Die HCG-Diät – Teil 2: Die Beweise im Detail

IV. Es geht ans Eingemachte!

Ok, die Informationsbeschaffung war zunächst einfach genug, wo die HCG-Diät ursprünglich herkommt und was dahinter steht war ein Kinderspiel für uns erfahrene Profiler, Detektiv Schnurr und Doktor K. Wumm. Aber jetzt ging es ans Eingemachte. Jetzt galt es die Beiweise der Diät gründlichst unter die Lupe zu nehmen. Denkhelm aufsetzen und los geht’s!

Verglichen mit veröffentlichten Artikeln in Magazinen und erschienenen Büchern gibt es eine relativ überschaubare Anzahl an wissenschaftlichen Studien, die sich speziell mit der hCG Diät beschäftigt haben. Wir werden diese uns nun etwas genauer ansehen.

Vorweg wollen wir noch einmal unterstreichen, dass an diesem Punkt sich die Lager allzu klar gebildet haben und sich sowohl Befürworter wie auch Gegner der Diät an diesem Punkt am meisten in den Haaren liegen. Und, zugegeben, Wissenschaft ist auch bis zu einem gewissen Punkt weitgehend Interpretationssache; das typische halb volle oder halb leere Glas wird hier gerne angeführt. Aber ungeachtet dessen, ändert das nichts an der Tatsache, dass sich eine gewisse Anzahl an Wasser in dem Glas befindet. Und die Wissenschaft kann nun genau messen, wie viel tatsächlich.

Also, was sagen nun die Wissenschaftler?

A) Beweise dafür

Die Studie der zwei Fachmedizinern aus Colorado, USA, Asher & Harold (1973) war wohl die erste wirklich gut durchgeführte hCG-Studie (also eine Placebo kontrollierte Doppelblindstudie). Durchgeführt wurde sie an 40 fettsüchtigen Frauen von denen es 33 in die Endauswertung schafften (wie so oft bei solchen Studien fallen viele weg oder steigen aus). Dabei hielt sich die Studie strickt an Simeons Vorgaben (d.h. HCG Spritzen und 500kcal pro Tag, mit maßgeschneidertem Essensplan). Dabei wurden alle Frauen per Zufall in eine von zwei Gruppen zugeteilt und beiden Gruppen wurde eine Spritze verabreicht- nur die durchführenden Chefärzte wussten, wer nun tatsächlich das hCG-Hormon bekam und wer nur Salzwasser (Placebo, d.h. wirkungslos). Dies um sicher zu gehen, dass das Resultat der Studie einzig und allein auf das Hormon zurückzuführen ist- in jeder anderen Hinsicht wurden die beiden Gruppen gleich behandelt.

Das nur am Rande, zurück zu unseren Ergebnissen.

Es wurde gefunden, dass die Gruppe, die hCG-Behandlung bekam, tatsächlich mehr Gewicht während des 6-wöchigen Abnehmprogrammes verlor als die andere Placebogruppe. Die hCG Gruppe verlor im Schnitt ca. 9kg (von 18,9kg bis 5,2kg) und wird gerne als Beweis für die Wirksamkeit von Simeons Diätprogramm angeführt. Allerdings darf man nicht vergessen, dass die Kontrollgruppe ebenso Gewicht verlor – im Schnitt ca. 5Kg (von 10kg bis 1,3kg)- was natürlich weniger verwunderlich erscheint, wenn man bedenkt, dass sie nur 500kcal pro Tag aßen.

Prima, es funktioniert! … Oder?

Aber es gibt zwei gravierende Probleme mit der Studie. Erstens (so geben auch die Autoren der Studie zu) es scheint fragwürdig, wie sehr sich die Teilnehmer an die Richtlinien der Studie hielten (d.h. sie könnten mehr oder sogar weniger gegessen haben, als erlaubt – oder doch mehr Sport getrieben haben). Und zweitens: Die hCG Gruppe hatte im Schnitt auch 3kg (mit weiten Variationen) mehr auf den Rippen – es scheint daher auch naheliegend, dass sie dann auch mehr Gewicht verlieren würden.

