Die Gonabadi Derwische: Gnostiker, königliche Berater, politische und religiöse Gegner des Regimes im Iran

30.11.2018Hintergrund

mehriran.de - Im Folgenden veröffentlichen wir die Übersetzung eines Interviews, das Nazenin Ansari für die in London erscheinende Kayhan im März 2018mit Dr. Seyed Mostafa Azmayesh, dem offiziellen Vertreter der Gonabadi Derwische außerhalb Irans, geführt hat. Veröffentlicht wurde das Interview am 20. März 2018. Dr. Azmayesh trägt auch die Verantwortung für die spirituellen und kulturellen Aktivitäten des Ordens im Ausland. Er beschreibt die Glaubensvorstellungen, Ansichten und Werte des Ordens und geht auf das Verhältnis des Ordens mit den Machtzentren von der Zeit der Kadscharendynastie (1789-1925) bis zum heutigen Tag ein.

Die Gonabadi Derwische: Gnostiker, königliche Berater, politische und religiöse Gegner des Regimes im Iran

Dr. Seyed Mostafa Azmayesh bei einer Rede im Europäischen Parlament

mehriran.de - Nach einer erneuten Attacke gegen Gonabadi Derwische des Nematollah Ordens im Iran im Februar 2018 haben die Behörden Dr. Noor Ali Tabandeh, das geistige Oberhaupt (Qotb) des Ordens, von seinen engsten Mitarbeitern und Personenschützern isoliert. Diese hatten den 91-jährigen beschützt und seit den gewaltsamen Zusammenstößen zwischen Derwischen und Sicherheitskräften im Februar in Teheran für ihn gesorgt. 

Es wurde eine Anordnung im Namen von Dr. Tabandeh veröffentlicht, die seinen Anhängern untersagte, ihn für die Neujahrsfeierlichkeiten in Teheran zu besuchen oder Zusammenkünfte abzuhalten. Diese Maßnahmen erfolgen nach dem Tod von Mohammad Radschi, einem der Derwische, der bei den jüngsten Angriffen der Sicherheitskräfte auf die Gonabadi Derwische getötet wurde. Er starb in Haft. Radschi war ein früheres Mitglied der Pasdaran (Revolutionsgarden) und galt als nationaler Held für seinen Einsatz im Iran-Irak Krieg. 

Frage: Was ist der Hauptunterschied zwischen Derwischen und dem herrschenden Kleriker-Establishment im heutigen Iran?

Antwort Dr. Azmayesh: Derwische folgen einem geistigen Schulungsweg, genannt Sufitum oder Mystik. Für Derwische ist der Koran eine Urquelle für islamisches Sufitum und Mystik. Dieses Glaubenszeugnis stammt aus einer Zeit vor der Trennung zwischen schiitischen und sunnitischen Glaubensrichtungen. 

Der Koran inspiriert und orientiert alle Handlungen von Gonabadi Derwischen. Natürlich beziehe ich mich hier auf die echten Lehren des Koran, die Weisheit, Einsicht, Intelligenz und Vernunft hochhalten und nicht die korrumpierten Deutungen des Korans, die zu Aberglauben führen. 

Nun, es gibt einen fundamentalen Unterschied zwischen Sufis und dem herrschenden Kleriker-Establishment. Kleriker bauen ihre Dogmen und ihr Glaubensgebäude auf Legenden und Überlieferungen auf, die im Laufe der Jahrhunderte frei erfunden und dem Propheten Mohammed zugeordnet wurden. Doch Sufis beziehen sich stets auf den Koran. Diese Tatsache ist nicht ohne Bedeutung! Sufis betrachten sich nicht als eine Richtung des Islam, sondern eher als Vertreter des Islam. Anders gesagt, sie versuchen die Lehren des Korans zu leben. 

Die offizielle Religion im heutigen Iran ist weder Schia noch Sunni noch Sufi. Die religiöse Führungsschicht hat ein Glaubenssystem rund um die Wiederkunft des 12. Imam, Mohammad Mahdi, geschaffen. Man hat quasi einen Wünsche-Brunnen ausgehoben, aus dem der 12. Imam recht bald auftaucht, wie dem Volk versprochen wird. Man folgt nicht Gottes Prinzipien und den Lehren des Propheten. Stattdessen betet man einen Wünsche-Brunnen an. 

