Depeche Mode
“Delta Machine”
(Universal)
Wem sollen sie es nun Recht machen? Dem Feuilletonisten, dessen Erwartungen mindestens so hoch sind wie die Meinung, die er von sich selbst hat? Dem eventgetriebenen Musikjournalisten, den beim Anblick dreier mittelgrauer Fiftysomethings schon die kalte Angst um Lesergunst und Auflage anweht und der ohne Starallüren und garantiertes Hitpotential sein Powerbook erst gar nicht einstöpselt? Oder doch besser dem notorisch unzufriedenen Fanvolk, das sich eher in die einfallslose, aber konsequente Kopie früherer Großwerke verlieben will und dem der Name Alan Wilder die allein seligmachende Verheißung bedeutet? So viele Sehnsüchte für knappe sechzig Minuten. Was also machen Depeche Mode? Das einzig Richtige: Sie veröffentlichen mit „Delta Machine“ einen beeindruckend hochklassigen Zusammenschnitt all der Trends, Einflüsse und Stile, die sie im Laufe der Jahrzehnte entweder selbst gesetzt, einfach übernommen oder auch für ihre Zwecke weiterentwickelt haben – und: ja, Gitarren gibt es, sparsam verteilt zu analoger Synthetik und harten Beats, dazu: Soul, soviel man vertragen kann, Sakrales, Tiefschwarzes, Schwülstiges auch, und – am wichtigsten: richtige, das heißt richtig gute Songs. Und das allein unterscheidet dieses Album von seinen drei Vorgängern.
Schon die beiden ersten Stücke „Welcome To My World“ und „Angel“ lassen keine Zweifel aufkommen, dass hier das ganz dicke Packet geschnürt wird, es wummert und pumpt, was die Röhren hergeben, Gahan gibt den Teufel („I penetrate your soul, bleed into your dreams“), mal schmeichlerisch, mal aggressiv und kantig. „Heaven“ – sattsam bekannt – und selbst oder gerade von denen gemocht, die mit Historie und Gesamtwerk weniger vertraut sind, ein hymnisch-schwerblütiger Schmachtfetzen, dem das Pathos aus jeder Pore tropft und der einen doch an den Eiern hat. Danach „Secret To The End“, an dessen Chorus man sich zwar erst gewöhnen muss, die hämmernden Drumsets und der mehr als feine, instrumentale closing part lassen einem aber auch hier keine Wahl, als den „LikeIt“-Button zu drücken. Der ist für das nachfolgende „My Little Universe“ gesetzt – ein Stück, dass es auf den letzten Alben so nicht gegeben hat und das man sich um so mehr herbeisehnte: Die technoiden Bleeps von VCMG, Gore läßt auf der gedoppelten Spur die vereinsamte Seele heulen ("Here I am king, I decide everything, I let no-one in…") und der Beat bleibt satt darüber liegen – man hat lange auf so eine Nummer warten müssen.
Wer vorher die Bezugskette bis zu „Construction Time Again“ knüpfen wollte, darf für das anschließende „Slow“ kurz „Ultra“ sagen – verfremdete Slideguitar zu dick angerührtem Blues, der Track stampft in staubigen Boots behäbig durchs Revier, gleich darauf geht’s mit „Broken“ noch ein paar Jahrgänge zurück – „Music For the Masses“, die Rhythmusmaschine tickert, Gahans Timbre warm und sanft, wenn er über die Zeit der Unschuld singt, Gitarre als Textur, ganz feiner Stoff. So sicher wie das – sorry! – Amen in der schwarzen Messe folgen: Der theatralische, doch herzwärmende Soul des Martin Gore („The Child Inside“) und der bratzig scheppernde Dancetrack „Soft Touch/Raw Nerve“, beide gehören auf ihre Art zu den liebgewonnenen Standards und beide gelingen in gewohnter Manier.
