Die größten Irrtümer und Missverständnisse über Islam - Kapitel Auslegungen des Korans und Qualifikationen, den Koran zu interpretieren

16.02.2016Hintergrundcreated by Dr. Seyed M. Azmayesh

mehriran.de - Hintergründe, Hinweise, Klärungen zu Koran und Islam. Wir veröffentlichen in mehreren Kapiteln eine allgemein zugängliche Schrift zu grundlegenden Fragen über Islam.

Die größten Irrtümer und Missverständnisse über Islam - Kapitel Auslegungen des Korans und Qualifikationen, den Koran zu interpretieren

Teil I - Die größten Irrtümer und Missverständnisse über Islam - Kapitel Einführung in den Begriff Islam

Auslegungen des Koran

Irreführende oder unrichtige Auslegungen des Korans, genauso wie schlechte Auslegungen anderer heiliger Texte, stellen uns vor große Herausforderungen in modernen multikulturellen Gesellschaften. Um den Koran auslegen zu können, sollte man sich an den Prinzipien orientieren, die der Prophet Mohammed selbst aufgestellt hat und man sollte den besonderen Aufbau des Korans kennen, sowie die Werte, die sein Fundament ausmachen.

Um den Koran zu erforschen und die Bedeutung der Verse zu verstehen, muss man sie auf mehreren Ebenen erfassen. Zunächst sollte man die Bedeutung und den Sinn der Worte aufnehmen können, dann auf einer allegorischen oder hermeneutischen Ebene und schließlich auf der geistigen oder metaphysischen Ebene. Wenn man diese drei Ebenen nicht erfassen kann, erliegt man sehr schnell den Fallstricken mangelhafter Interpretationen des Korans. Aus diesem Grund findet sich im Koran der Hinweis, dass nur Gelehrte aller Bedeutungsebenen den Koran auslegen sollten.

Er ist es, Der dir das Buch herabgesandt hat. Es enthält eindeutige, grundlegende Verse, die den Kern des Buches bilden und Verse, die verschieden gedeutet werden können. Diejenigen aber, die im Herzen abwegige Absichten hegen, befassen sich vorrangig mit den nicht eindeutigen, mit der Absicht, Verwirrung zu stiften und eigene Deutungen zu entwickeln. Die einzig richtige Deutung weiß nur Gott allein. Diejenigen aber, die über tiefgreifendes, fundiertes Wissen verfügen, bekennen: "Wir glauben daran. Alles ist von Gott, unserem Herrn." So denken nur die, die sich ihres gesunden Verstandes bedienen.
Sure 3, Vers 7.

Daher lässt sich nachvollziehen, dass Wort für Wort Übersetzungen des Korans, wie sie heute im Westen üblich sind, gewöhnlich unrichtige Aussagen enthalten. Es ist unabdinglich, den Koran in seiner Sprache, Arabisch, zu erforschen und alle Ebenen seiner Aussagen zu erfassen. Dies ist alles andere als einfach, denn wir sollten berücksichtigen, dass viele der Worte im Koran nur scheinbar arabische Worte sind, aber eigentlich weisen diese Begriffe eine frappierende Ähnlichkeit mit dem Altsyrischen und sogar dem Altpersischen auf.

Ohne Kenntnisse in Etymologie[1] in Bezug auf die Koranverse kann sich niemand seiner Auslegung sicher sein. Daher würde man der Sache gerechter werden, wenn nur Fachleute, die sich dieser Nuancen bewusst sind und die alle Bedeutungsebenen dieser Verse erfassen können, den schwierigen Versuch unternehmen, den Koran auszulegen.

Dies hat Mohammed auch als Vermächtnis seiner Nachwelt hinterlassen, wie uns ein von allen Muslimen anerkanntes Hadith[2] eröffnet: ‘Ich werde jetzt diese Welt verlassen und hinterlasse euch zwei bedeutende Vermächtnisse: das Buch Gottes und meine Familie étràt oder Tradition sonat. Haltet euch an beide, um von Gott vor jeglicher Abspaltung und Abweichung beschützt zu sein.'[3]

Nehmen wir all diese Aspekte zusammen, wird klar, dass eine Auslegung des Korans schwierig ist und jemanden braucht, der spirituell hoch entwickelt ist, fachkundig in der arabischen sowie in weiteren Sprachen ist und sich der unter-schiedlichen Sinnebenen in jedem Vers bewusst ist. Daher werden die Leser des Korans in dem weiter oben zitierten Vers an die Gefahren erinnert, den Koran nach eigenem Gutdünken und eigensüchtigen Interessen auszulegen.[4] Um dieser Fallgrube zu entgehen, sollte man sich geistig hochstehend entwickeln und seine eigen-süchtigen Interessen zurückstellen können.

Da die Übersetzung des Korans keine einfache Aufgabe ist, sollte man nicht allzu leichtfertig jegliche Auslegung oder Übersetzung als korrekte Wahrheit und einzige Bedeutungsmöglichkeit der Verse betrachten.