Überbordende Korruption in der Gesellschaft Irans, vor allem der Missbrauch öffentlicher Gelder, haben dazu geführt, dass sich viele desillusionierte Muslime vom Establishment abwenden. Doch geben sie ihren Glauben an Gott und den Koran nicht auf. Stattdessen finden sie Trost im Sufitum und in der Mystik. Dieser Trend erklärt das Anwachsen der Beliebtheit des Nematollah Gonabadi Ordens, der einer der ältesten spirituellen Gemeinschaften im Iran ist. Es werden in verschiedenen Städten Irans Versammlungen durchgeführt. Seine Heiligkeit Hadsch Dr. Nuur Ali Tabandeh (Madschzuub Ali Schah) hält Zusammenkünfte und Lehrveranstaltungen in Teheran ab. Er ist Anwalt, Rechtsexperte und Korankenner.

F: Worin besteht der Kern des Glaubens im Gonabadi Orden und wie hat sich das Lehrgebäude entwickelt?

A: Sufis halten Adam für Ihren ursprünglichen Lehrer, der sein Wissen und seine Methodik an seinen dritten Sohn Seth weitergegeben hat. Seth wurde dann auch sein Nachfolger. Diese Weisheit und ihre Vermittlung sollen bis ans Ende der Zeiten weitervermittelt werden. Jeder Weise ist ein Glied in dieser unendlich langen Kette. Einige der bekannteren Kettenglieder bestehen aus Propheten und spirituellen Anführern wie Noah, Abraham, Moses, David, Salomon und Jesus Christus. Jesus hatte 72 Anhänger von denen 12 seine Jünger waren und die anderen seine Schüler. Diese Schüler haben das Christentum verbreitet. Einige ihrer Ideen haben zur Etablierung der Gnostik geführt, einem Glaubenssystem das auf die Erlangung von Wissen und Weisheit aufgrund persönlicher Erfahrung oder erweiterter Wahrnehmung setzt.

Dschallal ad-din Mohammad Rumi (Dichter, Sufi Mystiker, 1207-1273) sagte: "Schau in deine Seele und erkenne die wahre Natur Deines Selbsts. Ist es ein materielles Ding oder ein geistiges Wesen? Wird es im Augenblick des Todes aufhören zu sein oder seine Hülle verlassen?" 
Jemand fragte Schams-e Din Mohammad Hafis aus Schiraz (Dichter und Mystiker, 1315-1390), ob er sich eher Schiraz zugehörig fühle oder eher der Heimatstadt seiner Eltern, Isfahan, verbunden sei. 

Er antwortete: "Weder noch. Ich stamme vom Himmel". Im Koran wird diese Selbsterkenntnis Islam bezeichnet. In diesem Sinne heißt Islam dann auch, inneren Frieden erlangen, liebevoll handeln, Mitgefühl im Herzen, im Geist, im Körper und in der Seele entfachen.

Der bekannteste Prophet Persiens aus der Spätantike war ein Mann namens Mani (216-274 n.Chr.). Er lebte zur Zeit der Herrschaft des Sassaniden Königs Schapur I (215-272 n.Chr.) Mani wurde im parthischen Babylon (heutiges Irak) geboren, das später Teil des Persischen Sassanidenreiches (224-651 n.Chr.) war. Mani hat den Manichaeismus begründet, eine gnostische Religion, die einst weit in Asien und in Nordafrika verbreitet war, doch jetzt erloschen ist. Manis Vater Patak gehörte zu einer jüdisch-christlichen Sekte namens Elkaisiten (einer Untergruppe der gnostischen Eboniten). Sein bedeutendstes Buch, das Ardahang, enthält viele Zeichnungen und Malereien, mit deren Hilfe Mani die Geschichte der Welt zu erläutern versuchte.

Der nächste bekannte spirituelle Lehrer in dieser langen Reihe war dann der Prophet Mohammad (570-632 n.Chr.), Begründer des Islam, der sich auf das Heilige Buch, den Koran, stützt. Der spirituelle Nachfolger (nicht der politische!) des Propheten Mohammed war sein Cousin und Schwiegersohn Ali ibn Abu Talib (601-661 n.Chr.). Seine Söhne Hassan ibn Ali (624-670 n.Chr.) und Hussein ibn Ali (625-680) führten die spirituelle Tradition fort. Diese wurde durch ihre Nachfolger bis zum 12. Imam weitergeführt.

