Die Hummel

Eine puschelige schwarze Hummel mit orangerotem Fellpopo saß gestern auf unserem Hof. Da musste ich aber los. Dringend. Mit einem Elektrofahrrad, einem Anhänger und drei Kindern drauf und drin. Melek versorgte das reglose Tierchen noch mit einem ruhigen Plätzchen in unserem Schuppen, und als wir wiederkamen, saß sie dort noch immer.

“Hm”, überlegte ich, “vielleicht hat sie Hunger? Setz sie doch mal auf die Fliederblüten.”

Die Hummel streckte dankbar ihren Rüssel in die winzigen Blüten und krabbelte dann wieder auf Meleks Hand.

Der Wissenschaftler in spe informierte mich per Newsticker:

“Mama! Wie süß! Jetzt putzt sie sich den Rüssel ab!

Jetzt streckt die das Bein aus. Und jetzt putzt sie sich die Hinterbeine.

Ich glaube, sie will gleich losfliegen, sie streckt die Flügel aus.

Weißt du was, Mama, ich glaube, die macht Sport!”

Die Hummel krabbelte auf seiner Hand, das T-Shirt hinauf, auf seinem Haar herum, und als sie hinunterfiel, legte er sich neben sie auf den warmen Asphalt der Straße und beobachtete sie, wie sie wieder auf seine Hand stieg.

Am Abend setzte er sie wieder in den Flieder.

Heute morgen fanden wir sie, leblos, darunter. Sie bewegte sich nur noch ein ganz bisschen.

“Komm”, sagte ich zu den Kindern, “wir legen sie neben eine Fliederblüte” – ich knickte eine vom Strauch – “dann kann sie dort in Frieden ihr Leben aushauchen.”

“Ach, Mama”, sagt Melek, “wenn wir schon gestern gewusst hätten, dass sie im Sterben liegt, dann hätten wir mit ihr zum Tierarzt gehen können. Der hätte uns sagen können, was mit ihr los ist, ob sie im Sterben liegt, oder er hätte ihr helfen können.”

“Schatz”, erwidere ich, “ich glaube, der Tierarzt hätte auch nichts mehr machen können; Hummeln leben einfach nicht so lange; aber du hast der Hummel einen schönen letzten Tag geschenkt:  Du hast ihr einen ruhigen Platz gegeben, sie zum Nektar gesetzt, und du hast ihr deine Freundschaft geschenkt.”

Und als die Männer heute ins Männerwochenende fuhren, blickte er mich mit großen blauen Augen an und erinnerte mich: “Und pass auf die Hummeln auf. Und die Bienen. Die sollst du auf den Flieder setzen, wenn du welche findest.”

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