Die Halle der Seelenlosen

Erstellt am 20. Oktober 2013 von Carol

Pietro Zander; Fabbrica di San Pietro (Hrsg.):
The Necropolis under St. Peter's Basilica in the Vatican.2010

Der geheime Lichthüterorden sammelt in einer abgeschlossenen Nekropole, die Asche der von seinen "Jägern" erlegten Vampirfürsten bereits seit Jahrhunderten und führt darüber eine Liste. 
Diese Nekropole befindet sich direkt unter dem Vatikan und sie existiert tatsächlich. Mehr darüber erfahrt hier bei Wikipedia: http://de.wikipedia.org/wiki/Vatikanische_Nekropole

Nur ganz wenige hohe Kardinäle und Bischöfe sind eingeweiht und der Orden agierte lange im Geheimen. Dann aber wurden die alten Fürsten vernichtet. Von den Grenzgängervampiren wussten die Beobachter nichts und die Hybriden hatten einen festen Vertrag mit den Regierungen der Menschen. So geriet die Halle der Seelenlosen fast in Vergessenheit - bis der Erzbischof Di Maggio sie wieder zu nutzen begann.

Leseprobe:

„Soweit mir bekannt ist, gibt es offiziell keine Jäger mehr. Im Gegenteil, einige sind mittlerweile selbst zu Kreaturen des Bösen mutiert“, warf Erzbischof Di Maggio ein. Fast zur gleichen Zeit trat einer der Vikare mit einer Nachricht an den Vorsitzenden Alberani herein. Er flüsterte ihm etwas ins Ohr und verschwand dann wieder. „Wie uns gerade mitgeteilt wurde, ist Kardinal Pryce aus seinem Exil verschwunden. Man sucht bereits nach ihm. Aber ich persönlich habe wenig Hoffnung. Der Einfluss des Bösen ist zu mächtig gewesen“, erklärte der vorsitzende Bischof dann der gespannt wartenden Runde und zu Di Maggio gewandt ergänzte er: „Ihr Einwand ist zwar richtig, aber warum sollten wir nicht einen von unseren ‚Gefallenen’ wieder aktivieren? So, wie diese Geschöpfe unsere Gesellschaft infiltriert haben, so sollte es doch auch umgekehrt möglich sein.“


„Worauf wollen Sie hinaus, Monsignore?“, fragte Wilkins, der als unbeteiligter Zuhörer bei der Zusammenkunft anwesend war. „Es gibt eine Frau unter ihnen, die als Jägerin recht erfolgreich war – vor ihrer Wandlung“, gab Alberani zur Antwort. 

„Eine Frau?“, wiederholte Wilkins erstaunt. 

Der fast siebzigjährige Bischof lächelte fast verträumt. „Sehen Sie, nichts ist eine so perfekte Waffe wie eine attraktive Frau bei diesen Wesen, die über so eine große Verführungskunst verfügen. Sie hat einige der alten Vampire mit Bravour erlegt, bevor sie selbst eben diesen Verführern unterlag und gewandelt wurde. Man müsste sie nur davon überzeugen, die Seiten noch einmal zu wechseln – zumindest mental.“ 

Einige der Anwesenden begannen, aufgeregt untereinander zu tuscheln. Alberani hob gebieterisch die Hand. „Meine Brüder“, beschwichtigte er die Anwesenden, „um unsere Organisation wieder aufzubauen, bedarf es viel Zeit und Geld, beides ist uns nicht beschieden – zumindest nicht, solange wir nicht einen kleinen Achtungserfolg errungen haben. Also sollten wir dieser doch wesentlich effektiveren Möglichkeit zumindest einen gewissen Raum geben.“

„Und wen wollen Sie in die Höhle des Löwen schicken?“, fragte Di Maggio jetzt aufgebracht. Seine alten Augen hatten zu leuchten begonnen. „Wo wollen Sie diese Kreatur überhaupt finden?“, kam eine weitere Frage von einem der anderen Teilnehmer auf.
Alberani schüttelte den grauhaarigen Kopf wie ein weiser Lehrer. „Wir haben trotz unserer schwindenden Kräfte niemals unsere Schäfchen aus den Augen verloren“, erwiderte er mit einem geheimnisvollen Unterton in der Stimme, als wieder etwas Ruhe eingekehrt war. „Ich werde einen Boten zu ihr senden, der ihr unseren Plan unterbreiten wird.“

„Und Sie wollen dieses Geschöpf dann auch noch am Leben lassen?“

„Darüber sprechen wir, wenn sie uns einige kleine Dienste erwiesen hat. Zunächst einmal müssen wir feststellen, ob es noch Überlebende der Teufelsbrut gibt“, antwortete Alberani. Der alte Kirchenmann hatte im Laufe seines Lebens viele Intrigen gesponnen, und als Meister seines Fachs würde es ihm vielleicht gelingen, seinen Teil zur Vernichtung des Bösen beizutragen. Insgeheim rieb der sich die Hände, rechnete er doch mit dem steigenden Einfluss seiner Institution auf die Regierungen. Endlich würde man der Kirche wieder mehr Gehör schenken! 

„Der andere Punkt ist“, begann er erneut, „dass wir dieses Kind, von dem Kardinal Pryce gesprochen hat, aufspüren und in unsere Gewalt bekommen müssen. Solange müssen wir jeden Informanten mit Samthandschuhen anfassen!“

Wieder ging ein protestierendes Raunen durch den hallenartigen Raum. „Zugegeben, in diesem zarten Alter ist es noch keine Gefahr, aber bedenken Sie doch, meine Brüder“, fuhr Alberani mit einem zynischen Unterton in der Stimme fort, „bisher haben wir allein mit der Unsterblichkeit gehandelt. Sollen wir nun den Abkömmlingen Liliths das Feld überlassen? Wir haben gerade erlebt, dass selbst einer unserer Mitbrüder zum Diener des Bösen wurde. Die Regierungen sind hilflos ohne ihre Zahlen und Statistiken, obwohl man auch da bereits an einer Lösung arbeitet. Jetzt aber schlägt die Stunde unserer Kirchen!“