Auch ist es wichtig in solchen Studien (eben weil Gewichtsabnahme so komplex ist und von einer Vielzahl von Faktoren abhängt, wie Stress, Stimmung, oder Schlaf), das man in der Analyse der Daten die Teilnehmer beider Gruppen miteinander vergleicht; und nicht den Durchschnitt beider Gruppen an sich. Also z.B. Brunhilde in der hCG Gruppe wiegt 200kg und hat 16kg verloren (das sind 6,25%) und Alberta in der Placebogruppe wiegt 160kg und hat auch “nur” 16kg verloren (das sind geschlagene 10%). Obwohl beide Personen gleichviel Gewicht (in kg) verloren haben, kann man aber sofort sehen, dass die Proportionen völlig verschieden sind. Um euch noch mehr den Kopf zu verdrehen, kann es auch von anderen Gründen abhängig sein: wie z.B. Bewegung, Stress (durch Arbeit oder Schule oder Lebensumstände, die sich natürlich nicht so einfach kontrollieren lassen), etc die nicht berüchtigt wurden. In der Fachsprache spricht man von etwaigen Drittvariablen (die dann alle Messungen und Ergebnisse verkorksen).

Zusätzliche Kritik kommt auch aus dem eigenen Lager. So kritisiert Dr. Belluscio (von der hCG Research Clinic in Brasilien), dass Gewichtsreduktion (in kg) allein nicht ausreichend Beweis ist für eine Verbesserung des Übergewichtproblems. Denn (z.B.) Körperfett sollte hierbei gemessen und untersucht werden.

Nun gut, das liegt jetzt schon 30 Jahre zurück, gibt es aktuelle befürwortende Wissenschaftler?

Die gibt es in der Tat!

Der bereits erwähnte Wissenschaftler Belluscio und seine Kollegen (1994) gehören zu den Spitzenreiter der hCG-Bewegung. Diese Forschungsgruppe hat sich besonders dem Problem der Fettleibigkeit als Weltproblem verschrieben. Das Institut hat zahlreiche Studien durchgeführt und befunden, dass hCG wirkungsvoll ist. Leider wurde keine einzige ihrer Studien je veröffentlicht und sind nur auf ihren eigenen Internetseiten zugänglich.

Das ist insofern schade, weil nur so Spitzenqualität und Seriosität gewährleistet werden; einmal in seriösen Journalen veröffentlicht sind sie von der ganzen Wissenschaft-Welt zugänglich, nachvollziehbar und auch kritisierbar. Nur sodurch sind wir an unserem jetzigen Höhepunkt in der Forschung angelangt und was gut ist kann noch besser werden.

Solche unveröffentlichten Artikel werden aber [man muss es sagen: leider] nur allzu gerne in hCG-Literatur zitiert. Daher sind ihre Studien mit Vorsicht und einer gehörigen Prise Salz zu genießen.

B) Beweise dagegen

Andere Wissenschaftler, die die hCG-Diät untersucht haben, sind Bosch und Kollegen (1990). Dabei haben sie aus den Fehlern von Asher & Harold (1973) gelernt und Studienteilnehmer miteinander und auch untereinander verglichen, wobei die Studie genauso wie vorher (also Simeons Diät; Essensplan und Spritzen) durchgeführt worden ist.

Interessanterweise wurde kein Unterschied gefunden; d.h. dass das hCG Programm genauso effektiv war wie eine einfache Salzwasserlösung und dass Gewichtsabnahme allein auf die VeryLowCalorieDiet zurückgeführt werden konnte.

Und das war nicht die einzige Studie. Es gibt noch eine ganze Menge mehr. Manche dafür, manche dagegen.

Viel mehr dagegen.

Eine ganze Menge mehr dagegen.

Auf jede Studie, die die Hormonbehandlung befürwortet, kommen 5 die sie für unwirksam halten (Rabe et al, 1987; Lijesen et al, 1995). Besonders methodische Schwächen in der Ausführung der Studien sind im Allgemeinen charakteristisch;

also Wissenschaftler und Testpersonen wussten, was vor sich ging (Gefahr der Kooperation, hohe Erwartungen – sog. selbsterfüllende Prophezeiungen, etc.). Was zugegebenermaßen allgemein ein Problem in Studien ist, die mit Übergewicht und Gewichtsabnahme zu tun haben, weil es schwierig ist alle Faktoren zu kontrollieren.