Ali hatte Hassan al Basri (642-728 n.Chr.) damit betraut, Spiritualität in der Welt zu verbreiten. Basri unterwies mehrere Generationen von Schülern in religiösen Schriften und in etwas, was bald als Sufitum bekannt werden sollte. Er soll ausgedehnte Reisen nach Chorasan, China, Irak, Afrika und bis nach Gibraltar unternommen haben.

Hassan al-Basris Botschaft bezog sich auf die Hinwendung der Aufmerksamkeit auf die Welt hinter den Sinnen, Enthaltsamkeit, Armut und eine verehrende und ehrfürchtige Haltung Gott gegenüber, er sprach aber auch über das Bewusstsein und die Liebe von Gott, die er der Akzeptanz und dem Verständnis der irdischen Welt gegenüberstellte. Seine Anhänger bedeckten sich mit einem grob gewobenen Wollmantel, ähnlich dem, den Johannes der Täufer (spätes 1. Jahrhundert v.Chr. - 32 n.Chr.) getragen haben soll. Im Thomas Evangelium lesen wir, dass Johannes der Täufer Kleidung aus Kamelhaar trug. Johannes war ein Asket ohne materiellen Besitz. 

Gnostik entwickelte sich zu Sufitum, einer spirituellen Linie, die Vorläufer des Islams war. Abraham, Moses und Jesus folgten dem selben geistigen Pfad. Welche Mission hatten sie? Es waren selbstlose und mutige Individuen, die ihr Leben dem Dienst der Menschen widmeten. Sie versuchten ihre niederen Instinkte, unbewussten Triebe und egozentrischen Anlagen zu beherrschen. Sie versuchten ihre Herzen zu öffnen und sich mit der Welt hinter der Materie zu verbinden. 

Einer der wirkungsvollsten Weisen des 14./15. Jahrhunderts war Schah Nematollah Wali, der in Aleppo, heute in Syrien, zur Welt kam. Er hatte in Damaskus studiert und weitreichende Reisen durch den Nahen Osten unternommen. Er erfüllte seine Pilgerpflichten, wonach er durch Chorasan, Täbris, den Kaukasus, Herat und Jazd zog. 

Die Gonabadi Derwische: Gnostiker, königliche Berater, politische und religiöse Gegner des Regimes im Iran
Schah Nematollah Vali
Schließlich ließ er sich in Kouhbanan, in der südöstlichen Provinz Kerman, nieder. In Kerman starb er dann im Alter von 104 Jahren (um 1430 n.Chr. herum). Sein Sohn, Schah Chalilollah, reiste nach Hyderabad, Dekkan, in Indien, wo er eine Chanegah (Versammlungsort, der den Zeremonien und Treffen der Sufi Bruderschaften gewidmet ist) begründete und eine neue Generation von Mystikern ausgebildet hat. Dies könnte man als Geburt des Nematollah Sufitums bezeichnen.

Im frühen 18. Jahrhundert brachte ein bekannt gewordenes Mitglied des Nematollah Ordens namens Seyyed Abdolhamid Dekani (bekannter unter Masoum Alischah) diese Tradition zurück in den Iran. Diese geistige Tradition wurde in der Nachfolge weiter übertragen an Rahmat Alischah aus Schiraz und Saadat Alischah aus Isfahan. Saadat Alischah bestimmte Sultan Mohammad - der in Gonabad, nordöstliche Provinz Razavi in Chorasan geboren wurde - zu seinem Nachfolger. Sultan Mohammad war vielseitig interessiert und begabt, wodurch er über tiefe Einblicke in Theologie, Logik, Philosophie und Metaphysik verfügte. 

F: Wieviel Einfluss übten die Gonabadi Derwische während der Herrschaft der Kadscharen aus?
A: Mohammad Schah Kadschar (1808-1848) war ein Anhänger von Hadsch Zin al-Abedin aus Schirwan (bekannter unter dem Namen Mast-e Alischah). Die Würdenträger des Nematollah Ordens waren bei Mohammad Schahs Krönung anwesend. Der König berief viele herausragende Mitglieder des Ordens auf wichtige Regierungsposten, so auch Hadsch Mirza Aqasi, der Premierminister wurde. Mohammad Schah ernannte ebenso zwei weitere Nematollah Derwische, Sadr al-Mamalek aus Ardebil und Rahman Alischah aus Schiraz zum Kanzler bzw zum Gouverneur der Fars Region.

