Es gibt kaum eine Partei, deren Image so sehr mit Verboten und Umerziehungsversuchen verknüpft ist wie die der Grünen. Ob Veggie-Day, Dosenpfand oder Tempo 120 auf deutschen Autobahnen, ob Solarförderung, Steuerpolitik oder Emissionsreduzierung - die Partei möchte gerne das Leben der Deutschen besser machen, indem sie sie zum "richtigen" Verhalten erzieht. Dafür wird ihr ausgeprägter Paternalismus, die Schaffung eines "Nanny-States", vorgeworfen. Doch gegen die Umerziehung, die die Liberären planen, ist das nur ein laues Lüftchen.
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Dies mag überraschen. Sind es nicht gerade Libertäre, die aus Überzeugung jeglichen staatlichen Eingriff ablehnen, jeden Versuch, den Bürger wohlmeinend die Verantwortung für seine eigenen Entscheidungen abzunehmen? Diese Sichtweise entspricht ihrer Selbstdarstellung und häufig auch der öffentlichen Wahrnehmung, ein Ideal, unrealistisch-utopisch, aber zumindest anzustreben. Doch der Eindruck täuscht. In Wirklichkeit ist die Gesellschafts-Utopie der Libertären als Gemeinschaft freier, selbstbestimmter und selbstverantwortlicher Bürger nur als Resultat einer gewaltigen Umerziehung, ja schon fast Gehirnwäsche, vorstellbar. Genau in diesem Problem liegt auch der Grund dafür, dass es bis heute keinen einzigen Staat gibt, der ein libertäres Konzept tatsächlich umzusetzen versucht hätte. Die Welt ist voller gescheiterter Experimente von Faschisten und Kommunisten, und es gab zahllose alternative Lebensformen und Kommunen in selbst gewählten Enklaven, von denen kaum eine Bestand hatte. Libertäre dagegen gibt es nur in der Fiktion, am bekanntesten wohl in Ayn Rands "Atlas Shrugged", oder aber in Ken Levines "BioShock". Es wird gerne so getan, als ob der Mensch im mythischen Urzustand diesem Bild entsprochen hätte. Nur sich selbst verpflichtet, ohne kollektive Bindungen, ein freiheitliches Wesen, dem nach und nach durch den sich Kompetenzen anmaßenden Staat die Freiheit abhanden kam. Ob als süßes, obgleich vergiftetes Geschenk mit abhängig machenden Bequemlichkeiten oder als brutale Diktatur ist dabei einerlei, am Ende befindet sich der Mensch im Geflecht des Kollektivismus, gehemmt in seiner vollen Entfaltungskraft. Anthropologen jedoch haben in jüngerer Zeit mit solchen Mythen immer mehr aufgeräumt. Der Mensch ist ohne Gemeinschaftsstrukturen nicht denkbar, ob man sie nun "Staat" nennt oder nicht. Und diese haben sich auch noch nie auf eine "Nachtwächterrolle" beschränkt; ihr Ur-Sinn ist nicht der Schutz des Eigentums, sondern die Verteilung von Eigentum und damit Macht. Die Idee, dass das Eigentum einem Schutz unterliegt, ist wesentlich moderner. Die Umformung des Menschen zur libertären Utopie erfordert eine Eliminierung jeglicher Instinkte, die auf eine Abgabe von Verantwortung und Aufgaben an kollektive Organisationsformen hinauslaufen. Sie bürden dem Einzelnen eine Anzahl von hochkomplexen Entscheidungen auf, die die meisten Menschen, wenn sie die Wahl haben, nicht treffen wollen. Die Vorstellung, dass alle Menschen diese Entscheidungen treffen müssen, auf täglicher Basis, ohne dabei Teile delegieren zu können, ist eine Utopie. Sie ist kein Naturzustand, den wir durch ein Beschneiden des Staates einfach herstellen können, sondern sie erfordert einen tiefgreifenden, schon fast brutalen Einschnitt in die menschliche Psyche und steht den kühnsten kommunistischen Utopien in ihrer Radikalität in nichts nach. Würde sie umgesetzt, hätte sie vielleicht auch ebenso tödliche Folgen. Dass jemals jemand ernsthaft eine solche Umsetzung versuchen wird, ist aber glücklicherweise unwahrscheinlich. So bleibt es vor allem eine Theorie, die im grauen Kämmerlein debattiert wird, aber keine Chance auf Umsetzung besitzt. Und das ist auch gut so. Anmerkung: Wo im vorliegenden Text das Wort "libertär" benutzt wird, sind explizit nicht Neoliberale oder Liberale wie die FDP gemeint. Sie sind grundsätzlich dem Staat verhaftet, und ihre Rhetorik vom "Wettbewerb" dient eher dem Erreichen eigener Ziele als genuiner ideologischer Konsequenz. Gemeint ist vielmehr die diffuse Gruppe derer, die liberale Ideen an ihr konsequentes Ende denken - Radikale im Wortsinn.