Waren auf dem letzten Album „Sounds Of The Universe“ noch eine ganze Reihe halbgarer Nummern, die man besser unerwähnt ließ, so kommt man bei „Delta Machine“ tatsächlich an keinem der Stücke wirklich vorbei: „Should Be Higher“ markiert gleich den nächsten Stimmungspeak, Gahan croont für die Masse, die diesen Song live, kommt er ins Programm, lieben wird, die ganz große Sause. „Alone“ macht das Gegensatzpaar perfekt, dramatische Düsternis, die Schläge so massiv, dass die Membranen zu reißen drohen – „I couldn’t save your soul“ – keine Hoffnung, nirgends. Tja, und dann doch noch mal der Haken zu „Personal Jesus“ und seiner hiesigen Entsprechnung – „Soothe My Soul“ hat den gleichen Drive, sitzt ähnlich punktgenau, und auch das ist für Show und Bühne gemacht. Bis vor ein, zwei Jahren hätten sie an dieser Stelle behutsam das Licht gedimmt und den Abschied im Flüsterton vorgetragen, es passt zu diesem Album, dass Gahan, Gore und Fletcher am Ende noch einmal alle Maschinen auf Maximalleistung fahren und zum bombastischen Rundumschlag ausholen – „Goodbye“ als Beweis und Ausdruck wiedererlangten Selbstbewußtseins, wer will es ihnen verdenken. „Delta Machine“ ist ein BestOf-Album im wörtlichen Sinne geworden, ohne alte Stücke, aber nach altbewährten Mustern, eine mitreißende Werkschau, die in dieser Qualität und Wucht kaum jemand erwarten konnte. www.depechemode.com
01.06. München, Olympiastadion
03.06. Stuttgart, Mercedes Benz Arena
05.06. Frankfurt, Commerzbank Arena
07.06. Bern, Stade de Suisse
09.06. Berlin, Olympiastadion
11.06. Leipzig, Red Bull Arena
17.06. Hamburg, Imtech Arena
03.07. Düsseldorf, Esprit Arena
05.07. Düsseldorf, Esprit Arena
“Delta Machine”
(Universal)
Wem sollen sie es nun Recht machen? Dem Feuilletonisten, dessen Erwartungen mindestens so hoch sind wie die Meinung, die er von sich selbst hat? Dem eventgetriebenen Musikjournalisten, den beim Anblick dreier mittelgrauer Fiftysomethings schon die kalte Angst um Lesergunst und Auflage anweht und der ohne Starallüren und garantiertes Hitpotential sein Powerbook erst gar nicht einstöpselt? Oder doch besser dem notorisch unzufriedenen Fanvolk, das sich eher in die einfallslose, aber konsequente Kopie früherer Großwerke verlieben will und dem der Name Alan Wilder die allein seligmachende Verheißung bedeutet? So viele Sehnsüchte für knappe sechzig Minuten. Was also machen Depeche Mode? Das einzig Richtige: Sie veröffentlichen mit „Delta Machine“ einen beeindruckend hochklassigen Zusammenschnitt all der Trends, Einflüsse und Stile, die sie im Laufe der Jahrzehnte entweder selbst gesetzt, einfach übernommen oder auch für ihre Zwecke weiterentwickelt haben – und: ja, Gitarren gibt es, sparsam verteilt zu analoger Synthetik und harten Beats, dazu: Soul, soviel man vertragen kann, Sakrales, Tiefschwarzes, Schwülstiges auch, und – am wichtigsten: richtige, das heißt richtig gute Songs. Und das allein unterscheidet dieses Album von seinen drei Vorgängern.