Die Gonabadi Derwische: Gnostiker, königliche Berater, politische und religiöse Gegner des Regimes im Iran
Mohammad Schah Kadschar

Die Regierungszeit Schah Mohammads war durch religiöse Toleranz im Iran geprägt. Niemand kümmerte sich um die religiöse Zugehörigkeit eines anderen. Muslimische Kleriker verfügten nicht über Macht und Einfluss. In einem seiner Bücher nennt der Historiker Homa Nateq (1945 - 2016) die Regierung Schah Mohammads als Regierung der Derwische. "Diese Periode war von religiöser Toleranz geprägt", stellt Nateq fest. In Folge dessen wurden Sufi Derwische ein Teil der kulturellen Schicht im Land.  

Unter der Herrschaft des Kadscharen Naser al-Din Schah zwischen 1848 und 1896 standen die Derwische in enger Beziehung mit dem königlichen Hof. Hadsch Mirza Hassan Safi aus Isfahan (besser bekannt als Hazrat Safi Alischah, 1835 - 1899) war einer der höchsten Anführer des Alischah Zweiges innerhalb des Nematollah Ordens. Er unterhielt eine herzliche Verbindung zum König, der seinen Schwiegersohn Zahir al-Din beauftragte, die Arbeiten von Safi Alischah zu betreuen. Nach einer Zeit wurde Zahir al-Din ein Anhänger von Safi-Alischah, der ihm schließlich den Titel Safa Alischah gewährte.

F: Welche Position haben die Derwische in Bezug auf die konstitutionelle Revolution im Iran (1905-1911) vertreten?
A: In dieser Zeit gab es zwei parallel zueinander nach Gerechtigkeit strebende gesellschaftliche Bewegungen. Eine der Bewegungen wurde von Intellektuellen angeführt, die sich gegen eine autoritäre Herrschaftsform wandten und sich für eine Herrschaft des Rechts einsetzten. Dem anderen Lager standen spirituell gesinnte Persönlichkeiten vor, die überzeugt waren, dass Gott alle Menschen in gleicher Weise liebt und keine Unterschiede macht zwischen Muslimen und Menschen mit anderen Glaubensvorstellungen. Sie warben für Toleranz auf Grundlage islamischer Spiritualität. 

Derwischen werden unter säkularen Herrschaftsformen mehr Freiheiten gewährt. Unter ideologisch geprägten Regimen hingegen erleiden sie jedoch Unrecht und Beschneidungen ihrer Rechte.

F: Wie hat sich die Beziehung der Derwische zur Pahlawi Dynastie gestaltet?
A: Sowohl Reza Schah (1878-1944) als auch Mohammad Reza Schah (1919-1980) unterhielten freundschaftliche und gute Beziehungen zu den Derwischen. Der letzte Schah hatte auch eine herzliche Verbindung zu den unpolitischen Geistlichen vom Priesterseminar in Qom. Doch er empfand großen Respekt für die Derwische. 

Die islamische Revolution von 1979 hat ziemlich dunkle Kräfte hervorgebracht, die gänzlich gegen Aufklärung und Erleuchtung opponierte und Ausgrenzung förderte. Kleriker wie Mohammad Madani aus Gonabad, die den Derwischen zur Zeit des letzten Schahs feindlich gesinnt waren, hatten plötzlich Rahmenbedingungen, die ihnen ermöglichten Derwische zu verfolgen. Madani gab zu, bei jeder sich bietenden Gelegenheit Versammlungen der Derwische gestört zu haben. Er sorgte auch dafür, dass Bauernhöfe, die Derwischen gehörten, in Flammen aufgingen.

"Ich habe Derwische 50 Jahre lang bekämpft," schrieb Madani in einem seiner Bücher. Schon kurz nach der Revolution bezahlte Madani eine ganze Busladung voller Schläger, um den mittlerweile verstorbenen Hadsch Sultan Hossein Tabandeh (Reza Ali Schah), geistiges Oberhaupt der Gonabadi Derwische, zu bedrohen. Sultan Hossein Tabandeh entschloss sich daraufhin seinen Wohnsitz nach Teheran zu verlegen.