Das letzte zu berücksichtigende Kriterium in der Auslegung und im Gesamtverständnis des Korans bezieht sich auf die Verse, die den Auf-bau einer Zivilisation in genau definierten Ent-wicklungsschritten schildern. Diese Verse basieren auf einem naschk genannten Prinzip. 

Historische Entwicklungen menschlicher Gesellschaften und das koranische Prinzip der Aufhebung (naschk)

Der Koran ist ein Buch, das den Menschen und der Gesellschaft Entwicklungsschritte zu einer substanziellen Evolution aufzeigt. Die Methode der Vermittlung gemäß der chronologischen Lehren des Korans macht Gebrauch von dem Prinzip der "Aufhebung" oder "Annulierung". Im Koran heißt es:

Du Mensch! Du strebst mit aller Mühe deinem Herrn zu; und du sollst Ihm begegnen.
Sure 84, Vers 6.

In einem weiteren Vers heißt es:

Der Edelste vor Gott ist der Frommste unter euch.
Sure 49, Vers 13.

Das Prinzip des naschk annuliert einen alten Vers durch einen neuen Vers. Naschk bedeutet "Aufhebung, Auslöschung, Streichung, Über-tragung, Unterdrückung, Auflösung". Die Arbeitsweise von naschk wird in diversen Versen, wie in der Sure 7, Vers 154, Sure 45, Vers 29, Sure 22, Vers 52, Sure 2, Vers 106 und in der Sure 16, Vers 101 angewandt. Diese Verse sind als "Aufhebungsverse" bekannt.

Wenn Wir (einem Gesandten) das wunderbare Zeichen eines vorigen vorenthalten oder es in Vergessenheit geraten lassen, so geben wir ihm ein besseres oder ein ähnliches. Weißt du nicht, dass Gottes Allmacht unermesslich ist?
Sure 2, Vers 106.

Wenn Wir dir ein Zeichen geben, das die Zeichen von Gesandten vor dir ersetzt - Gott weiß wohl, was Er offenbart - sagen die Ungläubigen: "Du bist ein Lügner!" Doch die meisten von ihnen sind unwissend.
Sure 16, Vers 101.

In diesen Versen findet man das Prinzip der Aufhebung eines älteren Verses und seine Ersetzung durch einen jüngeren Vers erläutert. Gemäß diesem Prinzip wird der aufgehobene Vers mansoukh in seiner Relevanz gegenüber dem neuen Vers nasekh herabgestuft und der neue Vers gewinnt dadurch eine höherwertige Gültigkeit. Auf dem geistigen Schulungsweg der substanziellen Entwicklung ist es üblich, dass ein Anfänger auf dem Weg von soghm zu selm die Stufen der inneren Entwicklung und der Entfaltung der seelischen Eigenschaften allmählich und in organischer Weise kennen und ausüben lernt. Wenn ein Novize Fehler begeht, wird ihm verziehen, jedoch wird von den Fortgeschrittenen erwartet, nicht die Verfehlungen eines Anfängers zu begehen.

Die Evolution der Menschheit hat mit der Bildung kleiner Gruppen, bestehend aus Männern, Frauen und Kindern begonnen, die als soziale Zelle in unterschiedlichen Regionen der Welt im Stil der Gemeinschaften der Steinzeit zusammen lebten. Im Laufe der Geschichte und vieler Jahrtausende haben sich diese einfachen Gruppen weiterentwickelt und haben einen neuen Schritt eingeleitet, als sie die ersten Stadtstaaten in Regionen wie Mesopotamien gründeten. Später sehen wir blühende Zivilisationen auftauchen, wie die sumerische, die babylonische, die assyrische, die persische, die griechisch-römische, die sich überlagerten und einander ablösten.

Jahrhunderte später wichen die alten Zivilisationen den modernen Gesellschaften. So sehen wir, wie die Menschheit eine allmähliche Entwicklung durchlaufen hat, die sich aus Sklavenhaltergesellschaften hin zu Zivilisationen entwickelten, die sich demokratisch verstehen und Menschenrechte respektieren.

Die Geschichtsbücher beschreiben, wie sich im 6. Jahrhundert n. Chr. zwei weit entwickelte Zivilisationen und Großmächte, Persien und Byzanz, gegenüberstanden, die in unmittelbarer Nachbarschaft herumwandernder Beduinen auf der Arabischen Halbinsel lebten, die noch keine historische Weiterentwicklung erfahren hatten, da sie sich den abergläubischen Traditionen der Stämme und Bräuchen ihrer Vorfahren vehement verschrieben hatten und nicht davon abweichen wollten.

Die Koranlehren enthalten verschiedene Aspekte, die allesamt auf eine geistig-kulturelle-soziale Erneuerung in jener Region zielten.

Dreiundzwanzig Jahre lang wurden Moham-med koranische Lehren offenbart. In dieser Zeit der schrittweisen Offenbarungen leiteten die Verse eine allmähliche Entwicklungsmethode für die Gläubigen an. Die koranische Methode der schrittweisen Evolution versucht den Lebensstil der Bewohner der Arabischen Halbinsel weiter zu entwickeln.