Schon die beiden ersten Stücke „Welcome To My World“ und „Angel“ lassen keine Zweifel aufkommen, dass hier das ganz dicke Packet geschnürt wird, es wummert und pumpt, was die Röhren hergeben, Gahan gibt den Teufel („I penetrate your soul, bleed into your dreams“), mal schmeichlerisch, mal aggressiv und kantig. „Heaven“ – sattsam bekannt – und selbst oder gerade von denen gemocht, die mit Historie und Gesamtwerk weniger vertraut sind, ein hymnisch-schwerblütiger Schmachtfetzen, dem das Pathos aus jeder Pore tropft und der einen doch an den Eiern hat. Danach „Secret To The End“, an dessen Chorus man sich zwar erst gewöhnen muss, die hämmernden Drumsets und der mehr als feine, instrumentale closing part lassen einem aber auch hier keine Wahl, als den „LikeIt“-Button zu drücken. Der ist für das nachfolgende „My Little Universe“ gesetzt – ein Stück, dass es auf den letzten Alben so nicht gegeben hat und das man sich um so mehr herbeisehnte: Die technoiden Bleeps von VCMG, Gore läßt auf der gedoppelten Spur die vereinsamte Seele heulen ("Here I am king, I decide everything, I let no-one in…") und der Beat bleibt satt darüber liegen – man hat lange auf so eine Nummer warten müssen.
Wer vorher die Bezugskette bis zu „Construction Time Again“ knüpfen wollte, darf für das anschließende „Slow“ kurz „Ultra“ sagen – verfremdete Slideguitar zu dick angerührtem Blues, der Track stampft in staubigen Boots behäbig durchs Revier, gleich darauf geht’s mit „Broken“ noch ein paar Jahrgänge zurück – „Music For the Masses“, die Rhythmusmaschine tickert, Gahans Timbre warm und sanft, wenn er über die Zeit der Unschuld singt, Gitarre als Textur, ganz feiner Stoff. So sicher wie das – sorry! – Amen in der schwarzen Messe folgen: Der theatralische, doch herzwärmende Soul des Martin Gore („The Child Inside“) und der bratzig scheppernde Dancetrack „Soft Touch/Raw Nerve“, beide gehören auf ihre Art zu den liebgewonnenen Standards und beide gelingen in gewohnter Manier.
Waren auf dem letzten Album „Sounds Of The Universe“ noch eine ganze Reihe halbgarer Nummern, die man besser unerwähnt ließ, so kommt man bei „Delta Machine“ tatsächlich an keinem der Stücke wirklich vorbei: „Should Be Higher“ markiert gleich den nächsten Stimmungspeak, Gahan croont für die Masse, die diesen Song live, kommt er ins Programm, lieben wird, die ganz große Sause. „Alone“ macht das Gegensatzpaar perfekt, dramatische Düsternis, die Schläge so massiv, dass die Membranen zu reißen drohen – „I couldn’t save your soul“ – keine Hoffnung, nirgends. Tja, und dann doch noch mal der Haken zu „Personal Jesus“ und seiner hiesigen Entsprechnung – „Soothe My Soul“ hat den gleichen Drive, sitzt ähnlich punktgenau, und auch das ist für Show und Bühne gemacht. Bis vor ein, zwei Jahren hätten sie an dieser Stelle behutsam das Licht gedimmt und den Abschied im Flüsterton vorgetragen, es passt zu diesem Album, dass Gahan, Gore und Fletcher am Ende noch einmal alle Maschinen auf Maximalleistung fahren und zum bombastischen Rundumschlag ausholen – „Goodbye“ als Beweis und Ausdruck wiedererlangten Selbstbewußtseins, wer will es ihnen verdenken. „Delta Machine“ ist ein BestOf-Album im wörtlichen Sinne geworden, ohne alte Stücke, aber nach altbewährten Mustern, eine mitreißende Werkschau, die in dieser Qualität und Wucht kaum jemand erwarten konnte. www.depechemode.com
01.06. München, Olympiastadion
03.06. Stuttgart, Mercedes Benz Arena
05.06. Frankfurt, Commerzbank Arena
07.06. Bern, Stade de Suisse
09.06. Berlin, Olympiastadion
11.06. Leipzig, Red Bull Arena
17.06. Hamburg, Imtech Arena
03.07. Düsseldorf, Esprit Arena
05.07. Düsseldorf, Esprit Arena