F: Warum hat sich der Begründer der Islamischen Republik, Ajatollah Ruhollah Chomeini (1902-1989), nach der Revolution mit Reza Ali Schah getroffen?
A: Herrn Chomeinis Vorfahren stammten aus Indien, wo sie mit dem Nematollah Orden in Verbindung waren und Schüler in der Linie Schah Nematollahs. Seine Eltern zogen mit ihm zurück in den Iran als er noch ein kleines Kind war. Da war Reza Schah noch nicht an der Macht. Die Familie siedelte im Südosten des Landes, nahe dem Gebiet des Bachtiari Stammes. Bei einem Streit zwischen Stammesmitgliedern und dem Besitzer einer lokalen Fluchtburg, wurde der Vater Chomeinis von Schüssen getroffen und erlag seinen Verletzungen. Daraufhin reisten Chomeini und sein älterer Bruder nach Teheran, um Gerechtigkeit für ihren Vater einzufordern. Sie hofften, die Justizbehörden würden den Mörder ihres Vaters verhaften und vor Gericht stellen. Zu dieser Zeit hieß der Premierminister Madschid Mirza Eyn-ed-Dauleh (1845-1927). 

Die beiden Brüder kamen im Versammlungshaus (Hosseinjeh) Moschir al-Saltaneh unter, das als Treffpunkt der Gonabadi Derwische fungierte. Madani-Gonabadi schreibt in seinen Memoiren, dass er bei einem Treffen mit Seyed Mohammad Hosseini Beheschti (Architekt der nachrevolutionären Verfassung, geboren 1928, ermordet 1981) und Abdolhassan Bani Sadr (geboren 1933, erster Präsident Irans nach 1979 bis zu seiner Amtsenthebung 1981) die Auslöschung des Gonabadi Ordens verlangt hatte. Er begründete seine Forderung damit, dass Derwische Monarchisten seien und hoch in der Gunst des früheren Schahs standen.

Nach einem Treffen mit Ajatollah Chomeini, reiste das geistige Oberhaupt des Gonabadi Ordens, Soltan Alischah, nach Frankreich, Deutschland, Spanien und Indien. In dieser Zeit zerstörten einige Zivilagenten das Versammlungshaus (Hosseinjeh) Moschir al-Saltaneh und brannten es nieder. Diese Nachricht betrübte Soltan Alischah, der sofort seine Reise unterbrach und in den Iran zurückkehrte. Danach verlegte der Orden seine Versammlungen in die Haeri Hosseinjeh. Schließlich gewährte Chomeini den Derwischen ihre Bitten und ordnete den Wiederaufbau der Hosseinjeh Moschir al-Saltaneh an.

Die Gonabadi Derwische: Gnostiker, königliche Berater, politische und religiöse Gegner des Regimes im Iran
Sultan Ali Schah Reza Tabandeh

Die Hosseinjeh Moschir al-Saltaneh wurde 1981 neu eröffnet. Im gleichen Zug forderte Chomeini den Generalstaatsanwalt Mohammad Gilani auf, ein offizielles Dekret für Soltan Alischah und seine Anhänger aufzusetzen, in dem die Sicherheit des Versammlungsortes garantiert wurde. In dem Erlass ist auch die Rede davon, dass Soltan Alischah Tabandeh Gonabadi alle Freiheit habe im Iran zu reisen und Versammlungen abzuhalten. Zugleich enthielt der Erlass auch eine Warnung an mögliche Aggressoren, dass jegliche Handlung gegen ihn als schweres Vergehen gewertet würde, das unter gesetzlicher Strafe stehe. Eine Kopie des Dekrets wurde an alle Staatsanwaltschaften und Polizeistationen der Provinzen im Land verschickt. 

Ajatollah Chomeini hat am 19. März 1989 einen Religiösen Erlass (Fatwa) veröffentlicht. In diesem Dokument führt er alle Risiken und Gefahren für Islam und das Regime auf, die von Klerikern ausgehen könnten. Chomeini lobte in seinen Schriften und Dichtungen andauernd jene, die sich einer spirituellen Entwicklung widmeten.

In einem Brief an Michail Gorbatschow, dem damaligen Staatspräsidenten der Sowjetunion (1985-1991), betonte Chomeini die Gefahren einer materialistischen Weltanschauung. Er rief russische Wissenschaftler und Intellektuelle auf, sich mit den Lehren bekannter Sufi Mystiker wie Ibn Arabi (1165-1240), Schahab al-Din Yahya ibn Habasch Suhrawardi (1154-1191) und Mullah Sadra (1571-1640) vertraut zu machen. All dies zeigt die positive und wertschätzende Haltung Chomeinis gegenüber den Sufis.

