem Schlusspfiff in Berlin seinem bald Landsberger Freund. Die Bayern-Granden haben indes bis heute kein kritisches Wort über Hoeneß verloren, sodass man als Fan leicht den Eindruck haben konnte, dass der Mann mehr Opfer als alles andere sei. Und so fertigt man sich eben in falscher Solidarität eine Legende, in der Hoeneß das Opfer eines Staates ist, der immer nur ans schwer verdiente Geld der Reichen will. Ein Anti-Che quasi, der im Grunde sogar noch etwas Richtiges getan, ja einen Akt der Selbstverteidigung vollzogen hat.
Wie gesagt, der FC Bayern München galt immer als Klub der Schickeria. Der Arbeiterverein hingegen kam aus Giesing und spielte ganz in Blau. Gegen dieses mittlerweile antiquierte Image der Stadtkonkurrenz trat man an der Säbener Straße immer blasiert an. Man wollte besser sein. Und jetzt, da die Bundesliga nur noch voller Sparringspartner steckt, scheint man nicht mehr nur ein Verein sein zu wollen, sondern so eine Art asoziale Anarcho-Bewegung, die sich die Staats- und Steuerverdrossenheit auf die Fan-Schale stickt und dabei so tut, als sei man eine eingeschworene Gemeinschaft gegen alles, was von Außenstehenden an »unserer Art zu leben« an Kritik hervorgebracht wird.
Der zeitgenössische FC Bayern ist derzeit der erfolgreichste Verein der Welt. Schier unschlagbar. Und er begreift sich als ein Movement reicher Herrschaften und ihres selten dummen Fußvolkes. Führt die sportliche Unbesiegbarkeit auch außerhalb des Platzes zu Größenwahn? Gerade, wenn man in einem Milieu wie dem bayerischen steckt, in dem man sich »Mia san mia« zuruft und dabei lediglich »Die andan san Scheißdreck« versteht? In diesem Morast aus Bussi-Bussi-Gesellschafter, die aus Staatsparteisoldaten und regionalen Unternehmern, aus Medien-Establishment und staatstragender Kultur stammen, und die sich alle miteinander hochschaukeln mit ihrem Überlegenheitsgefühl, tüftelte man von jeher an einer Parallelgesellschaft. Nur wird das jetzt deutlicher als je zuvor.
Was soll das alles sein? Ein sportives Tea Party Movement auf Bierbasis, getragen von Leuten, die die steuerliche Umverteilung zum Zwecke der allgemeinen Partizipation nicht brauchen - und ausgeführt von einer Gefolgschaft aus kostümierten Dummköpfen, die exakt einen solchen Ausgleich schon bräuchte und das auch wissen müsste, wenn sie mal einen Augenblick darüber nachdenken würde? Wie sich der FC Bayern München dieser Tage doch dem transatlantischen »Geistesbruder« angleicht. Die Hillbillies von drüben brauchen ja auch hohe Steuersätze für Reiche und einen starken Staat, pfeifen aber durch ihre Zahnlücken, dass sie dagegen sind. Den Reichen kann das gerade so egal sein, wie es Guardiola egal ist, was sein ehemaliger Präsident getan hat. Der »nette Pep« braucht schon lange keine Sicherheiten vom Staat mehr. Sein Konto und seine Anlagen sind ihm Sicherheiten genug.
Wenn Steuerbetrug guevareskes Heldentum sein soll und die Kassen deshalb heroisch leer blieben, dann würde mancher dieser Almseppl im roten Trikot auf dem Weg zur Meisterfeier in Schlaglöcher treten und sich ein Bein brechen. Oder er würde im Dunkeln durch München irren und über die vielen defekten Straßenlaternen schimpfen und sich stoßen. Auf den Weg zur Notaufnahme, die chronisch unterbesetzt oder sogar geschlossen ist, holte er die Ikone hervorholen, die dreifarbige Aufbereitung des »Guerrillero Heroico«, des Gesichts jenes Helden, der nur drei Buchstaben im Namen zählt und flüstern: »Danke, lieber Uli, wir sind wieder mal Meister.« Er streichelte das Abbild und spekulierte so auf schnelle Heilung. Jede Zeit hat ihre ganz speziellen Heiligen.
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