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Dies mag überraschen. Sind es nicht gerade Libertäre, die aus Überzeugung jeglichen staatlichen Eingriff ablehnen, jeden Versuch, den Bürger wohlmeinend die Verantwortung für seine eigenen Entscheidungen abzunehmen? Diese Sichtweise entspricht ihrer Selbstdarstellung und häufig auch der öffentlichen Wahrnehmung, ein Ideal, unrealistisch-utopisch, aber zumindest anzustreben. Doch der Eindruck täuscht. In Wirklichkeit ist die Gesellschafts-Utopie der Libertären als Gemeinschaft freier, selbstbestimmter und selbstverantwortlicher Bürger nur als Resultat einer gewaltigen Umerziehung, ja schon fast Gehirnwäsche, vorstellbar. Genau in diesem Problem liegt auch der Grund dafür, dass es bis heute keinen einzigen Staat gibt, der ein libertäres Konzept tatsächlich umzusetzen versucht hätte. Die Welt ist voller gescheiterter Experimente von Faschisten und Kommunisten, und es gab zahllose alternative Lebensformen und Kommunen in selbst gewählten Enklaven, von denen kaum eine Bestand hatte. Libertäre dagegen gibt es nur in der Fiktion, am bekanntesten wohl in Ayn Rands "Atlas Shrugged", oder aber in Ken Levines "BioShock". Es wird gerne so getan, als ob der Mensch im mythischen Urzustand diesem Bild entsprochen hätte. Nur sich selbst verpflichtet, ohne kollektive Bindungen, ein freiheitliches Wesen, dem nach und nach durch den sich Kompetenzen anmaßenden Staat die Freiheit abhanden kam. Ob als süßes, obgleich vergiftetes Geschenk mit abhängig machenden Bequemlichkeiten oder als brutale Diktatur ist dabei einerlei, am Ende befindet sich der Mensch im Geflecht des Kollektivismus, gehemmt in seiner vollen Entfaltungskraft. Anthropologen jedoch haben in jüngerer Zeit mit solchen Mythen immer mehr aufgeräumt. Der Mensch ist ohne Gemeinschaftsstrukturen nicht denkbar, ob man sie nun "Staat" nennt oder nicht. Und diese haben sich auch noch nie auf eine "Nachtwächterrolle" beschränkt; ihr Ur-Sinn ist nicht der Schutz des Eigentums, sondern die Verteilung von Eigentum und damit Macht. Die Idee, dass das Eigentum einem Schutz unterliegt, ist wesentlich moderner. Die Umformung des Menschen zur libertären Utopie erfordert eine Eliminierung jeglicher Instinkte, die auf eine Abgabe von Verantwortung und Aufgaben an kollektive Organisationsformen hinauslaufen. Sie bürden dem Einzelnen eine Anzahl von hochkomplexen Entscheidungen auf, die die meisten Menschen, wenn sie die Wahl haben, nicht treffen wollen. Die Vorstellung, dass alle Menschen diese Entscheidungen treffen müssen, auf täglicher Basis, ohne dabei Teile delegieren zu können, ist eine Utopie. Sie ist kein Naturzustand, den wir durch ein Beschneiden des Staates einfach herstellen können, sondern sie erfordert einen tiefgreifenden, schon fast brutalen Einschnitt in die menschliche Psyche und steht den kühnsten kommunistischen Utopien in ihrer Radikalität in nichts nach. Würde sie umgesetzt, hätte sie vielleicht auch ebenso tödliche Folgen. Dass jemals jemand ernsthaft eine solche Umsetzung versuchen wird, ist aber glücklicherweise unwahrscheinlich. So bleibt es vor allem eine Theorie, die im grauen Kämmerlein debattiert wird, aber keine Chance auf Umsetzung besitzt. Und das ist auch gut so. Anmerkung: Wo im vorliegenden Text das Wort "libertär" benutzt wird, sind explizit nicht Neoliberale oder Liberale wie die FDP gemeint. Sie sind grundsätzlich dem Staat verhaftet, und ihre Rhetorik vom "Wettbewerb" dient eher dem Erreichen eigener Ziele als genuiner ideologischer Konsequenz. Gemeint ist vielmehr die diffuse Gruppe derer, die liberale Ideen an ihr konsequentes Ende denken - Radikale im Wortsinn.