Nach dem Tod Ajatollah Chomeinis wandelte sich das politische und gesellschaftliche Klima im Iran. Viele Leute, die gegen Sufis und Menschen in einer spirituellen Entwicklung waren, erlangten hohe Positionen innerhalb des Regimes und besetzten Schlüsselstellen im Sicherheitsapparat des Landes. 

Der stellvertretende Geheimdienstminister Said Emami (geboren 1958, angeblich durch Selbstmord im Gefängnis 1999 gestorben) lancierte einen brutalen Angriff gegen Sufis und Derwische. Seyed Mahmoud Haschemi Schahrudi, Leiter der Justiz (1999-2009) erließ 2005 eine Anweisung an alle Staatsanwalt Büros in den Provinzen mit dem Befehl, lokale Polizeikräfte, Sicherheitskräfte und die Islamischen Revolutionsgarden (Pasdaran) darin zu unterstützen, alle Sufi Zentren zu schließen. Damit hat er gegen den Erlass Chomeinis verstoßen. 

Das Verhältnis zwischen dem Regime und den Sufi Orden verschlechterte sich danach zunehmend. Mittlerweile hat der Staat zahlreiche Hosseinjehs zerstört. Die Pasdaran schikanieren und behandeln Derwische regelmäßig mit großer Brutalität.

Vertreter des Regimes haben die Derwische gar als Daesh (ISIS) Terroristen klassifiziert. Das derzeitige spirituelle Oberhaupt des Ordens, Dr. Nuur Ali Tabandeh, genannt Seine Heiligkeit Madschzuub Ali Schah, steht inoffiziell unter Hausarrest. Es war ihm viele Jahre verboten zu reisen. Es gab koordinierte Bemühungen die Sufi Derwische in den letzten Jahren zu verfolgen. Der Propaganda Apparat des Regimes, einige Priesterseminare aus Qom und die erzkonservativen Großajatollahs wie Hossein Nuuri Hamedani, Mohammad Fazel Lankarani, Naser Makarem Schirazi und Lotfollah Safi Golpayegani haben eine groß angelegte Hetzkampagne und Angriffe auf die Derwische gestartet.

Am 22. Februar 2010 versammelten sich zwischen 50.000 und 70.000 Derwische vor dem Parlament in Teheran (Madschles), um gegen die Behandlung von Gonabadi Derwischen friedlich und stumm zu protestieren. Seit dieser Zeit und den Angriffen auf die Derwische in diesem Jahr im gleichen Zeitraum, gilt der Tag als "Tag der Derwische". In den letzten Wochen und Tagen sind die Sicherheitskräfte äußerst brutal gegen die Derwische vorgegangen, die sich um das Haus ihres Oberhaupts Madschzuub Ali Schah in Teheran versammelt hatten.

F: Wie bringen sie Spiritualität in Übereinstimmung mit der machiavellistischen Welt der Politik?
A: Derwische befolgen die Gesetzeslage. Madschzuub Ali Schah ist ein Rechtsexperte. Er hat früher als Anwalt und Richter gewirkt. Er ermutigt die Mitglieder des Ordens den Rat des griechischen Philosophen Sokrates (470-399 vor Christus) zu befolgen, der die Wichtigkeit betonte, das Gesetz einzuhalten. Das derzeitige Regime im Iran erlaubt Derwischen nicht, sich politisch zu betätigen, selbst wenn von Seiten des Ordens nichts dagegenspricht. 

Der Staat ist soweit, die Derwische als Abscheulichkeit zu betrachten. Das Regime ignoriert die reichhaltige Geschichte und der Wirkung der Sufis und ihren unschätzbaren Beitrag für das Kulturleben weltweit. Es bezeichnet Gonabadi Derwische als "korrumpierte Leute, die einer abweichlerischen Sufi Sekte gehören". Muslimische Kleriker verstärken dieses Negativbild in ihren Predigten und religiösen Erlassen (Fatwas).

Wer als Derwisch identifiziert wird, verliert unweigerlich seine Arbeit, selbst wenn er nur als Straßenkehrer arbeitet. 

