Jüsten muss es wissen. Schließlich leitet der unfehlbar durch Papst Johannes Paul II. im Amt bestätigte Prälat die Lobbyzentrale der Kirche für den Deutschen Bundestag. Es sollte allerdings nicht unerwähnt bleiben, dass die Kirche Jüsten noch weitere Leitungstätigkeiten anvertraut hat. Mit einem niedrig rangigen Pfaffen haben wir es also nicht zu tun, was die Aussagen Jüstens umso bedeutender macht.
Uta Ranke Heinemann nannte die Kirche die weltgrößte Homosexuellen-Organisation. Darüber hinaus gelangten im Laufe der Jahrhunderte unzählige Missbrauchsfälle ans Licht der Öffentlichkeit, in denen immer wieder Angehörige und Einrichtungen der Kirche nachweislich in Täterschaft verwickelt waren. Jedoch lässt sich Jüstens solidarischer Akt gegenüber Beck keineswegs allein darauf zurückführen.
So verrät uns Jüsten weiter, dass der Staat im Staate, namentlich die Kirche, ein Interesse an der Islamisierung hat. Und zwar nach dem Vorbild des noch immer geltenden Reichskonkordats zwischen der Kirche und Hitler. Hierbei sollte nicht außer Acht gelassen werden, dass sowohl geistliche als auch weltliche Kirchenfunktionäre ohnehin einen erheblichen, wenn nicht gar dominanten Einfluss auf sämtliche entscheidenden Bereiche der Gesellschaft ausüben.
Es ging auch um die Frage, wie die Religion in Deutschland verfasst und organisiert sein soll. Am Anfang haben wir da sehr gestritten, und am Ende sind wir mit Herrn Beck sehr wohl auf einen sehr grünen Zweig gekommen. Dort, wo er nämlich das deutsche Staat-Kirchen-Verhältnis als eine Riesenchance ansieht, insbesondere in Bezug auf den Islam.
Den folgenden Gesprächsausschnitt sollten vor allem meine christlichen Leser verinnerlichen. Insbesondere diejenigen, denen die Grünen ein Dorn im Auge sind. Jüsten phantasiert sich hier nichts herbei, sondern benennt einen soziologischen Sachverhalt. Fragt euch doch einfach mal, warum ihr mit eurer Weltsicht innerhalb der Kirche in der absoluten Minderheit seid und warum der Einfluss der Grünfinken in der Kirche bzw. der kirchliche Einfluss bei den Olivgrünen so groß ist? Auf was basieren die geistige Verwandtschaft und all die Überschneidungen mit der Kirchenpolitik, wenn man schon die Grünen von der Kirche getrennt betrachten mag?
domradio.de: Vor Beck war lange Zeit Christa Nickels die religionspolitische Sprecherin, auch mit ihr haben Sie gearbeitet und diskutiert - wo war der Unterschied?
Jüsten: Frau Nickels ist ja ein Gewächs der katholischen Jugendarbeit. Sie hat sehr stark die katholischen oder christlichen Themen überhaupt erst in die grüne Partei hereingebracht. Man kann sagen, ein Großteil der grünen Bewegung kommt aus der Kirche. Und dafür steht und stand Frau Nickels in ihrem ganzen politischen Leben. Sie hat ja mehr oder minder dieses Amt der religionspolitischen Sprecherin [Lobbyist der Kirche] erst kreiert. Die Grünen waren die ersten, die solch ein Amt hatten, und sie hat es zu dem gemacht, was heute alle Fraktionen kennen.Auch die folgende Aussage Jüstens soll nicht unerwähnt bleiben. Wer schon mal dem Sterbeprozeß eines unheilbar kranken Menschen beigewohnt hat, der weiß wovon ich rede. Voller menschenverachtenden Zynismus nennt Jüsten das, was jeder Mensch mit gesundem Verstand und Mitgefühl nur als Verlängerung eines schmerzhaften Sterbeprozeßes bezeichnen würde, einen "Lebensschutz".
Denen, die so etwas bisher noch nicht miterleben mussten, sei gesagt, dass der Unheilbare zum Ende seines Daseins in eine Art Koma fällt, aus dem es garantiert kein Entrinnen gibt. Nur der Tod ist die Erlösung. Auch für die Angehörigen. Dieser schmerzhafte Prozeß, den die meisten Angehörigen des Unheilbarkranken nervlich nicht ertragen können, hat mit Schutz des Lebens absolut nichts mehr zu tun.
Die Kirche will den sterbenden Menschen auch noch in seinen garantiert letzten Stunden bevormunden. Und sie will Geld verdienen. Denn der Sterbeprozeß zieht sich ca. einen Tag hin. Einen Tag, den es auch noch zu vergolden gilt. Beck, dieser Pseudohumanist, hat die Kirche dabei unterstützt. Wegen solcher Verbrecher konnte die in Deutschland mühsam erstrittene Sterbehilfe wieder ad acta gelegt werden. Das Leiden haben die anderen zu ertragen...
Im Bereich der Palliativmedizin, der Hospizmedizin, wenn es um den assistierten Suizid oder überhaupt den Lebensschutz ging, da war Herr Beck immer auf unserer Seite - und wird es hoffentlich auch weiterhin sein.
Wenn auch die evangelische und die katholische Kirche noch immer nicht wiedervereint sind, in der Partei der Grünen sind sie es. Ein jeder kann sich die Frage beantworten, wer eine, wenn nicht die treibende Kraft im System der Blockflöten abgibt.