Insgesamt (laut Lijesen et al, 1995) befürworteten 3 (von 8 schlecht durchgeführten Studien) und 2 (von den 16 gut durchgeführten Studien) die hCG-Diät; das sind 5 von 24 Studien.

Daher wäre es eigentlich angebrachter zu sagen: „[5 von 24, das sind 20%] Studien haben belegt, dass die hCG (Injektion und Mundeinahme) Gewichtsverlust sowie die Redistribution von Fett in Menschen ermöglichen. 80% [19 von 24] aller Studien belegen, dass das gespritzte hCG Hormon nicht besser ist als gespritztes Salzwasser.“

Wenn man dann noch bedenkt, dass besonders die Studien, die die hCG Diät unterstützten von methodisch schlechter Qualität waren, und – wäre man ein strenger Prüfer, müsste man den gut durchgeführten Studien (wie etwa Bosch et al, 1990) ein höheres Gewicht zuschreiben. Dabei würde dann nur etwa jede achte Studie die hCG-Diät unterstützen würde – magere 2 gute Studien; weil die Chance, dass die Ergebnisse durch Zufall oder anderen etwaigen Drittvariablen entstanden sein könnten. Wir sehen also, wie rasch befürwortende Beweise abfallen und dabei muss man ganz schön ins Grübeln kommen und sich fragen, ob das wohl ausreicht um darauf seine Gesundheit (vielleicht sogar sein Leben…?) zu verwetten.

Ein letzter Denkanstoß: Alle hCG-Studien wurden an übergewichtigen (BMI >25) oder gar fettleibigen Probanden (BMI >30) durchgeführt. Die moderne Diät dagegen, verspricht Gewichtsreduktion von normal-gewichtigen Personen. Und natürlich ist die Diät besonders jetzt in der Nachweihnachtszeit beliebt, man will ja schließlich die Pfunde purzeln sehen!

Dazu eine Frage: Nimmt man Antidepressiva um sich besser zu fühlen?

Nein, sicherlich werden sie nur vom Arzt verschrieben, um schwerdepressiven Patienten zu helfen, ein halbwegs vernünftiges Leben zu führen.

So verhält es sich mit allen Krankheiten; ebenso mit Fettleibigkeit (das allein würde den Rahmen sprengen, siehe bitte Fußnote 2).

Daher ist festzustellen: Wenn die umstrittene Diät einem hilft (im Falle für den Angeklagten), dann wären es doch Fettleibigen und wirklich Schwerstübergewichtigen, oder etwa nicht?

Entgegen aller Kritik [z.B. Holt (2011) spricht von einer „unfairen Behandlung der hCG-Diät“] stellen wir zusammenfassend fest, dass je fairer und objektiver man die vorliegenden Beweise unter die Lupe nimmt, desto schlechter sieht es für die hCG-Diät aus.

Die gerne angeführte Gewichtsabnahme ist wohl alleine auf eine Niedrig-Diät (500kcal pro Tag) zurückzuführen (Link).

Quellenangaben:

Asher, W. L., & Harper, H. W. (1973). Effect of human chorionic gonadotrophin on weight loss, hunger, and feeling of well-being. The American journal of clinical nutrition, 26(2), 211-218.

Bosch, B., Venter, I., Stewart, R. I., & Bertram, S. R. (1990). Human chorionic gonadotrophin and weight loss. A double-blind, placebo-controlled trial. Samt, 11, 185-189: https://scholar.sun.ac.za/bitstream/handle/10019.1/7360/bosch_human_1990.pdf?sequence=1

Lijesen, G. K., Theeuwen, I., Assendelft, W. J., & Wal, G. (1995). The effect of human chorionic gonadotropin (HCG) in the treatment of obesity by means of the Simeons therapy: a criteria‐based meta‐analysis. British journal of clinical pharmacology, 40(3), 237-243.

Rabe, T., Richter, S., Kiesel, L., & Runnebaum, B. (1987). [Risk-benefit analysis of a hCG-500 kcal reducing diet (cura romana) in females].Geburtshilfe und Frauenheilkunde, 47(5), 297-307.


Einsortiert unter:Die HCG-Diät, Ernährung

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