In der derzeitigen Stimmung ist es undenkbar für einen Derwisch sich um ein politisches Mandat zu bemühen. Es gibt keine Möglichkeiten für Derwische. Das Regime im Iran beschützt die Rechte seiner Bürger nicht.
Iran ist geprägt von einer sehr vielfältigen kulturellen Breite. Menschen unterschiedlichster Glaubensvorstellungen, ethnischer Abstammung und Herkunft haben beigetragen zu einer nationalen Identität dieses uralten Kulturlandes.

In weiten Abschnitten seiner Geschichte war Iran ein säkularer Staat. In den letzten 40 Jahren dieses Regimes jedoch haben einige Leute öffentliche Gelder veruntreut, die Finanzkassen geplündert und heimtückische Verbrechen gegen die Bevölkerung begangen ohne geringste Aussicht auf Bestrafung. Man hat die Menschen dazu getrieben, sich vom Islam und von Religion abzuwenden.
Derwische sind gesetzestreue Bürgerinnen und Bürger, die ein friedliches Miteinander im Sinn haben. Doch behandelt die Justiz alle Bürger gleich? Die Antwort ist ein lautes und eindeutiges Nein!

Die Behörden verfolgen Bahai, Christen, konvertierte Gläubige, Atheisten, Derwische und viele andere Menschen.

Während der Präsidentschaft von Mahmoud Ahmadinedschad (2005-2013) wurden zahlreiche Hosseinjehs dem Erdboden gleichgemacht. Mehdi Karroubi, ehemaliger Parlamentspräsident, der immer noch unter Hausarrest steht, war empört über die Zerstörung der Hossseinjehs. Er schrieb dem damaligen Innenminister Mostafa Pourmohammadi einen Brief, in dem er die Gewalt gegen die Derwische verurteilte.

Aus Dankbarkeit für seinen Einsatz, gaben die meisten Derwische bei den Präsidentschaftswahlen 2009 Karroubi ihre Stimme. Daraufhin beschuldigten die Behörden die Derwische, Pläne zum Umsturz des Staats zu verfolgen.

Bei den Präsidentschaftswahlen im Jahr 2013 ließ sich Hassan Rouhani über die Misshandlung religiöser Minderheiten und Andersdenkender aus. Schon während seiner ersten Amtszeit bestellte Rouhani Ali Younesi zum Sonderbeauftragten des Präsidenten für Angelegenheiten ethnischer und religiöser Minderheiten. Herr Younesi hat sich in der Sache stark und unermüdlich eingebracht und die Probleme benannt. Er gestand sogar ein, dass die Derwische schon über Jahre schikaniert worden waren. Er versprach gar ein Ende dieser Ungerechtigkeiten.

Im Februar 2017 veröffentlichte Präsident Rouhani seine Bürgerrechts Charta. Sie garantiert allen Bürgerinnen und Bürger Rede- und Meinungsfreiheit "im Rahmen der vom Gesetz vorgesehenen Grenzen", sowie Zugang zu öffentlichen Informationen, Kommunikation im virtuellen Raum, Recht sich zu versammeln und an Demonstrationen Teil zu nehmen und ein faires Gerichtsverfahren zu bekommen.

Leider, leider hat das Regime bisher keinen dieser Punkte umgesetzt. Der Druck des Regimes auf die Derwische hat sich sogar noch erhöht, dank ihrer wachsenden Beliebtheit und Bekanntheit bei der Bevölkerung.

Derwische haben die gleichen spirituellen Werte, die schon von großen Geistern wie Hafis, Rumi, Saadi aus Schiraz (1210-1292), Attar aus Neyschapur (1145-1220) oder Sanai (1080-1141) gepriesen wurden.
Doch die Führung des Landes tut alles dafür, um diese geistigen Schätze durch eine Kultur der "Wünsche-Brunnen-Anbetung" zu ersetzen. 

Man will den Derwisch Orden unterdrücken und am liebsten von der Bildfläche verschwinden lassen. Und obwohl Derwische friedlich ihr Leben leben und ihre Mitmenschen nicht belästigen, ist ihr Leben und ihre Existenz in Gefahr. Das Regime behauptet, dass einige der Extremisten im Land Derwische seien, was jenseits aller Tatsachen liegt.

kayhanlife.com/people/the-gonabadi-dervishes-gnostics-royal-advisors-political-and-religious-adversaries/

© mehriran.de, Helmut N. Gabel

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