Die Häscher kamen bei Nacht

20.09.2011Politik & Gesellschaft erstellt von Helmut N. Gabel

Weitestgehend unbeachtet von der Weltöffentlichkeit vollzieht sich im Iran eine Kampagne zur Auslöschung der Derwischorden.

Die Häscher kamen bei Nacht

Alter Palast in Sarvestan, Provinz Fars

Die Häscher kamen bei Nacht

Farhâd Nouri lebte in Teheran als Herausgeber der Webseite Majzouban-e-Nour. Die Webseite hatte sich auf Artikel über Mystik und Schriften von Sufi-Meistern spezialisiert. Seit das Regime im Iran massiv und immer wiederkehrend gegen die Derwische des Nematollah Gonabadi Ordens vorging, wurde die Seite auch eine Informationsquelle für diese Ereignisse. Mehrere Menschenrechtler, Administratoren und Blogger halfen beim Betrieb der Seite und beim Einholen von aktuellen Informationen. Zahlreiche Angriffe gegen Derwische im ganzen Land wurden erfasst und auf der Seite dokumentiert.

Die Gründe für die Verfolgungen der Derwische kann man grob in zwei Kategorien aufteilen. Zum einen warf das Regime ihnen schon gleich nach der Revolution 1979 vor die radikale Interpretation des Islams nicht mitzutragen und für eine Trennung von Religion und Staat einzustehen. Zwei heilige Kühe der Islamischen Republik Iran. Zum anderen hatten die Derwische bei den Präsidentschaftswahlen 2009 im ganzen Land für den damaligen Präsidentschaftskandidaten Mehdi Karoubi gestimmt, weil er einer der wenigen aus dem Establishment war, der sich schon in der Anfangsphase der massiven Repressionen gegen Derwische (2006) öffentlich vor die Derwische gestellt hatte.
Am 2. September 2011 fand der letzte Angriff gegen Derwische des Gonabadi Ordens in der Stadt Kovar, Region Fars statt. Der Angriff erfolgte nachdem ein junger Prediger aus der Theologenstadt Qom in die Region entsandt wurde. Hodschatoleslam Shabazi hatte Flugblätter verteilt und Reden vor Mitgliedern der paramilitärischen und Führer-hörigen Bassidschi gehalten, worin er die Derwische im Allgemeinen als Feinde des Regimes portraitierte und ihnen vorwarf einen "amerikanischen Islam" zu propagieren. Nach dem gleich Schema sind seit 2006 in Bouroudscherd, Isfahan, Qom und in anderen Städten Bassidschi aufgehetzt worden und Versammlungshäuser der Derwische in Schutt und Asche gelegt worden.

Als Bassidschi begannen gegen Derwische in Kovar vorzugehen kamen aus der nahegelegenen Stadt Sarvestan Derwische nach Kovar, um gegen die Angriffe zu protestieren. Bewaffnete Einheiten kontrollierten jedoch den Eingang zur Stadt und eröffneten das Feuer. Mehrere Verletzte Derwische waren zu beklagen, die mit notdürftiger medizinischer Versorgung ins Adel Abad Gefängnis nach Schiraz verbracht wurden. Ein Derwisch, Vahid Banâni, erlag seinen Verletzungen zwei Tage später.

Die Webseite Majzouban-e-Nour hatte über diese Ereignisse berichtet, wie schon zuvor über viele andere Verletzungen der Rechte von Derwischen in Iran. In der Nacht zum Montag 5. September, überfielen die in zivil gekleideten Häscher des Geheimdienstministeriums das Haus von Farhâd Nouri und nahmen alle anwesenden Mitarbeiter fest, unter anderem auch den Schriftsteller Alireza Roushan. Nur Farhâd Nouri war nicht zu finden. Eine wilde Suche und Hetzjagd begann. Bei allen Verwandten und Freunden drangen Geheimdienstmitarbeiter ein. Seine Mutter Farzâd Nouri wurde an seiner statt mitgenommen und wird seither an einem unbekannten Ort ohne jegliche rechtliche Grundlage festgehalten. Doch wo ist Farhâd Nouri?
Amnesty International hat am 16. September 2011 die jüngsten Ereignisse zum Anlass genommen eine Briefkampagne für die Freilassung der Derwische zu starten: AI-Kampagne. Eine Briefflut an die Verantwortlichen im Iran wird dem Regime zeigen, dass es nicht in alles Heimlichkeit eine kulturtragende Gruppierung im Iran auslöschen kann. Diese Botschaft vermittelt auch ein Video einer Aktivistengruppe auf youtube, die zufällig am Tag der Angriffe gegen die Derwische in Kovar eine Solidaritätsaktion für die Bürger und Bürgerinnen im Iran durchführte. (Video)

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