Die große Chance Scharia
«Gaddafi ist tot» eilt über die Newsticker, und die Welt reagiert im Handumdrehen. Regierungschefs gratulieren den libyschen Rebellen. Unter den ersten sind US-Präsident Barack Obama und Kanzlerin Angela Merkel.
Wörtlich sagt die Kanzlerin: «Dieser Tag setzt einen Schlusspunkt unter das Regime Gaddafi, es ist ein wichtiger Tag für die Libyer. Damit geht ein blutiger Krieg zu Ende, den Gaddafi gegen sein eigenes Volk geführt hat. Der Weg ist nun endgültig frei für einen politischen Neuanfang in Frieden. Darüber ist Deutschland erleichtert und sehr froh.»
Doch ist die weltweite Freude angebracht? Ist der Tod des Despoten Garant für einen erfolgreiches neues Libyen?
Hajo Lanz, Leiter des Referates Naher/Mittlerer Osten und Nordafrika der Friedrich-Ebert-Stiftung sagt dazu zu news.de: «Es wird nicht automatisch alles gut werden, auch in anderen Ländern des arabischen Frühlings wurde es nicht automatisch besser. In Ägypten oder Tunesien waren die Herrscher zwar fort, aber der Rest der Schlange war immer noch da.»
Dennoch unterscheide sich Libyen: «Gaddafi war Identifikationsfigur, das Herz des Widerstands gegen den Widerstand. Nach seinem Tod – und genauso wenn er überlebt und einen Prozess bekommen hätte – kann das Land neu anfangen», sagt Lanz.
Vielmehr: Das Land wird nicht nur neu, sondern von vorne anfangen müssen. Libyen ist Wüste was demokratische Strukturen anbelangt. «Im Land gibt es nichts, keine Kommunalverwaltung, keine Gewerkschaften, keine Parteien. Sicherlich werden wir in nächster Zeit auch viel Blödsinn zu hören bekommen,» sagt Lanz.
Wohin führt der libysche Weg?
Untypisch scheint die Freude westlicher Staaten über das neue Libyen, weil sich der Übergangsrat klar zur Scharia bekannt hat. Der Einmarsch der USA und ihren Verbündeten in Afghanistan, der schwelende Konflikt mit dem Iran stehen symbolisch für das Misstrauen, dass der Westen islamische geprägten Strukturen entgegenbringt.
Experte Hajo Lanz sagt dazu: «Vom jetzigen Zeitpunkt aus lässt sich noch nicht richtig interpretieren, wohin der libysche Weg führen wird. Da muss man erstmal die Entwicklungen abwarten.»
Die Zeiten seien anders geworden, auch für den Islam. «Libyen wird kein säkularisierter Staat nach westlichen Vorbild werden. Aber hier soll auch kein Gottesstaat entstehen, in denen Menschen die Hände abgehackt werden oder alle verschleiert laufen müssen.»
Wohin der Weg des arabischen Frühlings führen wird ist ungewiss. «Diese Staaten müssen erst ihre ganz eigene Art von nordafrikaischer, islamischer, demokratischer Struktur finden. Wie diese aussehen soll können wir nicht sagen. Das wissen die Menschen in diesen Ländern derzeit selbst nicht so genau», sagt der Experte. Sicher ist nur, dass sie sich vom Westen unterscheidet. «Ich persönlich habe kein Problem damit, wenn ein Mann drei Frauen hat, solange die Frauen Rechte haben», bekennt Lanz.
Rund 30 Jahre wird es dauern, so schätzt er, bis die arabischen Staaten ihren eigenen Kurs gefunden haben. «In dieser Zeit wird es immer wieder Enttäuschungen, Stillstände und Nebenschauplätze geben. Dennoch ist das die große Chance, die in den Umbrüchen liegt.»
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Umbruch in Libyen – Die große Chance Scharia
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