Die Gretchenfrage erübrigt sich wohl

Von Andramas

Sie will heute unbedingt in die Kirche, Heiliges Wasser zu holen. Immerhin ist heute der 19. Januar – Хрещення Господнє, die Taufe Christi.

Und: Ich solle sie bitteschön bringen.

Worauf ich keinen Bock habe.

“Normalerweise – also wenn schon, denn schon – musst du in die Havel hopsen. … Gott wird die Minimalvariante, das Alibi sozusagen, nie und nimmer akzeptieren. … Eine fromme Büßerin im PKW zur Kirche gebracht, wo gibt es denn so etwas? … Und überhaupt: Der Tauftermin ist durch nichts bewiesen. … Außerdem fliegen bei Frost keine Tauben.  … Glaubst du wirklich, dass das Heilige Wasser weniger wert sein wird, wenn du es erst morgen abholst?”

Weitere Argumente lasse ich folgen.

Was sie zornig macht.

“Wenn ich dich EINMAL um was bitte…”

Da höre ich sonderbaren Text im Ohr:

“Mißhör mich nicht, du holdes Angesicht!
Wer darf ihn nennen?
Und wer bekennen:
»Ich glaub ihn!«?
Wer empfinden,
Und sich unterwinden
Zu sagen: »Ich glaub ihn nicht!«?
Der Allumfasser,
Der Allerhalter,
Faßt und erhält er nicht
Dich, mich, sich selbst?
Wölbt sich der Himmel nicht da droben?
Liegt die Erde nicht hier unten fest?
Und steigen freundlich blickend
Ewige Sterne nicht herauf?
Schau ich nicht Aug in Auge dir,
Und drängt nicht alles
Nach Haupt und Herzen dir,
Und webt in ewigem Geheimnis
Unsichtbar sichtbar neben dir?
Erfüll davon dein Herz, so groß es ist,
Und wenn du ganz in dem Gefühle selig bist,
Nenn es dann, wie du willst,
Nenn’s Glück! Herz! Liebe! Gott
Ich habe keinen Namen
Dafür! Gefühl ist alles;
Name ist Schall und Rauch,
Umnebelnd Himmelsglut.”

Nun sollte sie antworten.

Am besten würde mir gefallen:

“Ungefähr sagt das der Pfarrer auch,
Nur mit ein bißchen andern Worten.”


Einsortiert unter:0119 Taufe von Jesus, Праздники Tagged: Faust, Goethe, Gretchenfrage, Religion