Pedro Almodovar ist ein Regisseur, dessen Ruhm irgendwie nicht zu seinen Filmen zu passen scheint. Fans des spanischen Filmemachers lieben seine Filme und können stets kaum die Zeit abwarten, bis sein nächstes Werk erscheint. Die Erwartungen sind immer wieder enorm hoch und man munkelt, diskutiert und fachsimpelt schon lange, bevor irgendjemand den Film überhaupt gesehen hat. Und dann sitzt man endlich im Kino und alles ist anders. Nicht, weil der Film schlecht wäre, oder man enttäuscht ist. Almodovar hat einen so bezaubernden und schlichten Stil, dass man den Eindruck gewinnt, er selbst schere sich gar nicht um die ganze Aufregung, die entsteht, wenn sein neuer Film angekündigt wird. So zumindest ging es mir nun, nachdem ich endlich „Die Haut in der ich wohne“ sehen konnte.
Zur Story will man gar nicht so viel sagen. Eigentlich hat man nur angst, man nehme zu viel vorweg und damit den Spaß derer, die den Film noch nicht kennen. So viel ist klar: Es geht um Robert Ledgard. Er ist Arzt und zählt zu den besten Chirurgen des Landes. In seiner eigenen Klinik behandelt er diskret und gut bezahlt ganz besondere Patienten. Zumindest glaubt das sein Team an Ärzten, die ihm stets bei Nacht und Nebel im isolierten OP assistieren. Seit einiger Zeit hat er nur noch eine Patientin, die das Haus nicht verlassen darf und die stets in einem verschlossenem Zimmer lebt. Niemand weiß, wer sie ist und was Ledgard mit ihr macht. Das Geheimnis droht aufzufliegen, als plötzlich und unverhofft der Sohn der Haushälterin an der Tür steht. Der polizeilich gesuchte Räuber scheint etwas über die Vergangenheit des Doktors zu wissen, was auf keinen Fall an die Öffentlichkeit dringen darf.
Die Geschichte ist schräg und nimmt im Laufe des Films immer merkwürdigere Züge an. Almodovar erzählt stets Geschichten, die zwar komplex sind, aber auch klar einer geraden Linie folgen. Auch, wenn man nun durch das ungewöhnliche Setting zunächst den Eindruck gewinnt, es handele sich um etwas vollkommen neues und man überall mit Schnappatmung liest, Almodovar hätte einen harten Psychothriller gemacht, was ja nun so gar nicht zu dem Spanier passen will, ist eigentlich alles, wie gewohnt. Der Stil, der im wesentlichen durch die einprägsame Bildsprache entsteht, ist typisch für den Regisseur. Es ist toll, mit welcher Leichtigkeit hier Bilder gebaut werden, die ganz beiläufig in die Handlung einfließen. Durch die knalligen Farben und die sehr intensive Musik wird hier ein Gefühl des Bombastischen und Dramatischen geschaffen. Etwas, was die wenigsten Regisseure schaffen, ohne auf moderne, zum Beispiel digitale, Spielereien zurück zu greifen. Almodovar verzichtet nicht nur auf derartiges Werkzeug, er setzt sogar gradezu altmodische Mittel ein, die noch aus den Anfangstagen der Filmgeschichte zu stammen scheinen. Essentielle Botschaften des Films werden nicht durch gesprochene Worte, sondern durch Musik oder eben Bilder vermittelt. Das verpasst auch „Die Haut in der ich wohne“ einen altmodischen Touch, ohne dass es den Film alt macht. Apropos altmodisch: Antonio Banderas sieht mit seinen 51 Jahren immer noch so aus, als wäre er Mitte Zwanzig. Abgesehen davon spielt er den wahnsinnigen Doktor sehr überzeugend und mit einer beängstigenden Intensität.
„Die Haut in der ich wohne“ ist auf gewisse Weise ganz anders und trotzdem ein typischer Almodovar. Spannend ist, dass der Stil, den er bisher stets für ausgewachsene Dramen verwendet hat, auch hier wunderbar funktioniert. Und wenn man genau hinsieht, findet man auch hier die grundlegenden Themen wieder, die er auch sonst abhandelt. Die Frage nach dem Gewissen, danach, wie weit man für die Lebe gehen kann und nicht zu Letzt die Frage nach der eigenen Identität.
La piel que habito (ESP, 2011): R.: Pedro Almodovar; D.: Antonio Banderas, Elana Amaya, Marisa Paredes, u.a.; M.: Alberto Iglesias; Offizielle Homepage
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