Die Stufen der Entwicklung beginnen mit dem Ist-Zustand einer in Obskurantismus, Unwissen und Götzendienerei verfangenen Gesellschaft, leiten zum Zustand des Anfängers auf dem Weg von soghm zu selm als Muslim (Gläubiger) über, erreichen dann den Zustand eines Mo'men (glaubwürdiger Muslim), er-reichen die Stufe des Zustands eines Mottaghi (frommer Muslim) und erreichen die Ebene eines Seddigh (gewissenhafter, gerechter Muslim). Schließlich gilt es, sich als Krönung den Zustand des Abd (ein Monotheist, der die Einheit allen Seins erfahren hat) zu erarbeiten.

Neben den Anleitungen zu einer geistigen Entwicklung und zum Erlangen von Weisheit betont der Koran auch die Wichtigkeit, lesen und schreiben zu lernen und sich mit Büchern zu beschäftigen.[5] Eine der ersten Maßnahmen Mohammeds in Medina war die Einführung einer Art Schulpflicht für die eingewanderten Muslime. Er schickte sie in die Schulen der Juden, um dort lesen und schreiben zu lernen und Wissen zu erlangen. Die geistigen Lehren Mohammeds waren vermischt mit Lehren, die sich auf die Entwicklung menschlicher Werte in der Gesellschaft bezogen. Dies kam daher, dass er erkannt hatte, dass eine geistige Entwicklung nicht ausreichte, um sich gegen Despotismus und abergläubische Praktiken aufzulehnen, um eine friedliche auf Teilhabe basierende demokratische Gesellschaft zu gründen.

O Prophet! Fürchte Gott und höre nicht auf die Ungläubigen und die Heuchler! Gottes Wissen und Weisheit sind unermesslich. Befolge alles, was dir von deinem Herrn offenbart wird! Gott weiß genau, was ihr tut. Verlass dich auf Gott allein! Gott genügt als Hüter.
Sure 33, Verse 1-3.

Irreführende Deutungen des Koran

Letztlich kann man sich auch klar machen, dass der eine oder andere sich auf eine gewisse Anzahl überlieferter Hadithe verlässt, um im Namen des Islams unmenschliche Handlungen zu begehen oder sachlich falsche Unterstellungen über den Koran in die Welt zu bringen. Doch um ein abschließendes Urteil über den Koran zu fällen, verlangt auch schon der Koran, dass man sich allein auf seine Aussagen beziehen sollte. Die Gültigkeit eines Hadith kann an den Aussagen im Koran überprüft werden. Wenn das Hadith mit der Aussage des Korans übereinstimmt, kann es als eine aussagekräftige Überlieferung gelten.


[1] Wortherkunft

[2] Ein Hadith ist ein mündlich überlieferter Spruch, der Mohammed zugeordnet wird. Um jedoch ein Hadith als authentisch zu klassifizieren, muss es eine eindeutige schriftliche Spur der Überlieferung bis in die Zeit des Propheten geben und noch wichtiger: es muss mit den Versen des Korans in der Sinngebung übereinstimmen.

[3] Hadith Nabavi zitiert von Zeyd ibn Argham, wie Muslem in seinem Sahih berichtet, Hadith as-Sagàlayn wird von vielen Berichterstattern zitiert: Al-Termazhi ; as-Sonan, vol. 5 im Kapitel ‘al-Managhib fil Ahlol bayt en Nabbi’. Ahmad Hanbal. Al-Musnàd, vol. III, p. 14, 17, 26, 59. Hâkim sagt in Al-Mustadrak, vol. 3 p. 109 dies Hadith sei Sahihlaut Muslim und Bokhari in ihren Büchern Sahih. Mohammad Baghir el Majlesi, Bihâr ol Anwar, vol. 3 p. 106.

[4] Ein klassisches Beispiel eigensüchtiger Auslegung des Korans ist der Einsatz von Steinigungen als Form einer islamischen Strafe, wie es einige Kleriker im Verlauf der Geschichte immer wieder getan haben. Der Koran hat die Steinigung unter keinen Umständen als islamische Strafe aufgeführt, sondern hat die Steinigung als Strafe geschildert, die Despoten an den Propheten Gottes vollziehen ließen. Daher lehnt der Koran solche Strafen vehement und entschieden ab. Es gibt aber immer noch einige Kleriker, die behaupten, Steinigung sei eine gerechte Strafe.

[5] Gott hat den Gläubigen wahrhaftig eine Gnade erwiesen, indem Er einen Gesandten aus ihrer Mitte mit der Botschaft betraute, der ihnen die offenbarten Zeichen Gottes vorträgt, der sie läutert und sie das Buch und die Weisheit lehrt. Denn zuvor hatten sie sich in schwerem Irrtum befunden. Sure 3, Vers 164.

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